Rainer Maria Kardinal Woelki in Bonn Appell für ein menschenwürdiges Sterben

BONN · "Die Menschenwürde ist auch im Sterben das höchste Gut." Mit diesem Appell wandte sich am Dienstagabend im bis in den Nebenräume hinein voll besetzten Uni-Club Rainer Maria Kardinal Woelki an die politisch Verantwortlichen.

"Die Menschenwürde ist auch im Sterben das höchste Gut" Rainer Maria Kardinal Woelki Erzbischof von Köln.

Foto: Barbara Frommann

"Der Staat sollte mehr dafür tun, dass Menschen würdevoll auf ihrem letzten Weg begleitet werden, statt ihnen einen vermeintlichen zeitgemäßen Tod gesetzlich zu ermöglichen", sagte Woelki vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um eine neue gesetzliche Regelung.

Er war Gast des Studium Universale und der Joseph-Höffner-Gesellschaft. "Es wird eiskalt in einer Gesellschaft, die es zulässt, dass sich Menschen, getrieben von Krankheit oder Aussichtslosigkeit, töten lassen wollen oder um Hilfe bei der Selbsttötung bitten", betonte der Kardinal. So sterbe man nicht selbstbestimmt, sondern bestimmt von Schmerz, Einsamkeit und Verzweiflung.

Gerade weil die Angst vor Schmerz und Tod ernst genommen werden müsse, entstehe eine Verpflichtung: nämlich Menschen in dieser Lebensphase besonders zu unterstützen, und zwar durch palliativmedizinische Versorgung, intensive Begleitung und seelsorgliche Angebote. Woelki lobte ausdrücklich die hospizliche Arbeit in stationären Einrichtungen sowie auf ambulanter Basis. Hier trage die Kirche hohe Verantwortung.

"Haben Ärzte die Lizenz zum Töten?"

Er wandte sich aber auch direkt an die Ärzteschaft. Der Vorschlag, Medizinern die Suizidbeihilfe explizit zu erlauben, widerspreche jedem ärztlichen Ethos, sagte der Kardinal eindringlich. "Seit wann, muss man entschieden fragen, haben Ärzte die Lizenz zum Töten? Es kommt einer Pervertierung des Arztberufes gleich, wenn der, der Leben erhalten soll, es preisgibt." Vor allem in Deutschland dürfe man die Geschichte der Euthanasie nicht ausblenden.

"Es ist erschreckend, zu sehen, wie sehr die Tabuisierung der Sterbehilfe, die nach den Gräueltaten der Nationalsozialisten jahrzehntelang Konsens war, in den aktuellen Debatten fällt." Woelki rief dazu auf, die Geringschätzung beeinträchtigten Lebens zu beenden, die mit dem Begriff Lebensqualität arbeite.

"Die Lebensqualität, um die es am Ende geht, hat andere Inhalte. Dann zählt, dass man nicht allein ist, dass man sich seiner Hilflosigkeit nicht schämen muss, dass der Schmerz erträglich gemacht wird, dass niemand - auch man selbst - einem das Gefühl gibt, eine Last zu sein", so Woelki.

Grundlage unserer Werteordnung

Mit Selbstbestimmung als Selbstverwirklichung habe diese Phase wenig zu tun. Ein Mensch in höchster Not habe den Anspruch, dass er Mitmenschen begegne, die ihm sagten: "Es ist gut, dass es dich gibt." Das sei die Grundlage unserer Werteordnung.

An jeden Einzelnen appellierte der Kardinal, sich auf den Tod vorzubereiten. "Sterben und Tod sind in der heutigen Zeit stillos geworden und aus dem Zuhause verbannt." Man sterbe inmitten einer medizinischen Versorgungswelt, aber oft ohne menschliche Nähe und geistliche Begleitung.

Es sei deshalb Zeit, dass Christen sich um ein menschenwürdiges Sterben bemühten. "Niemand sollte vereinsamt sterben. Gerade den Sterbenden schulden wir das tätige und solidarische und nicht zuletzt das betende Zeugnis unserer christlichen Hoffnung." Der Mensch werde mit all seiner Unvollkommenheit unbedingt von Gott angenommen.