Boyband-Hype in der Rheinaue So war das Festival "90er Live" in Bonn

Bonn · Beim Festival "90er Live" in der Bonner Rheinaue traten damalige Stars wie etwa Oli P und Blümchen auf - zur Begeisterung der rund 20.000 Besucher. Und so lief das Festival.

 Seit 14 Uhr findet in der Bonner Rheinaue das Festival "90er Live" statt.

Seit 14 Uhr findet in der Bonner Rheinaue das Festival "90er Live" statt.

Foto: Benjamin Westhoff

Ach ja, die 90er. Damals, als das kommerzielle und für jeden nutzbare Internet noch in seinen Kinderschuhen steckte, die Fernsehwelt von Soaps wie "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" und Musiksendern wie Viva dominiert wurde und die Pop-Musik irgendwo zwischen Boyband-Hype und Eurodance-Rhythmen einen massentauglichen Gegenentwurf zu Metal, Indie-Rock und Grunge bildete. Es ist die Zeit von Culture Beat und Caught In The Act, von Captain Jack und Captain Hollywood, von Oli P und Blümchen – Künstler, die eine ganze Generation geprägt haben und die am Samstag in der Bonner Rheinaue bei dem Festival "Die 90er Live" eine Zeitreise der besonderen Art initialisiert haben. Vom frühen Nachmittag an gaben sich die Stars von damals ein Stelldichein, absolvierten Kurzauftritte und riefen bei den rund 20.000 Besuchern Erinnerungen an Kindheit und Jugend wach.

"Es ist total geil hier", sagen etwa Jenny und Ila aus Bonn, die einen Platz in der ersten Reihe gefunden haben. "Wir sind schon mit 13 oder 14 Jahren zu den ersten Konzerten von East 17 oder Blümchen gegangen und sind den Künstlern bis heute treu geblieben." Schon im vergangen Jahr waren die beiden Freundinnen in den Rheinauen, um zu feiern und um einfach eine schöne Zeit zu haben. Ein Wunsch, den sie mit vielen der Anwesenden teilen. Auch Carola Brenig genießt den Konzertmarathon: "Ich bin halt ein Kind der 90er und finde es klasse, das ich all die Lieder von früher jetzt noch einmal live erleben kann", sagt sie. "Das schöne an diesem Festival ist ja, dass so viele Künstler zusammenkommen, für die man sonst einzeln Karten kaufen müsste."

Keine allzu tiefen Spuren in der Musikgeschichte hinterlassen

Ob das viele allerdings auch viele machen würden? Immerhin haben die meisten der auftretenden Musiker keine allzu tiefen Spuren in der Musikgeschichte hinterlassen, haben nur einen oder zwei wirkliche Hits gelandet. Nicht ohne Grund stimmt etwa
Culture Beat – inzwischen in völlig neuer Besetzung – während des gerade einmal halbstündigen Auftritts gleich zweimal "Mr. Vain" an, um das Publikum zufriedenzustellen. Etwas anderes wollen die Besucher nun einmal nicht hören. Also schallt der Proto-Techno aus den Boxen, hämmern die Retorten-Bässe eine akustische Breitseite nach der anderen in Richtung Menge und sprühen die Feuerfontainen auf der Bühne, während die ausgelassen zusammen mit Frontfrau Jacky Sangster die Texte herausschreit.

Für die Bands ist die Festival-Produktion "Die 90er Live", die immerhin durch 15 deutsche Städte tourt, bei aller Fließbandarbeit letztlich die einzige Möglichkeit, noch präsent sein zu können. Neue Songs sind unerwünscht, Nostalgie ist angesagt. Und die wird denn auch pflichtschuldig bedient. "Als diese Hits in den Charts waren, waren viele von euch noch Kinder, andere schon etwas größer, und bei einigen haben sich die Eltern bei dieser Musik in der Disco kennengelernt", sagt Michelle Stanley, die an der Seite des neuen Captain Jack alias Bruce Lacy am Mikro steht. Recht hat sie, bestätigt Sabine Schmitten, die mit ihrer Tochter Jessica in die Rheinauen gekommen ist. "Für sie sind das Kindheitserinnerungen, aber ich habe die Zeit damals auch sehr genossen", sagt sie, sich im Gespräch immer wieder abwendend, um einer Aufforderung von Moderator Mola Adebisi nachzukommen.

So war das Festival "90er Live" in Bonn
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Pausen werden überbrückt

Der ehemalige Viva-Mann überbrückt die kurzen Pausen zwischen den einzelnen Acts mit kleinen Spielchen, wirft allerlei Gimmicks wie Kamelle ins Publikum oder lässt die Kiss Cam über selbiges schweifen. Albern, vielleicht, aber dennoch kommt das an. Auch bei Robin Olliver, der extra aus der Nähe von Bielefeld nach Bonn gekommen ist, um einen 18. Geburtstag zu feiern. "Das war halt Trend, als ich geboren wurde, und irgendwie ist es schon ziemlich cool, jetzt diese Stücke zu hören", sagt er. Zumindest teilweise wirkt die Musik von damals also noch nach. Und während sich der Nachmittag zum Abend wandelt und das Publikum den Auftritten von Oli P und Blümchen entgegenfiebert, die als Höhepunkte des 90er-Festivals gehandelt werden, verspricht Adebisi schon eine Rückkehr im kommenden Jahr, mit vielen altbekannten und einigen neuen Gästen. Nostalgie zieht eben immer.

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