Streik der Erzieher Altes Rathaus für eine Stunde Kita

BONN · Mit Trillerpfeifen, Luftballons und Picknickdecken haben am Dienstag mehr als 100 Eltern und Kinder das Alte Rathaus erstürmt. Die kurzfristig angemeldete Demonstration, die von 100 Erziehern aus den Gewerkschaften Verdi, GEW und Komba unterstützt wurde, sollte Solidarität mit den streikenden Erziehern symbolisieren.

 Protest: Über das Stadtwappen haben Eltern und Kinder das Schild "Kita Altes Rathaus" gehängt.

Protest: Über das Stadtwappen haben Eltern und Kinder das Schild "Kita Altes Rathaus" gehängt.

Foto: Nicolas Ottersbach

Eltern machten lautstark auf sich aufmerksam

"Ich kann bald nicht mehr", sagte Mutter Marija Basic, die die Aktion organisiert hatte. Die 29-Jährige steckt gerade mitten im Examen, abwechselnd mit ihrem Mann versorgt sie derzeit die zweijährige Tochter Lucija. "Er geht tagsüber arbeiten, ich muss dann nachts lernen und mich in der Bibliothek vorbereiten", erzählte Basic. Diesen Frust teilten viele Eltern und machten lautstark auf sich aufmerksam. Nachdem sie mit den Kindern vor dem Dienstzimmer des Oberbürgermeisters ein Quartier mit Decke und Spielzeug aufgeschlagen hatten, sangen sie im Morgenkreis, so wie es die Kinder aus dem Kita-Alltag gewohnt waren.

Oberbürgermeister stellt sich auf die Seite der Eltern

Über das Stadtwappen an der Außentreppe hängten sie ein buntes Pappschild mit der Aufschrift "Kita Altes Rathaus". Als dann auch noch die Gewerkschafter ankamen, trat OB Jürgen Nimptsch vor die aufgebrachte Menge. "Ich bin auf ihrer Seite. Und wenn sie einen Transfer am Donnerstag organisieren, fahre ich mit auf die Demonstration in Frankfurt", versprach der Rathauschef. Nimptsch stellte sich auch den Fragen der Eltern, was beispielsweise mit den durch den Streik eingesparten Kita-Beiträgen passiere.

[kein Linktext vorhanden]"Dazu kann ich erst etwas sagen, wenn wir die Zahlen zusammengetragen haben", erklärte er. Nimptsch wolle sich mit seinen Bürgermeisterkollegen dafür einsetzen, dass die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA) auf die Gewerkschaften zugehe und ein Angebot unterbreite, um die Streiksituation aufzulösen. Diese Aussagen kamen bei Eltern und Erziehern gut an, wurden aber auch kritisch betrachtet. "Das muss erst einmal passieren und darf keine leere Worthülse bleiben", sagte ein Vater. Wenn sich die Arbeitgeber nicht bewegten, müssten eben die Kommunen handeln.

"Kinderbetreuung adé - dank Beethovenhalle und WCCB?!"

"Die Frage ist, ob die Prioritäten richtig gesetzt werden", so Marija Basic. Deshalb lautete das Motto der Rathaus-Demo "Kinderbetreuung adé - dank Beethovenhalle und WCCB?!". Erzieher bekommen laut Tarif aktuell ein Einstiegsgehalt von etwa 2370 Euro brutto, wovon nach Steuern etwa 1200 Euro übrig bleiben. "Nur von diesem Gehalt kann man eine Familie nicht ernähren, deswegen ist der Beruf bei Männern auch so unattraktiv", erklärte der Verdi-Geschäftssekretär für den Bereich NRW-Süd, Andreas Reisch. Innerhalb von 15 Jahren können Arbeitnehmer in die höchste Stufe mit etwa 3290 Euro Bruttolohn aufsteigen.

Entlastung in der für Eltern momentan angespannte Situation bringen meist nur individuelle Arrangements. In vielen betroffenen Kitas und in der Nachbarschaft tun sich Mütter und Väter zusammen und betreuen die Kinder gruppenweise. Viele Arbeitgeber wie die Bundesministerien und die Deutsche Post hatten schon vor dem Streik sogenannte Eltern-Kind-Büros, die nun öfter genutzt werden. Dort, wo Eltern ihre Kinder nicht mit zur Arbeit nehmen können, haben die Kollegen oft Verständnis für die Notlage. "Diejenigen, die ein Problem haben, dürfen sehr flexibel Dienst machen oder freie Tage nehmen", sagte Vera Schweizer vom Marienhospital.

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