Trauermarsch mit nackter Brust 150 Gläubige ziehen sich selbst kasteiend durch Bonn

Bonn · Jeder Schlag ein Zeichen der Trauer über den Tod des Imams Ali, der vor rund 1350 Jahren ermordet wurde. Zum sechsten Mal ziehen rund 150 schiitische Gläubige durch die Bonner Innenstadt.

Hunderte Hände schlagen im Takt. Klatsch. Klatsch. Klatsch. Immer auf die nackte Brust. Jeder Schlag ein Zeichen der Trauer über den Tod des Imams Ali, der vor rund 1350 Jahren ermordet wurde und damit das erste Schisma im Islam auslöste. Die Schiiten gedenken diesem Tag am Ende des Ramadans seit jeher mit feierlichen Umzügen, so wie auch in der Bonner Wenzelgasse. Zum sechsten Mal ziehen rund 150 Gläubige durch die Bundesstadt, immer wieder die Straße rauf und runter.

Zwischenzeitlich tragen sie symbolisch einen Sarg auf ihren Schultern, dazu singend - und sich eben schlagend. Für manche ein seltsames, gar verstörendes Bild. Und doch nur eine fremde Form gelebten Glaubens.

Gläubige reisen aus ganz Europa an

In gewisser Weise erinnert der Zug, der mit einiger Verspätung und im Anschluss an eine öffentliche Predigt nach 16.30 Uhr beginnt, an das Flagellantentum aus dem Mittelalter, vor allem da viele der aus ganz Europa angereisten Teilnehmer (die meisten von ihnen pakistanischer Herkunft) durchaus entsprechende Narben auf ihren Körpern vorweisen können.

"Dabei geht es eigentlich überhaupt nicht um Schmerzen", erklärt Syed Haider, der Initiator des Zuges. "Wir bekunden damit unsere Bereitschaft, dass wir das Leid auf uns genommen hätten, wenn wir seinerzeit anwesend gewesen wären."

Teilnehmer wollen auch ein Zeichen gegen Terror setzen

Doch gerade in Indien und eben Pakistan sei eine aggressivere Form der Trauer üblich. "Das sind dann aber kulturelle Unterschiede, keine religiösen Gebote. Uns geht es darum, an den Märtyrertod von Imam Ali zu erinnern, der Nachfolger des Propheten Mohammed war und von Moslems getötet wurde. In gewisser Weise war das schon ein terroristischer Akt gegen die Gläubigen, der mit dem Islam nichts zu tun hat. Wir trauern damit nicht nur um Alis Tod, sondern protestieren auch gegen jeglichen Terror und jegliches Unrecht, damals wie auch in der heutigen Zeit."

Warum findet der Zug in Bonn statt?

"Ich bin nun einmal Bonner, hier geboren und aufgewachsen", erklärt Haider. "Wo sollte ich ihn sonst organisieren?" In anderen Städten gäbe es vergleichbare Aktionen, doch für ihn sei nur seine Heimatstadt in Frage gekommen. Diese Meinung teilen allerdings längst nicht alle Bürger.

Während einige überaus neugierig und offen sind, auch wenn sie lieber die Polizei als die Schiiten ansprechen, herrscht bei anderen eher Unverständnis als Toleranz vor. Zitiert werden will keiner, doch manche Reaktionen sprechen für sich. "Muss das ausgerechnet hier in der Einkaufszone sein", fragt einer. Und ein weiterer ruft gar dazu auf, auf die Straße zu spucken, über die die Gläubigen barfuß marschieren.

Diesen vereinzelten Misstönen zum Trotz bringen die Schiiten ihre Trauerfeier ohne größere Zwischenfälle zu Ende und werden mit Sicherheit auch im kommenden Jahr wieder in Bonn zusammenkommen, um Ali zu ehren und zu betrauern.

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