40 Jahre Neuordnung des Raumes Bonn: "Ein Segen"
Auch wenn sich nicht alle Bürger gleich mit der neuen Stadt identifizierten: Die Raumordnung brachte Bonn voran
Bonn. Es geschah quasi über Nacht. Vom 31. Juli auf den 1. August 1969: Die (einst) kleine Bundeshauptstadt machte einen mächtigen Sprung nach vorne. Wuchs von 138 012 auf 299 376 Einwohner. (Heute sind's 316 361) Von 31 auf rund 140 Quadratmeter. Kletterte auf der Skala der kleinsten Bundesgroßstädte vom drittletzten Platz (vor Herne und Wanne-Eickel) auf Platz 17.
Aber es war keine leichte Geburt, die in jener Nacht gefeiert wurde. Gefeiert? Na ja; allen war nach Feiern nicht zumute. Denn viele Jahre war in der Region, aber auch im Düsseldorfer Landtag gerungen worden um die "Neuordnung des Bonner Raumes" - und vor allem die Bürger der einst selbstständigen Städte Bad Godesberg und Beuel hatten sich mit Händen und Füße gegen die Raumordnung gesträubt.
Und noch heute gibt es nicht wenige "Bonner" wie den 59-jährigen Gastronom Heinz König aus Bad Godesberg, der behauptet: "Ich bin fest davon überzeugt, dass es Bad Godesberg heute besser ginge, wenn wir noch selbstständig wären."
Doch die Zahl derjenigen, die den Vor-Neunundsechzigern nachtrauern, schwindet. 40 Jahre sind vergangen, und viel, viel Wasser ist seitdem den Rhein heruntergeflossen. Natürlich: Ein Ur-Mehlemer "fühlt" sich nach wie vor als Mehlemer, allenfalls als Bad Godesberger; selten als Bonner. So geht es vielen (noch) in den diversen Stadt- und Ortsteilen.
Doch jenen Bonnern, die in "der Zeit danach" in diese Stadt zogen, sind derartige Denkweisen fremd. So wissen heutzutage viele Mitbürger nicht einmal, dass Bad Godesberg oder Beuel einst nicht zu Bonn gehörten. Und schon 1979, also zehn Jahre nach der Raumordnung, stellte der damalige Oberbürgermeister Hans Daniels fest: "Die neue Stadt Bonn hat ihre Bewährungsprobe bestanden."
Und weiter: "Die Zeiten, da über Bonn verächtlich geurteilt wurde, sind vorbei." Selbst der damalige Bezirksvorsteher von Beuel und Gegner der Raumordnung, Erwin Kranz (CDU), stellte zum zehnten Geburtstag der neuen Stadt Bonn fest: "Die Raumordnung hat für unseren Stadtbezirk keine Nachteile gebracht."
Interessant ist eine andere Stimme. In der Zeitschrift "Haus & Grund" war 1994, 25 Jahre nach der Raumordnung und drei Jahre nach dem Berlin/Bonn-Beschluss, zu lesen: "Bad Godesberg ist nicht mehr Zentrale, sondern nur noch der südliche Teil von Groß-Bonn. Damit wird man leben müssen, auch wenn so mancher davon träumt, als lokale Konsequenz des Berlin-Beschlusses die “Lex Bonna„ zu kassieren und die früheren Verhältnisse wieder herzustellen."
Apropos Bonn/Berlin: Gegner des "großräumigen Zusammenschlusses der Region" führten seinerzeit zu Felde, Bonn signalisiere damit eine "Konkurrenz zu Berlin". Doch Berlins damaliger Regierende Bürgermeister Klaus Schütz meinte: "Berlin hat großes Verständnis für die Probleme, die der Stadt Bonn durch ihre Aufgaben als vorläufige Bundeshauptstadt entstanden sind."
Die Interessen Berlins würden durch "Maßnahmen, die erforderlich sind, um Bonn in seiner Funktion als vorläufige Hauptstadt arbeitsfähig zu machen, nicht berührt".
Übrigens: Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gab es Überlegungen, "Groß-Bonn" neu zu taufen auf den Namen Konrad-Adenauer-Stadt. Was die Initiatoren dann doch abhielt, war die Erinnerung an Ostblockstaaten, die vertraute Ortsnamen kurzerhand änderten. So war aus Chemnitz Karl-Marx-Stadt geworden. Und Bonn blieb Bonn.
Das neue Bonn... ...am 1. August 1969 entstanden durch die alte Stadt Bonn und die ehemals selbstständigen Gemeinden Buschdorf, Ippendorf, Lessenich und Röttgen. Heute folgende Ortsteile: Auerberg, Castell, Buschdorf, Dottendorf, Dransdorf, Endenich, Graurheindorf, Gronau, Ippendorf, Kessenich, Lessenich-Meßdorf, Nordstadt, Poppelsdorf, Röttgen, Südstadt, Tannenbusch, Ückesdorf, Venusberg, Weststadt, Bonn-Zentrum.
Bad Godesberg: Die Ortsteile Bad Godesberg-Zentrum, Friesdorf, Plittersdorf, Rüngsdorf, Muffendorf, Lannesdorf und Mehlem gehörten bereits 1969 zu Bad Godesberg. Danach entstanden Pennenfeld und Hochkreuz.
Beuel: Bis 1969 bildeten 13 Ortsteile Beuel. Mit der Gebietsreform kamen Holzlar, Oberkassel und Hoholz dazu.
Hardtberg: Der Stadtbezirk ist 1969 aus Duisdorf, Hardthöhe und Lengsdorf entstanden; fünf Jahre später kam der neue Ortsteil Brüser Berg hinzu. Heute bilden diese Ortsteile plus Medinghoven den Stadtbezirk.
Bleibt Bonn auch auf Dauer Bonn in seinen jetzigen Grenzen? Will heißen: Kommt das Thema Raumordnung nochmals auf die Tagesordnung? Schon vor 1969 gab es ernst zu nehmende Stimmen, die das "neue Bonn" lieber größer gesehen hätten. Alfter und Hangelar, gar Königswinter und Meckenheim hätte man mit einbeziehen sollen, sagten die Befürworter einer größeren Bundeshauptstadt.
Allen voran Franz Meyers. Der ehemalige NRW-Ministerpräsident, der nach der Raumordnung - bis zur Wahl von Peter Kraemer zum ersten Oberbürgermeister der neuen Stadt - die OB-Funktion als "Staatskommissar" wahrnahm, sagte 20 Jahre später, am 28. Juli 1989, in einem GA-Interview: "Im Grundsatz war die Raumordnung richtig.
Aber der ganze frühere Landkreis Bonn hätte nach Bonn eingemeindet werden müssen. Die Leute aus den linksrheinischen Orten müssen ja jetzt durch Bonn fahren, um in die Kreisstadt Siegburg zu kommen. Ich sehe durchaus Chancen, dass der Landtag sich dieser Sache noch einmal annimmt und sie korrigiert."
Da hat sich der CDU-Politiker geirrt in seiner Prognose. Zwar stand auch der Rhein-Sieg-Kreis, wegen seiner Lage rund um Bonn herum auch "Halskrausen-Kreis" genannt und im Zuge der Neuordnung des Raumes Bonn ebenfalls neu geschaffen, dem neuen Zuschnitt der Region nicht uneingeschränkt positiv gegenüber. Gleichwohl: Weder in Bonn noch im Rhein-Sieg-Kreis, aber auch nicht in der Düsseldorfer Landesregierung gibt es Überlegungen, das Thema Raumordnung noch einmal anzupacken.
An dem eindeutigen "Nein" zu einer erneuten Gebietsreform, das die damaligen Repräsentanten der Region, OB Hans Daniels und Landrat Franz Möller, anlässlich der "Silberhochzeit" des Gesetzes artikulierten, hat sich nichts geändert. So sagt denn auch OB Bärbel Dieckmann: "Es wird heute keine Neuordnung mehr geben.
Und deshalb sollten wir uns heute darauf konzentrieren, die regionale Zusammenarbeit weiter zu verstärken. Dafür müssen lokale Egoismen noch stärker überwunden und die Vitalität größerer Gemeinsamkeit in den Mittelpunkt gestellt werden." Ähnlich klingt es bei Ehrenlandrat Franz Möller. "Wir sitzen alle in einem Boot und sind aufeinander angewiesen."
Aufeinander angewiesen war man vor allem nach dem Berlin/Bonn-Beschluss vom 20. Juni 1991. In der Phase, als es um die Umsetzung des Berlin/Bonn-Gesetzes und des Ausgleichsvertrages ging, klappte das Miteinander nahezu perfekt, obwohl - oder auch: weil - mit dem Kreis Ahrweiler ein weiterer Partner mit am Tisch saß, dessen Landräte Joachim Weiler und Jürgen Pföhler bisweilen als Vermittler fungierten, wenn es einmal knirschte zwischen Stadt und Kreis.
Jetzt, da das Geld verteilt ist (rund 1,3 Milliarden Euro aus dem vom Bund finanzierten Ausgleichstopf), kriselt es bisweilen in der Bonn-Siegburg-Connection. Angewiesen sind die Nachbarn indes auch in Zukunft allemal aufeinander.
Die Raumordnung hat der neuen Stadt Bonn einen rasanten Aufschwung beschert: Rheinauenpark, Ausbau des Parlaments- und Regierungsviertels, Verbesserung der Verkehrs- und Wohnungs-Infrastruktur sowie des kulturellen Angebots - all das, inklusive neuem Stadthaus, wäre ohne "August '69" wohl nicht - oder zumindest nicht so schnell - umgesetzt worden.
Und der Bund sowie das Land NRW hätten Anfang der siebziger Jahre sicherlich nicht mehr als eine Milliarde Euro (2,2 Milliarden Mark) per "Bonn-Vertrag" zur Verfügung gestellt, wenn der Partner das "kleine Bonn" gewesen wäre. So sagte bereits 1979 der damalige Oberstadtdirektor Karl-Heinz van Kaldenkerken: "Ich bezweifle, dass diese Leistungen von den früheren selbstständigen Städten und Gemeinden hätten erbracht werden können."
Heute ist Bonn zu einer Einheit zusammengewachsen; eine prosperierende Stadt, die in allen bundesweiten Städterankings stets die vordersten Plätze belegt. Dieser Erfolg ist untrennbar mit dem 1. August 1969 verbunden. Was OB Bärbel Dieckmann auch unterstreicht: "Heute lässt sich sagen, die kommunale Neuordnung war richtig, alternativlos und für die Gesamtstadt und für die Bonn-Region ein Segen."