Prozess am Bonner Landgericht 57-Jährige kaufte Spülmaschine auf Namen verstorbener Nachbarin

Bonn/Nümbrecht · Weil sie eine Spülmaschine auf den Namen der verstorbenen Nachbarin bestellte, stand eine 57-Jährige vor Gericht. Bei der Neuverhandlung kamen nun erstmals die gesamten Lebensumstände der Angeklagten ans Licht.

 Die Angelagte vor dem Bonner Landgericht bestellte eine Spülmaschine auf den Namen einer verstorbenen Nachbarin. (Symbolfoto)

Die Angelagte vor dem Bonner Landgericht bestellte eine Spülmaschine auf den Namen einer verstorbenen Nachbarin. (Symbolfoto)

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Zur ihrer Berufung in diesem Sommer war die 57-Jährige ohne Anwalt erschienen und am Ende des Tages wurde die Bewährung widerrufen. Für ein halbes Jahr sollte eine kranke und weitgehend mittellose Frau nun wegen Online-Betrug ins Gefängnis. Sie hatte sich auf den Namen ihrer im Frühjahr verstorbenen Nachbarin eine Geschirrspülmaschine bestellt und das Gerät nicht bezahlt.

Nachdem sich dann aber doch noch ein Anwalt der Sache angenommen hatte, ging die Entscheidung des Bonner Landgerichts in die Revision und das Oberlandesgericht kassierte schließlich das zweitinstanzliche Urteil mit der Begründung, dass der Angeklagten auf alle Fälle ein juristischer Beistand zugestanden hätte. Bei der Neuverhandlung vor einer anderen Landgerichts-Kammer hat nun sogar die Vertreterin der Staatsanwaltschaft für eine Bewährungsstrafe plädiert.

Ein weißes Blatt ist die Frau für die Justiz allerdings nicht. Seit dem Jahr 2008 wurde sie bereits mehrfach wegen ähnlicher Delikte verurteilt und stand zum Zeitpunkt der ersten Verurteilung in der nun verhandelten Sache auch noch unter einer laufenden Bewährung. Bei näherer Betrachtung relativiert sich die kriminelle Vorgeschichte der 57-jährigen gelernten Altenpflegerin allerdings etwas. Vor nunmehr 14 Jahren, im Jahr 2008, trafen gleich zwei schwere Schicksalsschläge die Frau.

Zeitlich parallel zur Trennung von ihrem Mann bekam sie eine Krebsdiagnose. Nach erfolgreicher Chemotherapie konnte sie allerdings nicht mehr in ihrem erlernten Job arbeiten und musste ihren Lebensunterhalt von einer geringen Erwerbsminderungsrente bestreiten. Für die kleine Wohnung in einem heruntergekommenen Fachwerkhaus in einem Ortsteil von Nümbrecht ging der größte Teil des Geldes drauf. Mittlerweile litt die Frau auch unter schweren Depressionen.

Dann kam die 57-Jährige auf eine spezielle Idee: Sie fing an, online auf den Namen anderer Personen zu bestellen. Bei der bestellten Ware handelte es sich durchweg um geringwertige Gebrauchsgegenstände oder Kleidung, die sie für sich selbst verwandte. Den Anfang machte sie mit einer Bestellung auf den Namen ihres Ex-Mannes; viel Mühe, die illegalen Bestellungen zu verschleiern, gab sie sich nie. Weil im Rahmen einer vorausgegangenen Verurteilung eine Geldauflage verhängt worden war, deren Raten sie nicht abstottern konnte, schaffte sie es nach eigenem Bekunden auch nicht, aus der Spirale der kriminellen Bestellungen wieder herauszukommen.

Im aktuellen Fall orderte sie den Markengeschirrspüler auf den Namen einer älteren Dame, die sie bis zu deren Tod, ein halbes Jahr vor der Bestellung, in einem Nachbarhaus gepflegt hatte. Weil der Lieferant kein Geld sah, stellte er Nachforschungen an und kam so über die Tochter der Verstorbenen schnell an die wahre Bestellerin heran. Bei einer Durchsuchung fanden die Ermittler dann auch sofort das Gerät, das die 57-Jährige in ihre Küche eingebaut hatte. In der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Waldbröl war die Staatsanwaltschaft noch in Berufung gegangen, weil sie angesichts der Vorstrafen eine erneute Bewährungsstrafe als zu milde ansah. Eine Einschätzung, die der Bonner Berufungsrichter dann teilte. Weil die Angeklagte sich aber keinen Anwalt leisten konnte und es ihr offenbar nicht klar war, dass ihr ein Pflichtverteidiger zustand, hob das Oberlandesgericht die Entscheidung der Berufungskammer wieder auf.

Im Rahmen der Neuverhandlung kamen nun erstmals die gesamten Lebensumstände der Angeklagten aufs Tapet. Nicht zuletzt, weil die 57-Jährige zwischenzeitlich dank der Leihgabe einer Freundin auch ihre Schulden bei dem Lieferanten der Spülmaschine samt Inkasso-Gebühren beglichen hat, nahm die Vertreterin der Staatsanwaltschaft am Ende der aktuellen Verhandlung schließlich ihren Berufungsantrag zurück. Damit ist die erstinstanzlich ausgesprochene Bewährung rechtskräftig.

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