Doppelhaushalt im Bonner Stadtrat Abstimmung über Millionen erst um Mitternacht

Bonn · Über den Doppelhaushalt 2017/18 und den Vergleichsvorschlag des Landgerichts im WCCB-Bürgschaftsstreit diskutieren Bonns Kommunalpolitiker bis zum frühen Freitagmorgen.

Bis zum frühen Freitagmorgen hat der Rat in seiner letzten Sitzung für dieses Jahr getagt. Viele Stadtverordneten beklagten anschließend, dass sie für die Stadt Bonn so wichtige Beschlüsse wie die Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2017/18 und den 70 Millionen Euro teuren Vergleich im Streit mit der Sparkasse Köln-Bonn um die WCCB-Bürgschaft erst kurz vor beziehungsweise sogar weit nach Mitternacht fassen konnten.

Andere Beschlüsse, wie der Millionenvertrag zur Vergabe der Werberechte auf städtischem Grund seien gar im „Schweinsgalopp“ durchgezogen worden, klagt Ratsherr Johannes Schott vom Bürger Bund Bonn (BBB) in einem Brief an Oberbürgermeister Ashok Sridharan, der die Sitzung bereits gegen 22 Uhr wegen einer Dienstreise nach Rom verlassen hatte, wo die Päpstliche Akademie für Freitag und Samstag zu einem Flüchtlingsgipfel mit 70 Bürgermeistern eingeladen hat. Teil des Programms ist eine Audienz bei Papst Franziskus. Bei der Tagung werden Lösungen in der Flüchtlingskrise gesucht

Als im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung gegen 1.15 Uhr über den WCCB-Vergleich abgestimmt wurde, seien die Reihen im Saal bereits deutlich gelichtet gewesen, berichtet Schott. Zahlreiche Fragen an die externen Rechtsberater der Stadt zum Vergleich hätten nicht zufriedenstellend beantwortet werden können, so dass einige Stadtverordnete um Vertagung gebeten hätten. Vergeblich. Schließlich hatte der überwiegende Teil der Ratsmitglieder im Vorfeld bereits deutlich gemacht, dass man der Empfehlung des OB folgen und dem Vergleich zustimmen werde.

„Allerdings nur mit geballten Fäusten in der Tasche“, sagte Georg Fenninger (CDU) in der Sitzung. Wie viele andere Ratskollegen aller Fraktionen machte er kein Hehl aus seiner Verärgerung über die externen Gutachter der Stadt, die ursprünglich große Chancen gesehen hatten, im Bürgschaftsstreit mit der Sparkasse zu obsiegen.

Ihrer Auffassung nach handelte es sich bei der bürgschaftsähnlichen Nebenabrede um eine nach EU-Recht unrechtmäßige Beihilfe. In dem Fall hätte die Stadt nicht zahlen müssen. Jetzt soll sie aufgrund des Vergleichsvorschlags des Landgerichts 85 Prozent der ausstehenden WCCB-Kreditsumme übernehmen.

Hintergrund

Das Gericht hatte die EU-Kommission um Prüfung der Sache gebeten. Deren juristischer Dienst urteilte, es handele sich nicht um eine Beihilfe, was die externen Anwälte der Stadt wiederum veranlasste, jetzt doch die Zustimmung zum Vergleich zu empfehlen. Für ihre Beraterleistung in Sachen Bürgschaft haben die Rechtsberater der Verwaltung zufolge übrigens bisher rund 300.000 Euro erhalten.

„Schießen Sie die 70 Millionen nicht in den Wind. Die EU geht doch politisch und nicht sachlich vor“, meinte Wilfried Bachem von der Fraktion Allianz für Bonn (AfB). Bei seinem eindringlichen Appell, die Stadt solle „nicht vor dem Landgericht in die Knie gehen“, sondern den Gang durch alle Instanzen wagen, nickten zwar viele Stadtverordnete mit den Köpfen, doch seinem Vorschlag gefolgt wäre lediglich der BBB.

Inzwischen acht Fraktionen im Rat

Reine Formsache war zuvor die Verabschiedung des Haushalts. Dem Beschluss voraus gingen traditionell die Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden. Bei inzwischen acht Fraktionen im Rat kostete das viel Zeit. Während die Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP sich recht zufrieden mit dem Ergebnis der Haushaltsberatungen zeigte, gab es von der Opposition viel Kritik und Schelte.

Klaus-Peter Gilles (CDU) sprach von einem „verantwortungsvollen“ Haushalt, der den bisherigen Konsolidierungskurs fortsetze, „ohne dass in Bonn die Lichter ausgehen. Im Gegenteil: Wir haben in fast allen Bereichen einen hohen Standard beibehalten.“ Die Stadt sei zudem trotz der finanziellen Belastungen durch die Flüchtlinge weiterhin handlungsfähig.

Für Peter Finger (Grüne) ist unter anderem wichtig, dass das Fahrradverleihsystem kommt. Auch erinnerte er daran, dass die Stadt zusätzliche Stellen in der Bauverwaltung einrichten darf, um die Ausweisung von Bauland und damit den Wohnungsbau zu forcieren. FDP-Chef Werner Hümmrich ist froh darüber, dass der Doppelhaushalt ohne Steuererhöhungen auskommt.

Bärbel Richter (SPD) beklagte dagegen, dass die Koalition „auf Teufel komm raus“ sparen wolle und somit dringende Investitionen verhindere. Wichtige soziale Angebote wie die Suchtprävention würden drastisch beschnitten. Michael Faber (Linke) erinnerte daran, dass die Ratsmehrheit das Ziel des Haushaltsausgleichs bisher nahezu jährlich nach hinten verschoben habe. Ohne Unterstützung durch Bund und Land sei der Ausgleich aber nicht zu schaffen, ist er überzeugt.

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