Oberlandesgericht Köln Ab wann ist ein ungeborenes Kind erbberechtigt?

Bonn · Ein höchst ungewöhnlicher Erbschaftsstreit beschäftigte nun die Gerichte, und die zentrale Frage lautete: Ab wann ist ein ungeborenes Kind erbberechtigt? Denn nach dem Gesetz gilt der Mensch nicht erst bei der Geburt als Mensch mit Rechten, sondern bereits bei der Zeugung.

Oberlandesgericht Köln: Ab wann ist ein ungeborenes Kind erbberechtigt?
Foto: dpa (Symbolbild)

Doch die gilt erst als vollzogen, wenn sich das befruchtete Ei in der Gebärmutter eingenistet hat und die sogenannte Nidation eingetreten ist. Und weil es in diesem Fall auf den Tag ankam, erhält ein heute fünfjähriges Mädchen nichts vom Erbe seiner Großmutter.

Denn das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschied im Gegensatz zum Amtsgericht Bonn: Es kann nicht positiv festgestellt werden, dass sich das befruchtete Ei, aus dem das Kind schließlich hervorging, vor dem Tod der Großmutter in der Gebärmutter der Mutter eingenistet hat. Damit war das Mädchen damals auch noch kein erbberechtigter Mensch, und damit kein sogenannter Nasciturus. Das teilte OLG-Sprecher Ingo Werner auf Anfrage mit. Doch wie kam es überhaupt zu diesem bizarren Streit?

Alles fing damit an, dass in der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember 2010 eine Bonnerin starb und als Erben ihren Ehemann, einen Sohn und eine Tochter hinterließ. Dem Ehemann stand die eine Hälfte des Barvermögens von 200 000 Euro zu, den beiden Kindern die andere Hälfte jeweils zur Hälfte und damit pro Kopf 50 000 Euro. Doch die verschuldete Tochter schlug das Erbe aus, und damit wäre die Erbschaft eigentlich geklärt gewesen.

Doch just um den Zeitpunkt des Todes der Mutter herum wurde die Tochter schwanger und bekam am 21. September 2011 selbst eine Tochter. Und drei Jahre später, am 8. Oktober 2014, stellte das Mädchen vertreten durch die Mutter beim Amtsgericht Bonn den Antrag, den bereits erteilten Erbschein einzuziehen, da er sie als Ersatzerbin benachteilige. Denn sie sei beim Tod der Großmutter schon ein erbberechtigter Nasciturus gewesen, da sie eine Woche zuvor gezeugt worden sei.

Das aber akzeptierte ihr Onkel nicht. Der 43-Jährige trat dem Antrag seiner Nichte entgegen, und sein Anwalt Ludwig Klassen wies darauf hin: „Es kommt auf den genauen Zeitpunkt der Einnistung des befruchteten Eis in der Gebärmutter an.“ Und der, davon war der 43-jährige Onkel des Kindes überzeugt, fand später statt als seine Schwester behauptete. Er bezweifelte, dass die Zeugung seiner Nichte bereits vor dem Tod seiner Mutter mit der Einnistung des befruchteten Eis vollendet war. Was nun folgte, war ein Streit, in dem es auf wenige Tage ankam. Die Mutter des Kindes gab über den Zeitpunkt der Zeugung eine eidesstattliche Versicherung ab, ihre Frauenärztin bestätigte das, und das Amtsgericht erkannte das Kind als erbberechtigt an und zog den alten Erbschein ein.

Doch der 43-Jährige gab nicht auf, zog vor das OLG, und hier kam der Gutachter anhand der damaligen Ultraschallaufnahmen zu einem anderen Ergebnis: Es sei wahrscheinlicher, dass die Befruchtung am 17. Dezember und die alles entscheidende Einnistung am 22. Dezember erfolgt sei – plus, minus drei Tage. Das aber war nach dem Tod der Großmutter. Und damit geht die Enkelin leer aus.

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