Prozess gegen Cellisten Ankläger: Totschlag und kein Mord

BONN · Der grausame Tod der Bonner Konzertpianistin Kate de Marcken (50) war rechtlich kein Mord, sondern ein Totschlag: Zu diesem Ergebnis kamen am Donnerstag im Prozess gegen Sergey K., den 55 Jahre alten Ehemann des Opfers, sowohl Staatsanwalt als auch Verteidigerin vor dem Bonner Schwurgericht.

Bei der Frage, wie hoch die Strafe für den ursprünglich wegen Mordes angeklagten Mann ausfallen soll, gingen die Forderungen allerdings auseinander.

Ankläger Ulrich Kleuser forderte eine zwölfjährige Freiheitsstrafe für den Cellisten, der bis zu seiner Verhaftung im Ensemble des Bonner Beethovenorchesters spielte. Dem psychiatrischen Gutachter folgend, ging der Staatsanwalt davon aus, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig war.

Im Prozess hatte der 55-Jährige gestanden, seine Ehefrau am Vormittag des 23. Oktober 2014 in der gemeinsamen Wohnung in Plittersdorf getötet zu haben. Der Musiker behauptet, seine Ehefrau habe ihm an jenem Tag offenbart, dass sie mit dem gemeinsamen Sohn ausziehen wolle. Laut der Aussage des Angeklagten hat die Ehefrau ihn anschließend beleidigt und aufgefordert, die Wohnung zu verlassen. Daraufhin nahm er seinen eigenen Angaben zufolge einen Metallstab und schlug mehrfach auf seine Frau ein, um sie anschließend an Armen und Beinen zu fesseln und zu knebeln. Schließlich erstickte Sergey K. seine Frau, indem er ihr, wie er gestand, eine Tüte über den Kopf zog.

"Letztendlich hat ihn ein selbstsüchtiges Motiv zu der Tat geführt: Er wollte nicht, dass die Familie auseinanderbricht", so Kleuser. Neben dem Verlust des Sohnes habe der Angeklagte zudem finanzielle Probleme befürchtet. Der Staatsanwalt zeichnete das Bild eines "tiefen Zerwürfnisses" zwischen den Eheleuten. "Ab einem bestimmten Zeitpunkt war es nur noch eine Zweckgemeinschaft."

Für den Sohn habe jeder der beiden nur das Beste gewollt. "Doch über das Wie waren sie sich nicht einig", so der Ankläger. Im Laufe der Verhandlung hatte der 55-Jährige auch eingeräumt, seine Ehefrau bereits zuvor mehrfach geschlagen zu haben. Das hatte zuvor schon eine ganze Reihe von Zeugen ausgesagt und auch von der Angst berichtet, die Kate de Marcken zunehmend vor ihrem Ehemann gehabt haben soll.

In den Augen des Staatsanwalts bestätigt die Spurenlage den "groben Tatverlauf". Unter anderem hat die Auswertung des Laptops ergeben, dass am Tattag im Internet nach Wohnungen und Häusern gesucht worden ist. Allerdings hielt Staatsanwalt Kleuser dem Musiker vor: "Er hat zielgerichtet umgesetzt, was er in seiner Fantasie schon mehrfach durchgespielt hat."

Denn bereits Monate vor der Tat hatte der Cellist an der Ahr ein Erdloch gegraben. Dass er dieses, wie er im Prozess behauptet hatte, jedoch nur ausgehoben habe, um symbolhaft alles Schlechte hineinzulegen, glaubte ihm Staatsanwalt Ulrich Kleuser nicht: "Mit Verlaub, das ist Nonsens."

Verteidigerin Barbara Möller geht trotz des anderslautenden Gutachterergebnisses davon aus, dass bei ihrem Mandanten eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit in Betracht kommt. Sie sprach von einer "existenziellen Auseinandersetzung" am Tattag und einem "affektiven Durchbruch" bei ihrem Mandanten. Daher muss die Strafe ihrer Meinung nach "deutlich unter zehn Jahren liegen".

Die im Prozess als Nebenklägerin auftretende Mutter der aus Belgien stammenden Kate de Marcken ergriff gestern auch das Wort. Sie sprach von einer "Tragödie". Ihre Tochter und der Angeklagte hätten anfangs eine "schöne Liebe" gehabt, die aber leider nicht überdauert habe. "Aber deswegen darf man niemanden töten", so die Mutter. Zu ihrer Anwältin hatte sie einmal gesagt: "Ich empfinde keinen Hass für Sergey, aber ich kann es einfach nicht begreifen."

Mit leiser Stimme entschuldigte sich der 55-Jährige in seinem letzten Wort bei Kates Familie und bei seinem Sohn. "Es ist undenkbar, was passiert ist. Ich denke seit acht Monaten daran, und es wird weitergehen. Ich kann vieles nicht erklären." Das Urteil soll am Freitag nächster Woche verkündet werden.

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