Prozess am Bonner Landgericht 31-Jährige versorgte Straßenstrich-Szene mit Drogen

Bonn · Eine 31-Jährige muss sich seit Freitag wegen bewaffneten Drogenhandels vor dem Bonner Landgericht verantworten. Die Mutter zweier Kinder legte jetzt vor Gericht ein umfassendes Geständnis ab.

Der Straßenstrich: Prostituierte bieten ihren Körper an der Immenburgstraße an. Der Großteil kommt aus Osteuropa.

Foto: Nicolas Ottersbach

Die Frau war laut Anklage bis an die Zähne bewaffnet, als im Januar ihre Wohnung durchsucht und sie festgenommen wurde. Beschlagnahmt wurde nicht nur Rauschgift aller Art – darunter Kokain, Heroin, Ecstasy und Marihuana –, sondern auch ein ganzes Waffenarsenal mit Gas- und Schreckschusspistole, Äxten, Elektroschockern, Teleskopschlagstöcken, Messern und Armbrust.

Gefunden wurden auch 37.440 Euro in bar, die in der Wohnung an verschiedenen Stellen versteckt waren. Am ersten Prozesstag hat die Angeklagte alles offengelegt und gestanden.

Als die Angeklagte sieben Jahre alt ist, ertrinkt ein Schulfreund in der Sieg, sie wird aus Kummer 100 Kilo schwer – und zum Gespött der Klasse. Mit 14 Jahren bekommt sie ihren ersten Sohn, ein halbes Jahr später stirbt der Vater des Kindes bei einem Unfall. Die Einsamkeit und Verzweiflung treibt die Pubertierende in eine Clique, in der gekifft wird.

Mit 19 Jahren wird Heroin ihre Hauptdroge, die sie erst raucht, dann spritzt. Damit ihr Sohn bei ihr wohnen kann, macht sie einen Entzug. Drei Jahre ist sie clean, aber mit der Trennung vom drogensüchtigen Vater des zweiten Kindes kommen der große Rückfall und Absturz. Dennoch war die 31-Jährige in der Lage, ein florierendes Drogengeschäft am Bonner Straßenstrich aufzuziehen. Das offenbar faire Geschäftsmodell der Hartz-IV- Empfängerin: saubere Drogen. Das sprach sich herum am Strich, und ihre Wohnung wurde zum Umschlagplatz – bis das Drogenhaus an der Immenburg aufflog.

Wie Verteidiger Martin Kretschmer erklärte, habe seine Mandantin mit dem Drogenhandel begonnen, weil Heroin auf dem Schwarzmarkt Ende 2015 von so schlechter Qualität gewesen sei, dass es zu schweren Entzündungen und Brandblasen an den Einstichstellen der Spritzen geführt hatte. Nach der Verhaftung sollte der Frau sogar ein Arm amputiert werden, der nicht mehr heilen wollte. Dagegen hatte sie sich mit Erfolg gewehrt.

Aber nicht nur die „sauberen Drogen“, so Kretschmer, sondern auch ihre Art mit ihren Kunden umzugehen, machte ihre Wohnung zum Taubenschlag: Sie sei für den Strich so eine Art „Mutter Teresa“ gewesen, die immer ein offenes Ohr hatte, auch saubere Spritzen verteilte, Butterbrote schmierte oder auch schon mal ihre Dusche „verlieh“.

Ihr Erfolg rief die Dealerkonkurrenz auf den Plan: Wiederholt sei sie bedroht worden, im Herbst 2017 seien zwei Männer, die vor der Haustür alles kurz und klein geschlagen hätten, durchs Küchenfenster eingestiegen. Ihr Sohn (17) rief noch rechtzeitig die Polizei. Seitdem, so die 31-Jährige, habe sie mit der Angst gelebt, dass sie wiederkommen. Und sich ordentlich bewaffnet. „Mit diesem Leben ist jetzt Schluss“, versicherte die Angeklagte gestern. Dabei wirkte sie sehr erleichtert.