Stolpersteine in Endenich Angehörige von Holocaust-Opfern aus Israel und USA beten den Kadish

BONN · Es geht ein Schluchzen durch die Euskirchener Straße, als Künstler Gunter Demnig vor dem Haus Nummer 52 drei Stolpersteine in den Asphalt einfügt.

Die Angehörigen der Familie Meyer reisten aus den USA und Israel an, um in Endenich Stolpersteine für ihre ermordeten Verwandten setzen zu lassen und vor Ort an sie zu erinnern.

Die Angehörigen der Familie Meyer reisten aus den USA und Israel an, um in Endenich Stolpersteine für ihre ermordeten Verwandten setzen zu lassen und vor Ort an sie zu erinnern.

Foto: Barbara Frommann

Kinder aus den USA und Israel legen drei langstielige Rosen neben die goldglänzenden Quadrate mit den Lebensdaten ihrer Vorfahren, die alle im Juli 1942 im Vernichtungslager Maly Trostenez endeten. Ihre Eltern und Großeltern entzünden Kerzen und halten Fotos in den Händen. Sie zeigen den angesehenen Viehhändler Jakob Meyer, dessen Frau Sarah und die blonde Tochter Hertha, als sie noch nicht daran dachten, dass auch Hertha mit 23 Jahren in den Tod geschickt werden würde. Oder doch? Die große Schwester Netty, deren Nachfahren gestern den Kadish beteten, war 1940 nicht ohne Grund nach Palästina geflohen.

Reihum lesen die 25 Nachkommen hebräische Verse. Schauspielerin Birte Schrein fügt mit erstickender Stimme die Übersetzung an. "Im Himmel fliegen die Geigen, es ist noch ganz früh. Keine Sorge, Madam, das wird hier nicht passieren", setzen die Zeilen von Dan Pagis, "mit Bleistift im verplombten Waggon geschrieben", an. Um dann genau damit zu enden, was nicht passieren sollte: "Rauch steigt hoch zum Allmächtigen, ohne Körper, ohne Gestalt."

Mit dem "Transportzug Da 219" hatten am 20. Juli 1942 mit Familie Meyer 1164 jüdische Männer, Frauen und Kinder aus der Region den Bahnhof Deutz Richtung Maly Trostenez bei Minsk verlassen, erinnert Astrid Mehmel für den Verein Gedenkstätte Bonn.

"Sie landeten dort in Lastwagen, die zu mobilen Tötungseinrichtungen umgebaut worden waren. Während der Fahrt wurde Gas in den Innenraum eingeleitet. Niemand überlebte." Insgesamt 220 Bonner fanden an diesem Ort qualvoll den Tod. Deshalb seien diese Stolpersteine wichtige Gedenksteine für seine Familie, sagte Yaacov Meller, einer der Söhne der damals geflohenen Netty Meyer.

"Wir haben keine Gräber meiner Großeltern und unserer Tante. Wir haben nur die Erinnerung in den Briefen, die wir nach dem Tod unserer Mutter 2005 fanden." Er habe sich mit Hilfe dieser Briefe auf die Suche nach der Familiengeschichte gemacht. "Denn unsere Mutter, die in einem Kibbuz ein erfolgreiches Leben führte, hat uns fast nichts von dieser furchtbaren Vergangenheit erzählt", erzählt Meller. Als klar war, dass die Wurzeln in Endenich lagen, beschloss die Familie, die drei Stolpersteine setzen zu lassen.

"Die Steine sollen ein Mahnmal sein, dass sich dieses größte Verbrechen der Menschheit nicht noch einmal wiederholen möge, und dass wir immer für die Rechte der Schwächeren einstehen müssen", sagt Yaacov Meller. Und fügt an, dass Hertha, die Schwester seiner Mutter, sich 1941 sogar noch ein Schiffsticket nach New York erkämpft hatte. "Aber sie blieb, um ihre Eltern zu schützen."

Die Gedenksteine könnten das Unrecht nicht ungeschehen machen, sondern sollen die Erinnerung an die Verbrechen im Gedächtnis halten, sagte Bürgermeister Helmut Joisten. "Ich bewundere Ihren Mut, wieder nach Deutschland zu kommen, damit Ihre Vorfahren nie vergessen werden", sagte Margaret Traub, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bonn. Die Steine mögen der grassierenden Gleichgültigkeit über den Holocaust entgegenwirken. "Sie zeigen uns: Auch hier mitten in unserer Stadt begann die Endlösung."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Der Macke vom Müll
Neue Folge des Crime-Podcasts „Akte Rheinland“ Der Macke vom Müll
Aus dem Ressort