Facharbeit in der 12. Klasse Schülerin studierte GA-Heiratsanzeigen von der Kaiser- bis zur Nazizeit

BONN · Geschichte - ein trockenes und langweiliges Fach? "Keineswegs", findet Josephine Bengs. "Es ist total spannend, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen", sagt die 19-jährige Schülerin. Und davon überzeugt ist sie auch nicht erst seit ihren aufwendigen Recherchen für eine Hausarbeit in ihrem Lieblingsfach. Schon lange interessiert sie sich für alles, was früher geschah und wie sich die Menschheit weiterentwickelte, sagt sie. Für ihre Hausarbeit suchte sie sich ein ganz besonderes Thema aus: Heiratsanzeigen im Wandel der Geschichte.

 Historische Heiratsanzeigen: Josephine Bengs hat Annoncen aus dem General-Anzeiger gesichtet und ausgewertet.

Historische Heiratsanzeigen: Josephine Bengs hat Annoncen aus dem General-Anzeiger gesichtet und ausgewertet.

Foto: Roland Kohls

Auf die Idee kam sie, als sie und ihre Mitschüler im Unterricht über Menschenrechte sprachen und sich in dem Zusammenhang auch mit der Emanzipationsbewegung befassten.

Josephine, die die 12. Klasse der Bertolt-Brecht-Gesamtschule in Tannenbusch besucht, hat für ihre Arbeit keine Mühen gescheut und wochenlang in der Universitätsbibliothek Annoncen studiert, die zwischen der Kaiser- und der Nazizeit im General-Anzeiger erschienen sind. Und dabei interessante Dinge entdeckt. Ihre wohl wichtigste Erkenntnis: Auch in Heiratsannoncen spiegeln sich die Moralvorstellungen einer Gesellschaft der jeweiligen Zeit wider.

Bei ihrer Recherche erfuhr die Oberstufenschülerin, dass die älteste Kontaktannonce übrigens in einer englischen Zeitung 1727 aufgegeben wurde. Von einer schon etwas betagteren Dame, die auf diese Weise hoffte, noch einmal ein spätes Glück zu finden. Doch statt des ersehnten Mannes an ihrer Seite fand die Anzeigenkundin sich in einer Nervenheilanstalt wieder. Eine Frau, die eigenhändig und dazu auch noch in aller Öffentlichkeit einen Ehemann suchte, die konnte nur verwirrt sein, glaubte man zu jener Zeit.

Für ihre Arbeit konzentrierte sich die Schülerin dann aber doch lieber auf die Annoncen, die seit der Kaiserzeit im GA aufgegeben worden waren. Damals, so fand die Schülerin heraus, waren die Rollen zwischen Mann und Frau strikt getrennt. Frauen waren ausschließlich für Haushalt und Kinder zuständig, deshalb waren Attribute wie "häuslich, kinderlieb, ehrlich und brav" Standardformulierungen in den damaligen Heiratsannoncen.

Idealvorstellungen von Männern über Frauen, über die Josephine heute nur schmunzeln kann. "Da klangen die Anzeigen aus den 1920er Jahren doch schon moderner", sagt die Schülerin. Deutlich mehr Frauen gaben jetzt selbst Anzeigen auf, und Worte wie "Glück" und "Liebe" tauchten immer öfter in den Texten auf. Die Frauenbewegung lässt grüßen. 1918 war das Wahlrecht für Frauen in Deutschland in Kraft getreten.

Doch dann setzt die Weltanschauung der Nazis der Emanzipationsbewegung ein vorläufiges Ende, was Josephine wiederum sehr anschaulich an den Texten der Heiratsannoncen aus jener Zeit nachweist: "Da rückt wieder das brave Ehefrau- und Mutteridyll in den Vordergrund", fand sie heraus. "Eine Superleistung", findet Josephines Geschichtslehrer Klaus Eschweiler. Der Pädagoge setzt ganz bewusst darauf, dass sich seine Schülerinnen und Schüler für ihre Facharbeiten Themen mit Lokalbezug suchen. "Da ist dann nichts mit Kopieren und Einfügen aus dem Netz", sagt er mit einem Augenzwinkern, "die lokalen Ereignisse müssen meine Schüler eigenhändig recherchieren."

Für Josephine war das kein Problem. Sie hat sehr gern fast sieben Wochen Arbeit in die Sichtung der historischen Anzeigen gesteckt, sagt sie. Und so schon als Schülerin ganz nebenbei gelernt, sich in der komplexen Welt einer Universitätsbibliothek zurechtzufinden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Von GA-Redakteur
Philipp Königs
zur Klimaplan-Bilanz
Erfolg bemisst sich an Taten
Kommentar zur Bonner Klimaplan-BilanzErfolg bemisst sich an Taten
Zum Thema
Aus dem Ressort