Tod von Ahlem und Onus in Tunesien Angehörige zwischen Ohnmacht, Zorn und Trauer

BONN/KASSERINE · Ohnmacht, Zorn und Trauer bestimmen die Gefühle der in Bonn lebenden Familie der am Samstag in Tunesien von Polizisten erschossenen Ahlem D. (21) und ihrer Cousine Onus (18).

Die in Bonn geborene undaufgewachsene Ahlem, die in Bielefeld Jura studierte, war mit ihrer 24-jährigenSchwester Sondes zu Verwandtenbesuch in Kasserine, als sie auf dem Heimweg voneiner Feier von Polizisten beschossen wurden. Ahlem und Onus wurden tödlichgetroffen, die ebenfalls in Bonn lebende Jasmin S. (23) wurde am Arm verletzt.

Aziza Dalhoumi, die in Bonn lebende Tante der jungenFrauen, erklärte am Dienstag im Gespräch mit dem GA: „Alles, was die tunesischenBehörden jetzt sagen und dort in die Medien gebracht haben, ist gelogen.“ Wiedie 46-Jährige schilderte, sind Ahlems Eltern von Bonn sofort nach Tunesien gereist,auch um am Dienstag mit dem deutschen Botschafter in Tunis zu sprechen.

Der Familiesei nun eines wichtig: „Die Wahrheit soll ans Licht.“ Die Befürchtung derFamilie sei, dass alles unter den Teppich gekehrt werde. „Wir wollenGerechtigkeit.“ Die Behörden sollten zugeben, dass die Polizisten grundlos aufdie Mädchen geschossen hätten. Man sehe an den Einschusslöchern, dass sie „ganzgezielt auf die Köpfe schossen“.

Die Tante hat nach eigenen Angaben mit dem tunesischenKonsul in Deutschland gesprochen und ihn gebeten, sich ans tunesischeInnenministerium zu wenden. Und der Konsul habe gesagt: Wenn auf ihn als Mannmehrere Männer mit Maschinenpistolen zugesprungen wären, hätte er das Weitegesucht. Ahlems Tante hat für kommenden Samstag eine Demonstration vor demtunesischen Generalkonsulat in Bonn organisiert und geht davon aus, dass nichtnur tunesische Verwandte und Freunde teilnehmen, sondern auch Ahlems deutscheFreunde.

„Ahlem war Deutsche, sie ist hier geboren und hat hier in Bonn Abiturgemacht.“ Und die 46-Jährige kündigte an: „Ich mache weiter, bis die Wahrheitherauskommt.“ Deshalb sei auch die Bonner Polizei und Staatsanwaltschafteingeschaltet worden.

Oberstaatsanwalt Robin Faßbender erklärte auf GA-Anfrage:„Es besteht Kontakt zu Bundeskriminalamt und Auswärtigem Amt, um entsprechendeInformationen zu erhalten.“ Noch sei jedoch nichts gekommen. Außerdem habe erden Fall an den Bundesgerichtshof geschickt, denn der müsse den Gerichtsstandin Deutschland festsetzen. Und der könne auch Bielefeld sein, da Ahlem dortstudiert habe.

Sollte der Fall Bonn zugeteilt werden, würde er einTodesermittlungsverfahren einleiten. Allerdings könne die BonnerStaatsanwaltschaft die mutmaßlichen Täter hier nicht verfolgen, da sie dertunesischen Gerichtsbarkeit unterstünden, so lange sie dort seien.

In diesem Video, das am Montagabend von der Familie veröffentlicht wurde, schildert Ahlems Schwester Sondes die Vorfälle

DasAuswärtige Amt tauscht sich nach eigener Aussage mit den ermittelndentunesischen Behörden vor Ort aus und betreut die Angehörigen. Die tunesischenBotschaft in Berlin und das Generalkonsulat in Bonn waren am Dienstag für einetelefonische Stellungnahme nicht zu erreichen.

In Kasserine sind die Menschen empört über die Vorfälle. AmMontagabend zogen viele Einheimische vor ein Verwaltungsgebäude und fordertenAntworten, wie der Angehörige Béchir Dalhoumi aus Tunesien berichtet.

„Unsentgegnete man nur, dass der Verdacht bestanden habe, dass die Frauen betrunkengewesen seien und Drogen transportiert hätten“, sagte er. In tunesischen Medienkursiere die Erklärung, dass die Polizisten davor gewarnt worden seien, dassein Fahrzeug mit schwer bewaffneten Männern in ihrem Bezirk unterwegs sei.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort