Jobwärts-Projekt in Bonn und der Region 72 Prozent der teilnehmenden Mitarbeiter können sich Umstieg auf Rad oder ÖPNV vorstellen

Bonn · Wie schaffen es Arbeitgeber, bei ihren Beschäftigten für nachhaltigere Verkehrsmittel zu werben? Dabei unterstützt das Projekt Jobwärts mit Beratung und Testwochen mittlerweile 38 Arbeitgeber in Bonn und Rhein-Sieg-Kreis. Eine Zwischenbilanz.

Ein Fahrradfahrer fährt an einem Stau in der Bonner Innenstadt vorbei Richtung Rhein.

Ein Fahrradfahrer fährt an einem Stau in der Bonner Innenstadt vorbei Richtung Rhein.

Foto: Meike Böschemeyer

Von 4000 Mitarbeitern örtlicher Arbeitgeber, die bei Testwochen Fahrräder, E-Bikes oder öffentlichen Nahverkehr ausprobiert haben, können sich 72 Prozent einen dauerhaften Umstieg vorstellen. Diese positive Zwischenbilanz zogen Teilnehmer und Organisatoren des Jobwärts-Programms der Stadt Bonn und des Rhein-Sieg-Kreises bei einer Veranstaltung bei der Telekom am Montagnachmittag nach zweieinhalb Jahren.

André Bruns von der Hochschule Rhein Main wertete die Wirkung des Projekts aus. Ihm zufolge ergab eine Befragung von 15 an dem Projekt beteiligten Arbeitgebern, dass dort 1700 Mitarbeiter auf nachhaltigere Alternativen umgestiegen seien. Großes Potenzial sieht Bruns beim Thema Homeoffice, für das die Mitarbeiter schließlich gar keine Verkehrsmittel nutzen müssen.

Anlass für das Jobwärts-Projekt war im Jahr 2019 die drohende Großbaustelle des sogenannten Tausendfüßlers aufgrund des Ausbaus der A565. Ziel war es, lokalen Arbeitgebern zu zeigen, wie ihre Belegschaft derzeit zur Arbeit kommt und wie sie Auto-Pendler vom Umstieg auf Rad, Bus oder Bahn überzeugen können.

38 Betriebe mit insgesamt 70.000 Mitarbeitern nehmen nach Angaben der Stadt Bonn am Programm teil, darunter zum Beispiel Telekom, Uniklinik, mehrere Kommunalverwaltungen und das IT-Unternehmen Bechtle. Die Arbeitgeber zahlen jährlich zehn Euro pro Mitarbeiter für die Teilnahme an die Stadt Bonn, maximal 5000 Euro.

Das Jobwärts-Team aus vier städtischen Angestellten wird von dem Niederländer Rob Schaap unterstützt, der für Maastricht ein ähnliches Projekt aufgebaut hat. Sie erstellen für die Arbeitgeber neben einer Mobilitätsanalyse auch einen Plan zu passenden Angeboten für Mitarbeiter, zum Beispiel Fahrradleasing, Jobticket oder Carsharing.

Jährliche Testwochen für Mitarbeiter

Außerdem gibt es jährlich Testwochen, bei denen Fahrräder, E-Bikes oder ÖPNV-Tickets an die Mitarbeiter ausgegeben werden. Für die Testwochen im Juli und August stellt der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) 2000 Neun-Euro-Tickets kostenfrei zur Verfügung, die jeweils einen Monat lang gelten.

Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner und Sebastian Schuster, Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, überreichten 13 Arbeitgebern ein Plakat mit individuellen Nachhaltigkeitszielen für die Mobilität im jeweiligen Betrieb. Für den Maschinenbauer Kautex mit Sitz in Holzlar ist die Erweiterung nachhaltiger Angebote wichtig, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. „Wir haben Fachkräftemangel“, sagte Heidi Geisler von Kautex. „Mit solchen Themen können wir punkten.“

Bei der Alexander von Humboldt-Stiftung fahren bereits zwei Drittel der Belegschaft mit nachhaltigen Verkehrsmitteln wie dem Fahrrad oder ÖPNV zur Arbeit, sagte Adrian Grosswendt. Viele Mitarbeiter kämen aus Bonn und Köln. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat die Stiftung als fahrradfreundlichen Arbeitgeber zertifiziert. Kriterien sind zum Beispiel Radabstellplätze oder Duschen für Mitarbeiter.

Manchmal scheitert Umstieg an Logistik

Für das IT-Unternehmen Bechtle, das auch in Pennenfeld sitzt, ist die Umstellung schwieriger, berichtete Oliver Neft, der sich um die Dienstwagen-Flotte kümmert: „Wir arbeiten vertriebslastig.“ Und: „Viele wohnen weit weg.“ Außerdem brauche es eine bessere ÖPNV-Taktung und finanzielle Anreize. Eine Kollegin bräuchte vom Venusberg eine Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Pennenfeld. Von den 250 Dienstwagen im Fuhrpark sollen laut Neft immer mehr auf E-Mobilität umgestellt werden.

„Die jährlichen Jobwärts-Testwochen kommen sehr gut bei unseren Mitarbeitern*innen an und bewegen viele zum Umstieg auf das Zweirad oder den ÖPNV“, sagte Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor der Uniklinik Bonn. Er sieht das Projekt auch als wichtige Möglichkeit, sich mit anderen Unternehmen zu vernetzen.

Die Telekom biete ihren Mitarbeitern viele Alternativen zum eigenen Auto an, sagte Pressesprecher Husam Azrak: zum Beispiel Shuttle-Busse sowie Car- und Bike-Sharing-Angebote, die die Belegschaft per App buchen kann. Warum trotzdem noch mehr als die Hälfte mit dem Auto zur Arbeit kommt, begründete Azrak unter anderem mit der Distanz. Außerdem müssten die Angebote noch stärker beworben werden.

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