Weihnachtsamnestie in Bonn Staatsanwaltschaft entlässt 28 Häftlinge

BONN/REGION · Alle Jahre wieder lässt die Justiz in der Weihnachtszeit Gnade vor Recht ergehen: Sie entlässt Frauen und Männer vorzeitig aus den Gefängnissen, damit sie das Fest in Freiheit feiern können.

Allerdings ist diese vorzeitige Entlassung an strenge Bedingungen geknüpft, und die erfüllten in diesem Jahr im Zuständigkeitsbereich der Bonner Staatsanwaltschaft, die für die sogenannte Weihnachtsamnestie zuständig ist, 28 Häftlinge. Die Hauptvoraussetzung für die Gewährung der Gnade: Die Haftentlassung muss ohnehin bis zum 6. Januar anstehen, entweder weil das reguläre Haftende erreicht ist, oder aber eine Entlassung nach zwei Dritteln der Haftzeit auf Bewährung möglich ist. Aber es gibt noch andere Voraussetzungen, die ein Häftling erfüllen muss. So muss sichergestellt sein, dass sowohl sein Wohnsitz als auch sein Lebensunterhalt gesichert sind. Die oder der Inhaftierte muss insgesamt "gnadenwürdig" sein, erklärt Behördensprecherin Monika Volkhausen.

Landesweit sind das in diesem Jahr 657 Häftlinge, wie der Sprecher des NRW-Justizministeriums, Markus Strunk, auf GA-Anfrage erklärte. Sie alle kamen nach Prüfung ihres jeweiligen Falls bereits im November auf freien Fuß. Wer ein Fall für die Weihnachtsamnestie sein könnte, melden die Justizvollzugsanstalten des Landes, und das Ministerium ermächtigt die für die Strafvollstreckung jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften, die Gnadenwürdigkeit in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Amnestie gewährt werden sollte.

Bei der Bonner Staatsanwaltschaft gingen diesmal 34 Anträge ein, und nicht alle waren erfolgreich: In sechs Fällen wurde Häftlingen die Gnadenwürdigkeit abgesprochen, sie müssen ihre Strafe bis zum bitteren Ende absitzen und die Feiertage hinter Gittern verbringen. In einem Fall hatte sich laut Volkhausen bei der Prüfung herausgestellt, dass der Gefangene, dessen Haft zwischenzeitlich für eine Drogentherapie ausgesetzt worden war, diese Therapie abgebrochen hatte. Und das sei genauso zu bewerten, wie wenn ein Häftling eigenmächtig das Gefängnis verlassen hätte. "Und dafür muss er nicht auch noch belohnt werden."

Keine Gnade gibt es auch für Strafgefangene, gegen die im Gefängnis ein Arrest angeordnet worden war. Und natürlich, so Volkhausen, darf gegen sie auch kein weiteres Strafverfahren anhängig sein. Und noch etwas müsse gesichert sein: "Der Häftling muss mit der vorzeitigen Entlassung einverstanden sein." Denn in Einzelfällen wollten Häftlinge Weihnachten lieber hinter Gittern verbringen, wenn sie etwa draußen nicht wüssten, wo sie bleiben sollten. In diesem Jahr aber habe niemand die Weihnachtsamnestie abgelehnt.

Und wer vor Weihnachten auf freiem Fuß ist, aber auf seine Aufforderung zum Haftantritt rechnet, erhält im Regelfall eine Schonfrist bis nach den Feiertagen. Das gilt auch für alle, gegen die Erzwingungshaft angeordnet wurde, weil sie beispielsweise Bußgelder trotz wiederholter Mahnungen nicht gezahlt haben. Die Vollstreckungsbeamten werden erst wieder nach Neujahr bei ihnen klingeln.

Doch nicht nur in der Vorweihnachtszeit halten Gnadengesuche die Justiz auf Trab. Davon weiß der jeweilige Gnadenrichter des Landgerichts, der vom Justizministerium eigens für dieses Amt ernannt wird, ein Lied zu singen: Um die 80 Anträge auf vorzeitige Haftentlassung gingen im Lauf des Jahres 2015 bei der hiesigen Gnadenstelle ein, teilte Gerichtssprecher Thomas Stollenwerk auf Anfrage mit. Doch für Gnade braucht man gute Gründe, und die haben nur die wenigsten Antragsteller, so Richter Stollenwerk: Weniger als zehn Prozent der Gesuche hatten Erfolg.

Denn, so der Richter: Einfache Härte wie pflegebedürftige Eltern reicht als Grund nicht aus. Und auch die Wiederholungstäterin, die nach mehrfacher Warnung zu einer Haftstrafe verurteilt worden war und nun um Gnade fleht, weil sie ihre Kinder versorgen müsse, bekommt zu hören: Diese Gründe konnten sie schon vor dem Strafgericht nicht vor dem Gefängnis bewahren - und hielten sie auch nicht von der Tat ab. Und gänzlich ohne Chance war das Gnadengesuch eines Bonners, der elf Jahre zuvor wegen Tötung seiner Frau zu lebenslanger Haft verurteilt worden war.

Der Mann hatte, so Stollenwerk, vorzeitige Haftentlassung beantragt aus Gründen der Gleichbehandlung mit ausländischen Häftlingen, die nach der Hälfte der Haftzeit in die Heimat abgeschoben werden. Denn, so die Begründung des Mörders: Auch er wolle sich im afrikanischen Ausland eine neue Existenz aufbauen und sei deshalb wie ein Ausländer zu behandeln. Eine Argumentation, die laut Stollenwerk schon deshalb nicht ziehen konnte, weil einem deutschen Staatsbürger die Rückreise in die Heimat nicht verwehrt werden kann. "Der Fall eines Antragstellers", so Stollenwerk, "muss so gravierend und eindeutig sein, dass Gnade vor Recht gerechtfertigt ist".

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