Kachowka-Staudamm zerstört Stadt Bonn will Hilfe für Cherson verstärken

Bonn · Der Bonner Verein Help und andere Organisationen versuchen, das Leid der Menschen vor Ort zu lindern. Die Helfer berichten von dramatischen Szenen. Für das seit Frühjahr laufende Projekt „Bonn hilft Cherson“ sind bislang nur relativ wenig Spenden eingegangen.

 Helfer verteilen in Ostriv, einem Stadtteil von Cherson, Notpakete von Booten aus.

Helfer verteilen in Ostriv, einem Stadtteil von Cherson, Notpakete von Booten aus.

Foto: Help – Hilfe zur Selbsthilfe

Die Hilfe für das Flutkatastrophengebiet in der Ukraine kommt auch aus Bonn. Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Region Cherson sind der Verein Help und andere Organisationen aus der Bundesstadt aktiv, um das Leid der Menschen vor Ort zu lindern. Die Stadtverwaltung will verstärkt um Spenden für das vom Rat beschlossene Projekt „Bonn hilft Cherson“ werben, für das bislang nur eine überschaubare Summe eingegangen ist.

Helfer unter russischem Beschuss

Help ist Bonns offizielle Partnerorganisation für diese sogenannte Solidaritätspartnerschaft. Der Verein verteilt derzeit Tankgutscheine, Bargeld und Hilfspakete und stattet Notunterkünfte mit Gegenständen des täglichen Bedarfs aus. „Wir haben zusammen mit dem Gesundheitsamt der Regionalverwaltung Cherson vier Krankenhäuser identifiziert, die medizinische Ausstattung und Geräte sowie Medikamente benötigen“, sagt Katrin Trushevskyy, Help-Programmkoordinatorin Ukraine. „Aber auch hier ist weitere Unterstützung notwendig.“

Seit Donnerstag ist Darya Romanenko, Landesdirektorin von Help in der Ukraine, persönlich im Katastrophengebiet. Mitarbeiter von Help und weiteren Nothilfe-Organisationen seien dabei, Menschen aus den überfluteten Häusern zu evakuieren, berichtete sie dem GA am Freitag am Telefon. Doch insbesondere der Bereich, an dem Menschen aus den Booten steigen, sei im Visier der Soldaten. „Gestern gerieten wir unter Artillerie- und Raketenwerferbeschuss“, berichtete Romanenko. Die Hilfskräfte seien gezwungen gewesen, ihre Aktivitäten vorübergehend einzustellen. Auch nachts stehe die teilweise überschwemmte Stadt Cherson unter Beschuss. „Sie schießen auf Häuser, die unter Wasser stehen, weil sie sehen, dass dort Menschen auf den Dächern sitzen und auf Hilfe warten“, erzählt Romanenko.

Vor der Explosion des Staudamms hatte Help Krankenhäuser in Cherson mit medizinischen Geräten und Arzneimitteln beliefert. „Einer der Chefärzte teilte mir gestern mit, dass er die Ausbreitung von Wasserkrankheiten erwartet“, erzählte die Nothelferin. Daher bestehe besonders hoher Bedarf an entsprechenden Medikamenten. Zudem sei das Leitungswasser in der Region abgestellt. „Wir verteilen Wasserreinigungstabletten an die Bevölkerung“, sagte Romanenko. Die Menschen vor Ort seien dankbar. Doch die meisten könnten aufgrund des Schocks nicht über das Nötigste hinaus mit den Helfern zu kommunizieren.

Chersons Militärverwaltung hatte die Stadt Bonn im Januar offiziell um Hilfe beim Wiederaufbau der stark zerstörten Stadt am Dnepr gebeten, aus der sich die russischen Angreifer im November zurückgezogen hatten. Ende März einigte sich die Bonner Stadtverwaltung an einem Runden Tisch mit der Hilfsorganisation Help auf eine enge Zusammenarbeit. Help sagte für das Projekt 100.000 Euro aus eigenen Mitteln zu. Angesichts der jüngsten Flutkatastrophe habe die humanitäre Nothilfe in Cherson jedoch Vorrang, erklärte eine Vereinssprecherin in Bonn am Freitag. Bislang seien rund 12.000 Euro an Spenden für das Projekt „Bonn hilft Cherson“ eingegangen. Die Sprecherin geht davon aus, dass die Spendenbereitschaft steigen werde.

Die Stadt Bonn hat in den vergangenen Monaten nach eigenen Angaben mehrere virtuelle Gesprächsrunden mit dem Vizebürgermeister und Verwaltungsmitarbeitern aus Cherson organisiert, an denen Help und andere Bonner Initiativen sowie Wissenschaftler teilgenommen haben. „Die Solidaritätspartnerschaft ist geprägt durch eine äußerst schwierige Situation in Cherson“, sagte Stadtsprecherin Barbara Löcherbach. Die Frontstadt leide unter regelmäßigem russischem Beschuss. Cherson habe nur noch wenig Personal im Rathaus. Viele Mitarbeitende hätten die Stadt seit Beginn des russischen Angriffskrieges verlassen, so Löcherbach. „Dies stellt beide Seiten vor erhebliche Herausforderungen.“

Kommune setzt auf soziale Medien

Für Spenden auf das Help-Konto „Bonn hilft Cherson“ wirbt die Stadtverwaltung vor allem über die sozialen Medien. Nach dem Staudammbruch will sie diese Bemühungen laut Löcherbach noch einmal verstärken. Auch beim Europatag am 6. Mai in der Innenstadt sei für das Hilfsprojekt geworben worden. Die Stadt unterstütze außerdem Vereine und Initiativen, die sich für die Solidaritätspartnerschaft einsetzen. Eigene Veranstaltungen, um das Projekt bekannter zu machen, hat die Kommune bisher aber nicht organisiert.

Die Stadt plant, drei Fahrzeuge aus dem eigenen Fuhrpark nach Cherson zu bringen. Sie kümmert sich zudem um den Transport von zwei weiteren Fahrzeugen, die aus einem Hilfsprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert werden. Auch die Lieferung von Computern, Servern und Baumaterial werde geprüft, berichtet die Stadtsprecherin. Cherson habe darum gebeten.

Wenn Sie das Projekt „Bonn hilft Cherson“ direkt unterstützen möchten, können Sie Ihre Spende auf folgendes Konto überweisen: Help – Hilfe zur Selbsthilfe e.V., IBAN: DE47 3708 0040 0240 0030 00, Stichwort: Bonn hilft Cherson. Onlineüberweisungen sind auch auf der Help-Internetseite möglich: www.bonn-hilft-cherson.de

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