Prozessauftakt in Bonn 35-Jähriger soll seine Großmutter erwürgt haben

Bonn · Nach dem Leichenfund im vergangenen Herbst vor einem Holzlarer Bungalow stehen nun ein 35-Jähriger und dessen 33-jährige Bekannte wegen Mordverdachts vor Gericht. Der Mann soll seine Großmutter umgebracht haben.

 Die Bekannte des Angeklagten steht ebenfalls vor Gericht.

Die Bekannte des Angeklagten steht ebenfalls vor Gericht.

Foto: Peter Kölschbach

Die Situation kam den beiden Polizeibeamtinnen schnell verdächtig vor: Als sie am Abend des 16. September 2020 zum Haus einer Rentnerin in der Alten Bonner Straße in Holzlar gerufen wurden, begrüßte sie der Enkel der Frau auf der kleinen Terrasse im Vorgarten des leicht abgelegenen Bungalows. Seit Montagmorgen steht der 35-Jährige nun wegen Mordes aus Habgier, Heimtücke und zur Verdeckung einer Straftat vor dem Bonner Schwurgericht. Eine Kollegin der beiden Polizistinnen, die zu Prozessauftakt als Zeuginnen aussagten, hatte nämlich nur kurze Zeit nach Einsatzbeginn die Leiche der 86-jährigen Hausherrin unter einem Gebüsch und mit einer grauen Decke bedeckt gefunden.

Es sieht so aus, als ob der Angeklagte auf frischer Tat erwischt worden sein könnte: Die beiden Polizistinnen erhielten um kurz nach zehn Uhr abends von der Leitstelle den Hinweis auf Hilfeschreie in dem Gebiet direkt an der Stadtgrenze zu Sankt Augustin. Weil sie das genannte Haus aber nicht sofort finden konnten, parkten die Hundestaffelführerinnen ihren Streifenwagen rund 400 Meter entfernt und ließen sich von Anwohnern den Weg zeigen.

An der besagten Adresse angekommen, erwartete sie der Angeklagte bereits im Vorgarten. Auf die Frage, ob er auch etwas gehört habe, habe der Mann ihnen nur geantwortet, er sei soeben erst nach Hause gekommen. Das sagten die beiden Beamtinnen nacheinander übereinstimmend im Zeugenstand aus.

Verdächtige Blutlache im Vorgarten

Recht entgegenkommend habe er sie in den weitläufigen Garten hinter dem Bungalow geführt, ihnen dort die Bienenstöcke der alten Dame gezeigt und unentwegt ungefragt die Antworten auf mögliche Fragen vorweggenommen. Er sei der Enkel der Hausherrin und erst vor einiger Zeit aus einer langjährigen Haftstrafe entlassen worden. Seine Großmutter sei in einer Kur, hätte eigentlich an jenem Abend zurückkommen sollen, habe aber ihren Aufenthalt um eine Woche verlängert.

 Eine 86-jährigen Frau wird getötet. Vor dem Bonner Landgericht beginnt nun der Prozess gegen ihren Enkel und eine mutmaßliche Mittäterin wegen Mordes.

Eine 86-jährigen Frau wird getötet. Vor dem Bonner Landgericht beginnt nun der Prozess gegen ihren Enkel und eine mutmaßliche Mittäterin wegen Mordes.

Foto: Nicolas Ottersbach

Ins Haus mochte der Enkel die Beamtinnen allerdings nicht lassen, und so schauten sich die Polizistinnen auch im Vorgarten etwas genauer um. Und dabei fiel ihnen trotz der schummrigen Lichtverhältnisse schnell eine Blutlache auf dem Plattenweg ins Auge, die offenbar nur notdürftig mit einem Gartenschlauch beseitigt worden war.

Die stamme von ihm, gab der Enkel darauf schnell als Antwort. Weil aber eine neben der Lache gefundene defekte Brille eindeutig als Modell für ältere Damen zu erkennen gewesen sei und die Blutmenge zudem so gar nicht zu den kleinen Schürfwunden an seinen Knien passen mochte, die er den Beamtinnen daraufhin zeigte, drangen die Ordnungshüterinnen nun massiv darauf, das Innere des Bungalows in Augenschein zu nehmen: „Das Haus glich einem Schlachtfeld“, beschrieb eine der Kolleginnen den Anblick, der sich ihr dort bot. Jeder Schrank und jede Schublade seien ausgeräumt gewesen: Es habe gewirkt, als ob jemand eingebrochen sei, der jede Menge Zeit gehabt habe. Erst jetzt ließ der Enkel die Polizistinnen wissen, dass er wohl zwei Tage zuvor die Terrassentüre nicht richtig verschlossen habe. Als Strafentlassener habe er aber den Einbruch nicht der Polizei mitteilen wollen.

Das Opfer hatte noch einen Strick um den Hals

Nun vollends misstrauisch geworden, riefen die beiden Beamtinnen Unterstützung herbei. Eine der drei neu eingetroffenen Polizisten machte schließlich die grausige Entdeckung: Unter der Decke seien die Konturen einer Person zu erkennen gewesen, außerdem hätten Schuhe hervorgeragt. Das darunter verborgene Opfer hatte noch einen Strick um den Hals.

Besonders aufgefallen sei ihnen, wie ruhig der Enkel die gesamte Zeit über gewirkt habe. Quasi emotionslos habe er auf die wechselnden Situationen reagiert und jeweils schnell eine passende Geschichte erzählt. Nur nach dem Leichenfund hätten sie dann aber doch etwas Schweiß auf seiner Stirn bemerkt. Dennoch habe er auch da „sehr, sehr ruhig“ gewirkt: „Wer soll denn da liegen?“, habe er auf den Hinweis der Kollegin gefragt. „Das wird doch wohl nicht meine Großmutter sein.“ Kurz darauf wurde der Mann verhaftet.

Gegen 33-jährige Bekannte erhob Staatsanwaltschaft ebenfalls Anklage

Er saß allerdings am Montag nicht alleine auf der Anklagebank: Gegen eine 33-jährige Bekannte hatte die Staatsanwaltschaft ebenfalls Anklage erhoben. Bei der Frau sollen Teile der gestohlenen Habseligkeiten gefunden worden sein. Die Anklage geht davon aus, dass sie an dem Verbrechen beteiligt gewesen ist und dem Enkel ein Alibi verschaffen sollte.

Zu Prozessauftakt würdigten sich die beiden aber keines Blickes. Der deutlich älter als 35 wirkende Angeklagte saß eine Reihe vor der maskulin wirkenden Frau mit der blauen Irokesenfrisur. Der schweigende Mann lässt sich von seinem Anwalt verteidigen, für die Angeklagte kündigte deren Verteidigung eine Einlassung zu einem späteren Zeitpunkt an. Ein Urteil wird frühestens Mitte des kommenden Monats erwartet, das Gericht hat zunächst sieben Verhandlungstage angesetzt.

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