Sonderrolle durch ethnische Merkmale Alltagsrassismus beim Afrika-Orient-Kulturfestival thematisiert

Bonn · Der Musiker Tsepo Bollwinkel in in Deutschland aufgewachsen. In Bonn sprach der erste Solo-Oboist der Lüneburger Symphoniker sehr eindrucksvoll über Alltagsrassismus.

 Fouad El Hasnaoui (rechts) vom Bonner Verein „Vielfalt verbindet“ ist zusammen mit seiner Frau Souad Organisator des dreitägigen Afrika-Orient-Kulturfestivals.

Fouad El Hasnaoui (rechts) vom Bonner Verein „Vielfalt verbindet“ ist zusammen mit seiner Frau Souad Organisator des dreitägigen Afrika-Orient-Kulturfestivals.

Foto: Stefan Hermes

„Das Thema ist groß, die Zeit ist knapp“, begann Tsepo Bollwinkel seinen Vortrag „Alltagsrassismus, was das ist und wie er wirkt“. Etwa 100 Zuhörer hatten sich am Samstag im Kulturzelt auf dem Münsterplatz versammelt, um einer Lesung des Autors Sami Omar zum gleichen Thema zuzuhören, der jedoch kurzfristig absagen musste. Dem Veranstalter des Afrika-Orient-Kulturfestivals, Fouad El Hasnaoui vom Bonner Verein „Vielfalt verbindet“, war es kurzfristig gelungen, mit dem in Deutschland aufgewachsenen Südafrikaner Tsepo Bollwinkel, mehr als nur einen Ersatz zu organisieren.

Der erste Solo-Oboist der Lüneburger Symphoniker reist seit etwa zehn Jahren durch Deutschland, hält Vorträge in Universitäten und veröffentlicht Essays zum Thema „Critical Whiteness“. Hier macht Bollwinkel Weiße darauf aufmerksam, dass sie nicht einfach nur Menschen sind, sondern weiße Menschen. Dieses ethnische Merkmal verschaffe ihnen eine Sonderrolle. Schwarze Menschen seien seit Jahrhunderten gezwungen, Verhalten Weißer zu studieren und zu kennen, um in einer von ihnen geprägten Welt zu überleben.

Alltag eines Menschen, der anders aussieht, als die Mehrheit

„Eigentlich hatte ich abgesagt, nach Bonn zu kommen, da ich annahm, das sei hier eine Folkloreveranstaltung“, sagte Bollwinkel, den El Hasnaoui mit seinem interkulturellen Anspruch doch noch überzeugen konnte. „Mit dem Afrika-Festival versuche ich, eine Brücke zwischen den Kulturen zu bauen. Wir müssen aufhören übereinander zu reden, sondern miteinander“, sagte sich El Hasnaoui. Mit dem folkloristischen Teil des Festivals, der mit Basar und afrikanischen Spezialitäten erneut Tausende Besucher anlockte, wollte er ganz bewusst „die Massen anlocken, unter denen sich dann auch einige mit den wichtigen Vorträgen, Lesungen und Diskussionen beschäftigen. Nur so kommen wir miteinander ins Gespräch.“

Auch Tsepo Bollwinkel hinterließ nach seinem Vortrag nachdenkliche Zuhörer. Er konnte mit vielen Beispielen aus seinem persönlichen Erleben deutlich machen, was es bedeutet, wenn das Denken in „wir“ und „die Anderen“ getrennt wird. Schon die Frage, „Woher kommst du?“, die schwarze Menschen tagtäglich hören – beim Brötchenholen, bevor die Zahnärztin in den Mund sieht oder als Antwort auf die Bitte um Feuer für eine Zigarette – wird vielleicht von den Zuhörern im Kulturzelt nicht mehr so unüberlegt gestellt. Für Bollwinkel bedeutet sie: „Du siehst anders aus, also bist du nicht von hier und gehörst auch nicht dazu.“ Schwer zu ertragen, wenn man in Deutschland geboren wurde.

El Hasnaoui ist stolz darauf, das Festival schon zum vierten Mal auf die Beine gestellt zu haben. Mit nur einem Sponsor, der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW, die Miete und Aufbau des Kulturzelts auf dem Münsterplatz übernommen haben, ist es ihm und seiner Frau Souad mit ihrem Vielfalt-Verein gelungen, ein weit über die Grenzen Bonns hinauswirkendes Festival zu organisieren.

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