Sparplan bringt städtische Mitarbeiter auf die Palme

So ein volles Haus wünscht sich wohl mancher Orchesterchef: Allerdings war die Stimmung am Mittwoch in der Beethovenhalle alles andere als von Harmonien geprägt.

Bonn. So ein volles Haus wünscht sich wohl mancher Orchesterchef: Allerdings war die Stimmung am Mittwoch in der Beethovenhalle alles andere als von Harmonien geprägt. Kein Platz war mehr frei, als Personalratschef Christoph Busch kurz nach 14 Uhr die außerordentliche und - wie üblich - nicht öffentliche Personalversammlung der städtischen Mitarbeiter eröffnete.

Mehr als 2 000 waren gekommen, um gegenüber Vertretern der Ratsfraktionen und der Stadtspitze ihrem Frust und Unmut über die geplanten Einsparungen beim städtischen Personal Luft zu machen. Dabei bekam vor allem die schwarz-grüne Koalition ihr Fett weg.

Denn sie will über den von der Verwaltungsspitze selbst geplanten Abbau von mehr als 100 Stellen hinaus zusätzlich Personal sparen: per Einstellungsstopp und durch die Verlängerung einer Wiederbesetzungssperre auf neun Monate. Das hat im Stadthaus das Fass zum Überlaufen gebracht: Ihre Politik sei "unverantwortlich", "unsozial" und "unmenschlich", warf Busch Georg Fenninger (CDU) und Peter Finger (Grüne) in der Beethovenhalle an den Kopf.

Das SparpaketDie Stadtspitze hat für den Doppelhaushalt 2011/12 Einsparungen im Personalbudget in Höhe von 2,5 Millionen Euro sowie in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2015 nochmals drei Millionen Euro vorgesehen. CDU und Grünen reicht das zur Vermeidung des Nothaushaltes nicht aus.

Sie fordern zusätzlich einen Einstellungsstopp, von dem Kindergärten, offene Ganztagsschulen und Feuerwehr sowie neuerdings auch das Jobcenter und die Übernahme von Auszubildenden ausgenommen werden. Es soll zudem eine Wiederbesetzungssperre gelten und der Personalreservepool von 47 auf 37 Stellen gekürzt werden. Einsparvolumen: etwa 1,8 Millionen Euro.

Die Ratsmehrheit missbrauche das städtische Personal als Sparschwein, traue sich aber nicht an den Abbau von Standards und Aufgaben, sagte er. Immer mehr Kollegen seien nicht nur völlig überlastet, sondern mittlerweile auch krank.

Auf Antrag der SPD, die das Anliegen des Personalrats "voll und ganz unterstützt", hat die Verwaltung kürzlich dazu Zahlen genannt: Im vorigen Jahr lag die Gesamtkrankenquote in der Stadtverwaltung bei 5,63 Prozent. Heißt: Auf die 5 459 Beschäftigten kommen 112 079 Krankentage - macht etwa 20 Tage pro Mitarbeiter.

Das Institut für Arbeitsforschung in Nürnberg zählte im vorigen Jahr durchschnittlich acht Krankentage auf jeden Arbeitnehmer bundesweit. Aber, so räumt die Verwaltung selbst ein, im interkommunalen Vergleich liege Bonn immer noch im Durchschnitt.

Für Busch kein Trost: Mit der jetzigen Politik werde der Bürgerservice für die Menschen in Bonn und die Fürsorgepflicht gegenüber den Kollegen zu Grabe getragen. Für Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) ist die Ratskoalition mit ihren zusätzlichen Sparvorschlägen "weit über das Ziel hinaus geschossen". "Sparen ja, auch beim Personal ", sagte er dem GA vor Beginn der Versammlung, "aber in einem Prozess des Miteinanders."

Mit ihrem aktuellen Änderungsantrag für den Hauptausschuss, der unter anderem weitere Ausnahmen beim Einstellungsstopp beinhaltet, rücke die Ratsmehrheit zwar einiges "wieder mühsam zurecht". Doch für Nimptsch und seinen Parteifreund und SPD-Ratsfraktionschef Wilfried Klein geht das nicht weit genug. Klein: "Für mich besiegelt diese Personalpolitik das Ende einer leistungsfähigen Verwaltung."

Michael Faber (Linke) tönte ins selbe Horn: "In Sachen Personalabbau ist das Ende der Fahnenstange erreicht."

Kommentar Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Großes Verständnis"

Das halten CDU und Grüne für starken Tobak. Fenninger und Finger wehrten sich gegen die Kritik und verwiesen auf die Bezirksregierung Köln, die der klammen Stadt Bonn unmissverständlich nahegelegt habe, ihre Haushaltswirtschaft an den Rahmenbedingungen auszurichten, die für Kommunen mit Haushaltssicherungskonzept oder Nothaushalt gelten.

Dort, wo Personal dringend benötigt werde, solle es auch zum Einsatz kommen, versicherten sie. Es gehe um Arbeitsoptimierung und Synergieeffekte.

Kurz gefragtChristoph Busch engagiert sich seit 18 Jahren im Personalrat und ist Chef der Beamtengewerkschaft Komba Bonn/Rhein-Sieg. Mit ihm sprach Lisa Inhoffen.

General-Anzeiger: Sind Sie mit dem Verlauf der Versammlung zufrieden?

Christoph Busch: Ja. Ich glaube, die Botschaft ist angekommen, dass nicht weiter auf dem Rücken der städtischen Mitarbeiter gespart werden kann. Die Belastungsgrenze ist mehr als erreicht. Wir haben seit 1995 rund 1 000 Stellen abgebaut. Jetzt sollen jedes Jahr weitere 100 Stellen wegfallen.

GA: Was befürchten Sie?

Busch: Unsere Krankenstände steigen kontinuierlich. Wir wissen, dass immer mehr Kolleginnen und Kollegen an Burn-Out leiden. Sie können einfach nicht mehr. Erst kürzlich ist eine Kollegin im Jugendamt zusammengebrochen und musste ins Krankenhaus.

GA: Was fordern Sie?

Busch: Einer Forderung ist endlich Rechnung getragen worden. Im Rahmen der Gesundheitsprävention werden in der Verwaltung jetzt gezielte Maßnahmen gegen Burn-Out und Depressionen durchgeführt. In dem Zusammenhang soll der Mitarbeiter-Sozialdienst auf zwei volle Stellen aufgestockt werden. Die zweite Forderung richtet sich an die Politik: Wer Stellen abbaut, muss sagen, auf welche Aufgaben er künftig verzichten will. Wir sind durchaus zu einem Sparbeitrag bereit. Aber es passt nicht, einerseits Stellen wegzurationalisieren, und auf der anderen Seite den Mitarbeitern immer mehr Aufgaben aufzubürden.

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