US-Austauschschülerinnen in Bonn Abenteuer Deutschland

Bonn · Drei junge Amerikanerinnen gehören zu den Ersten, die nach Corona wieder ins Ausland dürfen. In Bonn lernen sie erstmal Deutsch und wollen in den nächsten Monaten im Land noch viel erleben. Ihr Abenteuer hat erst begonnen.

 Lieben Deutschland: (v.l.) Julia Green, Nina Krishna und Kenya Lezama-Martinez.

Lieben Deutschland: (v.l.) Julia Green, Nina Krishna und Kenya Lezama-Martinez.

Foto: Benjamin Westhoff

Es lebe das Klischee: Sie lieben Bratwurst, Wiener Schnitzel, Gulasch und Sauerkraut. Und einmal Schloss Neuschwanstein sehen: Das muss sein. Julia Green, Nina Krishna und Kenya Lezama-Martinez sind mit die ersten jungen Amerikaner, die nach den Coronalockerungen über das Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP) Deutschland besuchen. Die 18-Jährigen wissen um die Stereotypen, doch es sind noch viele Dinge mehr, die sie hier schätzen (gelernt haben).

Nun gehen die zwei Monate ihres Deutschkurses an der Bonner Akademie für Internationale Bildung (AIB) zu Ende. Ihr persönliches Abenteuer Deutschland beginnt jetzt aber erst so richtig. Die nächsten Stationen treibt die drei, in Bonn zu Freundinnen geworden, zumindest örtlich auseinander. Denn sie werden bis zum kommenden Sommer auf Gymnasien gehen: Kenya in Dortmund, Nina in Frankfurt und Julia in Strehla zwischen Dresden und Leipzig.

Kenya stammt aus Idaho Falls im Staate Idaho im Westen der USA. Bei ihr war es Paula aus Deutschland, die daheim das Interesse weckte. „Wir wurden gute Freunde“, sagt sie. Eine Lehrerin gab den letzten Anstoß, dass Kenya nun hier ist. „Ich freue mich schon aufs Skifahren und Wandern.“

Julias Vater sagte immer auf Deutsch „Schlag zu, wenn das Eisen heiß ist“, was eher die wörtliche Übersetzung von „Strike while the iron is hot“ ist, aber dem hiesigen „Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist“ schon recht nahekommt. Der Spruch – „den fand ich echt cool“ – reichte aber, bei der jungen Amerikanerin das Interesse an Deutschland zu wecken, zumal „auch deutsches Blut in mir fließt“. Julia, die in Yorkville (Illinois) bei Chicago zu Hause ist, durchwühlte das Internet, schaute sich deutsche Clips auf Youtube an und brachte sich mit der App Duolingo zwei Jahre lang die Sprache selbst bei.

25 High-School-Absolventen haben den AIB-Kurs belegt. Auch Nina aus Richmond in Virginia an der Ostküste. Ihr Vater hat selbst in Deutschland gearbeitet, so kam sie schon 2018 das erste Mal über das Goethe-Institut nach Edenkoben an der Südlichen Weinstraße. „Ich habe es geliebt“, sagt die junge Frau. Ein Jahr später flog sie nach Köln, und dann kam Corona. Deutschland konnte sie erst mal vergessen.

Amerika: Land der Weite. Dort wohnen Nina und Julia 1350 Kilometer voneinander entfernt. Von Nina bis zu Kenya sind es sogar 5180 Kilometer. Ohne Auto sind die meisten dort aufgeschmissen. „Die Deutschen denken, dass zwei Stunden Fahrt viel ist. Das ist aber gar nichts“, sagt Kenya und winkt ab. Eine Frage der Sichtweise. Zu Fuß zum Supermarkt? Fast unmöglich. Begeistert erinnert sie sich an einen Besuch in München: „Mich faszinierte, dass die Leute wandern, Rad fahren und picknicken. Diese Einfachheit.“ In einem Atemzug lobt sie den „exzellenten Nahverkehr“, an dem mancher Bonner eher etwas auszusetzen hat.

 Kaffeezeit: Julia (l.) und Kenya schmecken die deutschen Teilchen.

Kaffeezeit: Julia (l.) und Kenya schmecken die deutschen Teilchen.

Foto: Benjamin Westhoff

Es mag der Begeisterung der jungen Frauen geschuldet zu sein, dass die Deutschen so gut wegkommen. Doch vielleicht muss man manchmal auch gar nicht zu selbstkritisch sein. „Da gibt’s ein Problem? Lasst uns eine Lösung finden“, beschreibt Nina die von ihr geschätzte Mentalität hier. Die Politik hier sei so viel interessanter, die Debatten professioneller. Auf Demos gehen? Kein Problem. Nina wollte es gar nicht glauben, als ihre Gastmutter sagte, dass es da meistens ganz friedlich zugehe. Proteste wie in Washington „sind nicht sicher“, versichert Nina. „Meine Eltern würden mir nicht erlauben, dorthin zu gehen. Die hätten Angst.“ So sind die drei froh, dass sie in Bonn die Bundestagswahl miterleben durften.

Vor allem in Bonn, das nicht zu groß und zu klein ist, „wo was passiert“, findet Nina. Dazu kommen noch die historische Bedeutung als ehemalige Hauptstadt und Beethoven. Kenya findet es hier sehr international, „man hört so viele Sprachen“. Die hätten fast alle dann auch noch ein Pendant als Restaurant oder Imbiss – das schmeckt den Amerikanerinnen, die später vielleicht auch in Germany studieren wollen. Trotzdem wundern sie sich, wenn die Leute dann ihre Pizza oder einen Burger mit Messer und Gabel essen. Doch letztlich sei es toll, dass die Deutschen so häufig als Familie gemeinsam am Tisch sitzen, der Sonntag ihnen heilig sei – ein Tag zum Relaxen.

Gut sei es auch, dass hier der Umweltschutz zähle, recycelt werde und man schon mit 16 die ersten alkoholischen Getränke trinken dürfe, Spirituosen dann mit 18. „Die Jugendlichen lernen so ihre Limits kennen“, ist Kenya überzeugt. Das habe auch Auswirkungen darauf, erst dann den Führerschein zu machen. Es gebe in Deutschland weniger Unfälle. In den USA ist die Reihenfolge umgekehrt, erst Autofahren, Alkohol ab 21. Viele trinken laut der drei jungen Frauen „dann heimlich und zudem maßlos“.

Nach längerem Nachdenken fallen Julia, Nina und Kenya doch noch ein paar negative Sachen ein. Sie vermissen in Deutschland ein wenig den Kundenservice. „Die Deutschen machen ihren Job, nicht mehr“, findet Kenya. Außerdem seien öffentliche Toiletten in den USA immer umsonst. Beim nächsten Biss ins süße Puddingteilchen ist das aber alles schon vergessen. Es muss nicht immer Bratwurst sein.

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