Öffentlicher Nahverkehr in Bonn Keine Alternative zum 365-Euro-Ticket in Sicht

Bonn · Bonner Bus- und Bahnkunden ärgern sich über die Preispolitik des Verkehrsverbunds. Nächstes Jahr läuft das preiswerte SWB-Angebot im Rahmen von Lead City aus. Eindeutige Signale des Bunds zu weiteren Fördergeldern fehlen bislang.

 Sie nutzt das 365-Euro-Ticket gerne: Claudia Podlacha wartet am Bonner Busbahnhof auf ihren Bus.

Sie nutzt das 365-Euro-Ticket gerne: Claudia Podlacha wartet am Bonner Busbahnhof auf ihren Bus.

Foto: Benjamin Westhoff

Ein Jahr ist es jetzt her, dass Christoph Siefen vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umgestiegen ist. Möglich gemacht hat es das 365-Euro-Ticket, das die Stadtwerke Bonn (SWB) seit einem Jahr Neukunden im Bonner Stadtgebiet anbietet. Der 43-Jährige war einer der Ersten, die von dem günstigen Jahresabo profitierten. „Es bringt mir eine Ersparnis, da ich früher erst mit dem Auto nach Roisdorf fahren musste, um den ersten Zug zur Arbeit zu erwischen“, schreibt Siefen in einem Leserbrief an den GA. Zum Ende des Jahres läuft sein Vertrag aus, ein vergleichbares Angebot gebe es bislang nicht.

„Warum kann man sich nicht mehr um die Kunden bemühen?“, ärgert sich Siefen. Er selbst arbeitet als Lokführer bei der Deutschen Bahn AG. Bei den regulären Ticketpreisen des Verkehrsverbunds müsse er 2020 wohl wieder aufs Auto umsteigen. Dabei sei das 365-Euro-Ticket ursprünglich vom Bund im Rahmen von „Lead City“ ins Leben gerufen worden, um der Luftverschmutzung durch den Autoverkehr entgegenzuwirken. Siefen ist nicht der Einzige, der sich über die Preispolitik beim öffentlichen Nahverkehr ärgert. Claudia Podlacha, 50, bezieht das 365-Euro-Ticket seit diesem Februar. „Ich nutze den ÖPNV seitdem sehr intensiv, auch das damit verbundene Angebot von Nextbike.“ Das Auto bleibe überwiegend in der Garage und werde nur noch zu besonderen Ausnahmen genutzt. Anders als Siefen wurde Podlacha in einer SWB-Umfrage postalisch zu ihrem Mobilitätsverhalten befragt. Dort gab sie an, an einer Verlängerung des Tickets oder einem vergleichbaren Angebot interessiert zu sein. Das liegt ihr indes bislang nicht vor.

SWB können Unmut vieler Kunden verstehen

Seitens der SWB kann man den Unmut vieler Kunden verstehen, sagt Michael Henseler, stellvertretender Pressesprecher der SWB. „So sehr wir uns freuen ‚Lead City’ zu sein, wir müssen uns an die Förderrichtlinien halten, die der Bund uns vorgibt.“

So würden die Tickets ausschließlich an Neukunden im Raum Bonn vergeben und gelten maximal ein Jahr. „Wir haben von Anfang an betont, dass eine begrenzte Förderungsdauer schwierig ist, um Neukunden zu halten. Aber uns sind da leider die Hände gebunden.“

Vom Bund gebe es derweil keine eindeutigen Signale, das Projekt „Lead City“ und damit das 365-Euro-Ticket fortzuführen, sagt Markus Schmitz von der Stadt Bonn. Dabei sei man an einer Fortführung des Projekts interessiert und deswegen mit verschiedenen Akteuren im Gespräch. Eine Notwendigkeit, hat doch das Umweltbundesamt drastische Einschnitte im Individualverkehr gefordert, um die deutschen Klimaziele für 2030 einzuhalten. So solle der Sprit stärker besteuert werden.

„Soziale Härten“ müssten dabei ausgeglichen werden, Preissenkungen im ÖPNV könnten ein erster Schritt sein. Über preiswertere Bus- und Bahntickets würde sich Christoph Siefen freuen. Auch Claudia Podlacha wünscht sich, dass ein ähnlich günstiges Angebot wie das 365-Euro-Ticket auch Stammkunden offenstehen sollte. Ob dafür weitere Fördergelder fließen, liegt jetzt bei Stadt und Bund.

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