Bonner Modell ist Vorbild Anonyme Spurensicherung

BONN · In Bonn ist seit zehn Jahren möglich, worauf Frauen in anderen Teilen Nordrhein-Westfalens oder Deutschlands oft verzichten müssen: die anonyme Spurensicherung nach einer Sexualstraftat.

 Bonner Projekt: Elke Doberentz (von links), Maria Mensching, Katja Schülke, Alexander Poretschkin und Conny Schulte zeigen den Inhalt eines Koffers, mit dem Opfer von Sexualstraftaten Spuren für eine spätere Verwertung vor Gericht sichern können.

Bonner Projekt: Elke Doberentz (von links), Maria Mensching, Katja Schülke, Alexander Poretschkin und Conny Schulte zeigen den Inhalt eines Koffers, mit dem Opfer von Sexualstraftaten Spuren für eine spätere Verwertung vor Gericht sichern können.

Foto: Benjamin Westhoff

„Viele Betroffene sind schwer traumatisiert und brauchen nach einer solchen Erfahrung Zeit zur psychologischen Stabilisierung, bevor sie in der Lage sind, eine Aussage zu machen“, verdeutlichte Maria Mensching vom Organisationsteam des Arbeitskreises Opferschutz Bonn/Rhein-Sieg den Hintergrund.

Anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen und des zehnjährigen Bestehens des Projektes stellte die Diplom-Psychologin am Donnerstag gemeinsam mit Vertretern von Stadt, der Opferschutzorganisation Weißer Ring und vom Institut für Rechtsmedizin eine Öffentlichkeitskampagne vor, die das Projekt der Bevölkerung im Allgemeinen und potenziellen Betroffenen im Besonderen noch bekannter machen soll. Mensching hatte mit ihrer Kollegin Elke Doberentz vom Institut für Rechtsmedizin Untersuchungsbögen und Musterdokumentationen entworfen, die nun bei der landesweiten Umsetzung des Bonner Modells als Vorlagen dienen.

Ein typischer Fall sieht vielleicht so aus: „Stellen Sie sich vor, dass eine Frau in Begleitung einer Freundin in eine Klinik kommt und angibt, dass sie vergewaltigt worden sei“, skizziert Mensching. „Der Täter kommt aus dem beruflichen Umfeld des Opfers, und die Frau befürchtet Schwierigkeiten. Deshalb kann sie sich nicht dazu durchringen, sofort Anzeige zu erstatten. Ohne die anonyme Spurensicherung wäre eine Sicherung der Beweise nicht möglich.“

Und genau dort greift das Bonner Modell: Mit einem Arbeitsset, das die Polizei zur Verfügung stellt, sowie den Untersuchungsbögen und Musterdokumentationen sollen Ärzte an den Kliniken in die Lage versetzt werden, neben der Behandlung des Opfers auch Beweise zu sichern. Wer zur Polizei geht, kann nämlich nicht auf eine anonyme Behandlung setzen. „Sexualstraftaten sind ein Offizialdelikt und müssen daher von uns verfolgt werden“, erläuterte Simon Rott von der Bonner Polizei und lobt das Projekt.

„Als Polizeibeamtin weiß ich durch den Kontakt mit Hilfsorganisationen wie zum Beispiel dem Weißen Ring, dass viele Sexualstraftaten aus den unterschiedlichsten Gründen oftmals nicht zur Anzeige gebracht werden“, ergänzte Irmgard Küsters, Opferschützerin des Polizeipräsidiums Bonn. „Durch die anonyme Sicherung werden alle Spuren so erhalten, dass sie bei einer späteren Anzeigenerstattung in einem Zeitraum von bis zu zehn Jahren noch gerichtsverwertbar sind.“

Gründe genug also, die für eine landesweite Einführung der anonymen Spurensicherung sprechen. Schon im Koalitionsvertrag hatten SPD und Grüne daher festgeschrieben, ein solches System in ganz Nordrhein-Westfalen einführen zu wollen. Dank der Pionierarbeit der Bonner soll ab Mitte nächsten Jahres ein solches bedarfsorientiertes und flächendeckendes System zur anonymen Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt Betroffenen in ganz NRW schnelle Hilfe und Unterstützung ermöglichen.

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