Schüler sitzen in Krisengebiet fest „Die Kinder sehen in Afghanistan furchtbare Dinge“

Bonn · Weil mehrere Bonner Kinder und Jugendliche nicht aus Kabul ausreisen können, wenden sich weitere Schulen an Politik und Öffentlichkeit. Auch ein Schüler der Elsa-Brandström-Grundschule sitzt noch dort fest. CDU-Politiker Röttgen sichert Unterstützung zu.

 Journalisten fotografieren ein durch Raketen beschädigtes Fahrzeug. In Kabul hat es einem Medienbericht zufolge am Montag einen Raketenangriff gegeben.

Journalisten fotografieren ein durch Raketen beschädigtes Fahrzeug. In Kabul hat es einem Medienbericht zufolge am Montag einen Raketenangriff gegeben.

Foto: dpa/Khwaja Tawfiq Sediqi

Während Politik und Behörden nach Möglichkeiten für weitere Evakuierungen von deutschen Staatsbürgern und Ortskräften aus der afghanischen Hauptstadt Kabul suchen, warten in Bonn weiterhin Familien mit afghanischen Wurzeln auf die Rückkehr von Angehörigen – und mit ihnen auch Schulleiter und Lehrkräfte von Kindern, die noch in Kabul festsitzen.

Nachdem bereits die Carl-Schurz-Grundschule in einem dramatischen Appell auf die Situation von drei dort festsitzenden Schülerinnen und Schülern aufmerksam gemacht hat, bestätigt auch der Leiter des Tannenbusch-Gymnasiums (Tabu) den Fall einer Schülerin, die bisher nicht aus der afghanischen Hauptstadt entkommen konnte. Nach GA-Information hofft auch mindestens ein Schüler der Elsa-Brandström-Grundschule vor Ort auf die Ausreise.

Klassenlehrerin im direkten Austausch per Telefon

„Wir warten auf ein Mädchen, das bei uns jetzt die sechste Klasse besuchen sollte“, sagt Tabu-Direktor Eike Schulz. Über die Klassenlehrerin gebe es einen direkten Austausch per Telefon. Das Kind habe zuletzt unter anderem nachgefragt, ob man ihm auf irgendeinem Weg Unterrichtsmaterial zuschicken könne.

„Die Situation muss furchtbar sein. Von der Familie des Mädchens wissen wir, dass sie und andere Kinder schlimmste Gewalt und Waffeneinsätze mitbekommen haben müssen“, sagt Schulz. So sei sie mit ihren Verwandten in der Nähe gewesen, als vor einigen Tagen bei einem verheerenden Anschlag am Flughafen Kabul mehr als 80 Menschen ums Leben gekommen sind.

Da es Bindungen zu den von der Carl-Schurz-Schule begleiteten Familien gibt, steht Schulz mit deren Leiterin Claudia Kröse in Kontakt. „Die Kinder haben furchtbare Dinge gesehen. Wir machen uns jetzt schon Gedanken darüber, wie wir sie in unserem Kreis hier in Tannenbusch auffangen können, wenn sie zurück sind“, sagt der Leiter des Gymnasiums.

Auch Kinder in Bonn sind Belastungen ausgesetzt

Schulz verweist auf den Umstand, dass die in Bonn ansässigen Kinder und Jugendlichen mit afghanischen Wurzeln durch die dramatische Situation ebenfalls starken Belastungen ausgesetzt seien: „Viele kennen Kinder und Erwachsene, die noch dort sind. Sie stehen unter Stress, weil es um Leben und Tod geht. Nicht alle können das überhaupt einordnen.“

 Schulleiter Eike Schulz hofft mit Angehörigen, Kollegium und Mitschülern auf die schnelle Rückkehr einer Sechstklässlerin aus Kabul.

Schulleiter Eike Schulz hofft mit Angehörigen, Kollegium und Mitschülern auf die schnelle Rückkehr einer Sechstklässlerin aus Kabul.

Foto: Benjamin Westhoff

Der Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen (CDU) erklärte am Montag auf GA-Anfrage, er stehe seit Beginn der Evakuierung im engen Kontakt mit der Carl-Schurz-Schule, dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium. Bei den staatlichen Stellen habe er wiederholt und mit Nachdruck auf die Situation der Kinder und ihrer Familien hingewiesen. Die Leitung der Carl-Schurz-Schule hatte sich in den vergangenen Tagen an zahlreiche politische Vertreter sowie an das Auswärtige Amt gewandt.

Inzwischen habe sich auch die Elsa-Brandström-Schule bei ihm gemeldet, sagte Röttgen. „Was fehlt und kommen muss, ist, dass das Auswärtige Amt und die anderen Ministerien sich aktiv und direkt an die Schutzsuchenden wenden und ihnen sagen, dass sie registriert sind, nicht vergessen werden und alles getan wird, um ihnen zu helfen.“

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