Kultur in Bonn Anstifter aus Leidenschaft

Bonn · Kulturmanager Walter Smerling treibt viele Projekte voran. Binnen weniger Jahre soll ein Skulpturenpark entstehen.

 Erfolg made in Bonn: Walter Smerling (2.v.l.) führt Kanzlerin Angela Merkel und das Ehepaar Netanjahu durch seine „Holocaust“-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum Berlin.

Erfolg made in Bonn: Walter Smerling (2.v.l.) führt Kanzlerin Angela Merkel und das Ehepaar Netanjahu durch seine „Holocaust“-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum Berlin.

Foto: Daniel Biskup

Im Krankenzimmer, so die Legende, konzipierte der junge Fernsehjournalist Walter Smerling im Gespräch mit dem Klinikchef Gerhard Ott seine erste Ausstellung, „Heilungswirkungen der Kunst heute“. Er rief Künstler an, die er damals, in den 80er Jahren, gut fand, etwa Gerhard Richter und Joseph Beuys, ob sie ein Werk zur Verfügung stellen wollten.

Smerling hängte sich ans Telefon, ging Klinken putzen, organisierte innerhalb von drei Monaten die Finanzierung – 500 000 D-Mark –, suchte sich einen Ausstellungsort – das Wissenschaftszentrum Bonn – und ein prominentes Zugpferd: Der frisch gewählte Bundespräsident Richard von Weizsäcker ließ sich von Smerling, dem No-Name im Kunstgeschäft, beim Pausengespräch in der Bonner Oper begeistern und eröffnete die Schau. Die Ausstellung sei der Clou gewesen, erinnert sich Smerling an seine Anfänge in der Bonner Kunstszene.

Rund dreißig Jahre später, Anfang 2016, holt der gelernte Bankkaufmann, der inzwischen Museumschef in Duisburg und Honorarprofessor ist, zusammen mit Bild-Chef Kai Dieckmann und anderen mächtigen Freunden die spektakuläre Sammlung mit Kunst aus der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ins Deutsche Historische Museum nach Berlin, schüttelt Bundeskanzlerin Angela Merkel als prominentestem Eröffnungsgast die Hand.

Seit den 80er Jahren baut Smerling am Netzwerk

Am Prinzip Smerling hat sich in den 30 Jahren kaum etwas geändert: Eine Idee wird geboren, vorangetrieben, die private Finanzierung wird gesichert, ein Ort, oft ein öffentliches Museum, gefunden, der Promifaktor muss stimmen – und als Macher im Epizentrum glänzt der Bonner Smerling: „Wir stiften unsere Energie, akquirieren Mittel, sind Anstifter“, nennt er sein Credo. Seit den frühen 80er Jahren bastelt er an seinem Netzwerk. Er war im Vorstand des Bonner Kunstvereins, drehte Künstlerporträts unter anderem für den WDR, hat eine Kunstzeitung und einen Kunstraum gegründet, schließlich den Verein Stiftung für Kunst und Kultur.

Stolz spreizt sich Smerling auf seinem Stuhl im Sitzungszimmer der Stiftung, die in einer wunderbaren Villa in Plittersdorf ihren Sitz hat. Mit ausladenden Gesten weist der 57-Jährige auf die rund 60 Ausstellungskataloge an den Wänden. Alles seine Kinder, zu jedem Projekt könnte er Stunden reden: „China!“, „Macht des Alters“, „Lagerfeld“, „Heinz Mack“ und so weiter. Insgesamt 260 Veranstaltungen in 30 Stiftungsjahren.

Mit der Presse hatte der TV-Journalist weniger Glück. Was Smerling „Private Public Partnership“ nannte, also Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Institutionen und seinem privaten Verein und dessen Interessen, stand unter scharfer Beobachtung der Medien. In den 80er und 90er Jahren war das Modell in Deutschland relativ neu. Und bei einigen finanzklammen und personell unterbesetzten Museen äußerst begehrt.

"Bonn ist immer noch dabei, sich neu zu erfinden"

Irgendwann verließ Smerling der sonst recht sichere Instinkt. Als gelte es, einen Papst zu küren, berief er ein aufwendiges Konklave mit viel Prominenz auf den Bonner Petersberg, um die Künstlerliste für das Millenniums-Projekt „Zeitwenden“ zu destillieren. Heraus kam ein empfindliches Minus fürs Kunstmuseum, das ein Baselitz-Bild verkaufen musste, um Schulden zu tilgen. Ein bundesweit einmaliger Fall, der ein dementsprechend vernichtendes Presse-Echo nach sich zog. „Wir hatten keine ausgabenbedingten Defizite, sondern es lag an den Einnahmen. Wir haben uns verkalkuliert, was Besucherzahlen anging. Das ist Schnee von gestern“, sagt er heute. Damals war es das vorläufige Ende der Aktivitäten in Bonn.

Smerlings Stifung blieb zwar in Plittersdorf. Der Bonner streute aber zunehmend seine Aktivitäten, baute sein Sammler-Museum Küppersmühle in Duisburg aus, initiierte sein Kunstprojekt Salzburg mit Skulpturen im öffentlichen Raum, machte Ausstellungen in Berlin. „Ich liebe es, mit Leuten in einen Dialog zu treten, liebe die Auseinandersetzung; Kunst bietet das“, sagt Smerling.

Und warum in Bonn? „Hier sind meine Wurzeln“, sagt der gebürtige Bonner, der in der Voreifel aufwuchs, in München und Köln gelebt hat. „Diese Stadt hat unglaubliche Möglichkeiten – ich habe mal ein Film darüber gemacht 'Die Toskana der Voreifel'“, schwärmt er, registriert aber auch die Defizite. „Bonn ist immer noch dabei, sich neu zu erfinden, hat 1989 noch nicht voll verarbeitet.“

Kulturbündnis und Programm gegen Vergreisung

Was er damit meint? Die Stadt verfüge immer noch über die Infrastruktur einer Bundeshauptstadt – mit den bekannten finanziellen Problemen. Die Lösung? „Die Bonner müssen begreifen, dass man Privatinitiative entwickeln muss.“ Ein Baustein dazu ist die „Agenda 2030“, ein Kulturbündnis unter dem Dach der Stiftung. „Bonn braucht ein Programm gegen Vergreisung“, sagt Smerling markig und verweist auf den letzten Coup der Stiftung.

Die Ausstellung „China 8“ – Nachfolger der Bonner „China!“-Ausstellung von 1996 in acht Museen im Ruhrgebiet fiel zwar bei der Kunstkritiker-Umfrage der „Welt“ durch, lockte aber beachtliche 100 000 Besucher an. Und hat interessante Folgen: „Am 22. März werden mit dem Bundespräsidenten German Art 8 in Beijing verkünden, werden sogar in der Verbotenen Stadt ausstellen.“

Auch in Bonn will er wieder punkten: Das vor zwei Jahren mit Markus Lüpertz' Beethoven im Stadtgarten gestartete Skulpturenprojekt für Bonn, das durch die von Tony Craggs durch Altkanzler Gerhard Schröder enthüllte Skulptur fortgesetzt wurde, geht weiter: Am 22. Mai wird Bernard Venets Stahlskulptur „Arc '89“ auf dem Trajektkreisel stehen. 2017 soll sich Stefan Balkenhol mit August Macke befassen. Das Prinzip ist immer gleich: Private Paten finanzieren die Werke, leihen sie der Stadt. „In den nächsten 14 Jahren soll ein städtischer Skulpturenpark entstehen, jedes Jahr eine Skulptur“, schwebt Smerling vor.

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