Kostümverkauf vor der Bonner Oper Ansturm auf den Theaterfundus

BONN · Schon anderthalb Stunden bevor das Theater Bonn zu seinem Kostümverkauf die Türen öffnete, standen die Menschen am Montagabend Schlange. "Viele Mitarbeiter haben mir erzählt, dass es so einen Andrang noch nie gab", sagte Theatersprecher Michael Seeboth, während sich Hunderte vor den Kassen im Foyer drängten.

 Ein Königsgewand soll dieser weiße Mantel mal werden, den Alexandra Wendorf ihrem Sohn Victor Abs standesgemäß überstreift. Für sieben Euro ein Schnäppchen, wie Victor findet.

Ein Königsgewand soll dieser weiße Mantel mal werden, den Alexandra Wendorf ihrem Sohn Victor Abs standesgemäß überstreift. Für sieben Euro ein Schnäppchen, wie Victor findet.

Foto: Nicolas Ottersbach

Um die Bezahlung zu beschleunigen, gab es wie im vergangenen Jahr zwei Kassen. Die meisten hielten das nötige Kleingeld schon bereit. Es gab sogar einen "Kleidersackvorbereiter": Tobias Meier-Krüger, der sonst als Abendhilfe arbeitet, schüttelte die blauen Müllsäcke auf, die es zu jedem Kauf dazu gab. "Hier geht es um jede Sekunde, denn die Kunden stauen sich über mehrere Meter", sagte er. Manchen dauerte es wohl viel zu lange. Und Kostümdirektorin Adelheid Pohlmann musste die Menge zurückpfeifen: "Hören Sie auf zu drängeln", rief sie entschieden der Masse entgegen. Das wirkte.

Was an den Kleiderständern passierte, konnte sie allerdings nicht beeinflussen. "Ich habe mich um diesen weißen Mantel richtig gestritten, der Stärkere setzte sich durch. In dem Fall ich", erzählte der elfjährige Victor Abs. Er war mit seiner Mutter Alexandra Wendorf das erste Mal beim Kostümverkauf und von der riesigen Auswahl begeistert. "Auch wenn die Luft hier drin sehr stickig und warm ist, macht es Spaß", sagte Victor.

Den schlichten weißen Mantel für sieben Euro wollte er zu einem Königsgewand weiterentwickeln. Hier etwas Gold, da eine Verzierung - ihm und seiner Mutter kamen direkt mehrere Ideen. Weil er in der Junges-Theater-Gruppe ist und in seiner Freizeit gerne in fremde Rollen schlüpft, konnte er das Kostüm nicht nur für Karneval gebrauchen. "Für seinen Bruder haben wir noch ein paar lockere Sommerhosen eingepackt", sagte Alexandra Wendorf.

Das gelbe Kleid von Emmélie Lempert war ebenfalls nicht nur für die tollen Tage gedacht. "Im Sommer werde ich es zum Weggehen anziehen", erzählte die 16-Jährige. Aus der Masse von genau 3129 Kleidungsstücken stach es sofort heraus. "Der Kauf war sehr spontan." Für die gute Verarbeitung, es ist handgenäht und nach Schätzungen der Garderobenmitarbeiter etwa 20 Jahre alt, war sie bereit, 20 Euro zu zahlen. Damit gehörte es zu den höherpreisigen Artikeln, die meisten lagen zwischen einem und zehn Euro. "Viele Sachen kann man auch so tragen, es muss nicht unbedingt an Karneval sein", sagte Emmélie. Sie war mit Freunden und Familie gekommen. Ihre Schwester kaufte sich ein rotes Kleid.

In rot, gelb und blau strahlte das gesteppte Kostüm, das sich Susanne Reinbott überstreifte. "Es erinnert mich an das Regina-Regenbogen-Outfit, das mir meine Oma genäht hat, als ich acht Jahre alt war", erzählte sie. Lange hielt sie es in der dicken Polsterung nicht aus, es war schlichtweg zu heiß. In der kurzen Anprobezeit hielten aber immer wieder andere Kostümjäger an und kommentierten den auffälligen Fummel. "Da kann man Löcher reinmachen, um Kölschgläser abzustellen" oder "In der Kneipe hat man damit keine Probleme, weil der Ring die anderen auf Abstand hält", hieß es.

Susanne Reinbott und ihren Mann Jens beschäftige eher, was sie unter der ehemaligen Maßanfertigung, die jetzt noch 30 Euro kostete, anziehen könnte. "Vielleicht passen mir noch die Stulpen von damals, die habe ich aufgehoben", überlegte sie kurz. Verwarf den Gedanken aber auch wieder, weil die Stulpen vermutlich viel zu klein sein würden. So wie das alte Kostüm, das sie versucht hatte, größer zu nähen. "Ich bin aber doch um einiges gewachsen", sagte sie. Ein kleiner Rest aus dem Fundus blieb bis zuletzt an den Kleiderständern hängen, Adelheid Pohlmann war dennoch zufrieden. "Wir machen das, um Platz in unserem Fundus zu schaffen", erklärte sie. Etwa die Hälfte aller Kostüme, die das Theater besitzt, hatte sie ausgemustert. Die besonders filigran gearbeiteten Kleidungsstücke werden allerdings beim Theaterfest für möglichst hohe Preise versteigert.

Vergangenes Jahr kamen durch den normalen Kostümverkauf wie gestern rund 7000 Euro zusammen, schätzte Verwaltungschef Johannes Herzog, der an der Kasse saß und eine Strichliste führte. Die Einnahmen fließen in den Etat des Theaters.

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