Betroffene aus Bonn berichten Alleinerziehende in der Armutsfalle

Bonn · Eine Bertelsmann-Studie zeigt: Gerade Mütter sind von Armut betroffen. Sie schlagen sich oft mit Teilzeitjobs durch. Der GA hat mit einigen Betroffenen in Bonn gesprochen.

 Häufig knapp bei Kasse: Für Alleinerziehende in Deutschland ist das Armutsrisiko hoch.

Häufig knapp bei Kasse: Für Alleinerziehende in Deutschland ist das Armutsrisiko hoch.

Foto: dpa

Johanna Weber (Name geändert) und ihre sechsjährige Tochter haben ein schweres Jahr hinter sich. „Ich wollte beruflich aufstocken, damit wir beide endlich mal finanziell Ruhe haben“, berichtet die 38-jährige Krankenpflegerin. Sie ist alleinerziehend. Ihr geschiedener Mann zahle so gut wie keinen Unterhalt für das Kind. Mehr Arbeitsstunden im Beruf hätten Mutter und Tochter endlich einmal entlastet.

„Doch dann hatte Sarah Schwierigkeiten bei der Einschulung.“ Sie musste beruflich wieder zurückstecken, um der Tochter zu helfen. „Jetzt hat Sarah endlich Fuß gefasst. Aber nun gibt es an meiner Arbeitsstelle keine Chance mehr weiterzukommen. Wir haben letztlich nicht mehr Geld zur Verfügung, als wenn ich Hartz IV beziehen würde. Das ist doch entwürdigend.“

Ein Teufelskreis für die Bonner Mutter, aber nicht nur für sie. Laut der neusten Familien-Studie der Bertelsmann-Stiftung ist von den acht Millionen Familien in Deutschland mit minderjährigen Kindern mittlerweile knapp jede fünfte eine Ein-Eltern-Familie.

Es sind überwiegend die Mütter, die die 2,3 Millionen Kinder erziehen. Viele von ihnen müssen sich deshalb für Teilzeitjobs entscheiden, aus denen sie meist nicht wieder herauskommen. Sie bleiben arm trotz Arbeit: 42 Prozent der Alleinerziehenden hatten 2014 ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze. Das seien 6,6 Prozentpunkte mehr als 2005, heißt es in der Studie.

Bei Paarfamilien sei das Armutsrisiko um 11,7 Prozentpunkte gesunken. Die Armutsgrenze liegt in Deutschland bei 60 Prozent des mittleren Einkommens. Die Folge: Rund 970 000 Kinder wachsen bei Alleinerziehenden auf, die Hartz IV beziehen.

Isabell Herz (Name geändert) ist wie ihre Freundin Johanna Weber bewusst im Beruf geblieben. Die 43-jährige Mutter zweier Kinder arbeitet als Ergotherapeutin. Und da hat sie Patienten sitzen, bei denen sich herausstellt, dass sie zur selben Gefährdetengruppe gehören: alleinerziehende Mütter, berufstätig, immer knapp bei Kasse, überfordert.

„Unser Leben ist eine einzige Hetzjagd. Die Kinder, der Haushalt, der Beruf: Alles müssen wir alleine stemmen. Und irgendwann kommen bei jeder von uns Schuldgefühle." Herz spricht auch von ihren Ängsten, dass sie einmal ausfallen könnte. Sie habe sich Hilfen bei der Erziehungsberatung der Caritas und dem Jugendamt geholt. „Was wir aber brauchen, ist endlich eine gesellschaftliche Wertschätzung.“

Steuerlich anders bedacht zu werden, davon träumen die beiden Bonnerinnen. „Was könnten wir schaffen, wenn wir endlich mal nicht hinter jedem Cent herjagen müssten.“ Auch eine bessere Akzeptanz bei den Ämtern wäre für sie eine Entlastung. „Ich habe die Berechtigung für einen Bonn-Ausweis“, gibt Johanna Weber als Beispiel.

Warum müsse sie dann bei jedem weiteren kleinen Vorgang immer wieder aufs Neue ihre Einkommens- und Lebenssituation haarklein nachweisen? Und warum gebe es den Jugendamtsvorschuss für Alleinerziehende nur bis zum zwölften Lebensjahr der Kinder und insgesamt nur sechs Jahre, fragt sich Isabell Herz. „Jeder, der Kinder hat, weiß: Nach dem zwölften Lebensjahr werden sie erst richtig teuer.“

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