„Zweischneidiges Schwert“ Asta-Chefin sieht Exzellenz-Titel nicht nur positiv

Bonn · Die Vorsitzende des Studierendenausschusses, Lena Engel, spricht im Interview über den neuen Titel der Uni Bonn und die möglichen Auswirkungen für die Studenten. Probleme wie eine Grundausstattung werden dadurch noch nicht gelöst, sagt sie.

 „Probleme wie eine Grundausstattung werden dadurch noch nicht gelöst“, sagt die Asta-Chefin über die erlangte Exzellenz.

„Probleme wie eine Grundausstattung werden dadurch noch nicht gelöst“, sagt die Asta-Chefin über die erlangte Exzellenz.

Foto: picture alliance / dpa/Julian Stratenschulte

Viele Gebäude der Bonner Universität sind marode. Aber es wird auch viel investiert, was an den zahlreichen Baustellen zu erkennen ist. Für die Studenten ist das alles mit Einschränkungen verbunden, obwohl sie selbst nie davon profitieren werden. Wie das die Stimmung auf dem Campus beeinträchtigt, warum der Exzellenz-Titel dem normalen Studenten nichts bringt und weshalb eine Anwesenheitspflicht unsozial ist, darüber sprach die Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses, Lena Engel, mit Nicolas Ottersbach.

Frau Engel, wie schmeckt das Mensa-Essen?

Lena Engel: Manchmal besser, manchmal schlechter.

Die Exzellenz-Uni scheint also noch nicht in der Küche angekommen zu sein. Freuen Sie sich darüber, dass Bonn diesen Titel bekommen hat?

Engel: Ich persönlich freue mich nicht darüber, aber ich erkenne das an. Das ist auf jeden Fall eine berechtigte Auszeichnung für die Personen, die daran mitgewirkt haben. Und grundsätzlich ist es auch eine positive Sache, dass Fördergelder an die Universität kommen. Aber Probleme wie eine Grundausstattung werden dadurch noch nicht gelöst. Das ist das zweischneidige Schwert, das ich darin sehe.

Das klingt nach einer generellen Kritik an der Exzellenz-Initiative. Kommt der normale Student zu kurz?

Engel: Zu kurz kommen - weiß ich nicht. Ich glaube, für viele wird sich am Studienalltag nichts ändern. Vielleicht hat man das Glück und es bringt einem etwas, einen Abschluss von einer Exzellenz-Universität zu haben. Es wird sicherlich für viele ein Anreiz sein, an die Universität zu kommen. Aber ob das für die Studierenden, die schon da sind, eine positive Entwicklung bringt, wird sich zeigen.

Gibt es Nachteile?

 Lena Engel, die Vorsitzende des Studierendenausschusses, hat eine gespaltene Haltung zur Exzellenz-Auszeichnung der Uni Bonn.

Lena Engel, die Vorsitzende des Studierendenausschusses, hat eine gespaltene Haltung zur Exzellenz-Auszeichnung der Uni Bonn.

Foto: Nicolas Ottersbach

Engel: Die gibt es nicht direkt. Wenn mehr Studenten an die Uni kommen, kann das natürlich dazu führen, dass die Infrastruktur nicht ausreicht, es noch voller und der Betreuungsschlüssel geringer wird. Aber erst einmal habe ich von der Auszeichnung an sich keinen Nachteil. Die Kritik ist eher, dass die Universitäten in Wettbewerb treten müssen. Man muss es sich erst einmal leisten können, die nötigen Ressourcen reinzustecken. Andere, wichtigere Fragen werden dann vielleicht nicht angegangen und Ungleichheiten verstetigen sich.

Mit der Förderung sind Millionen verbunden. Was sollte aus Ihrer Sicht damit geschehen?

Engel: Da geht es um elf bis 15 Millionen Euro. Das Haushaltsjahr hat rund 650 Millionen Euro. Das ist also nur ein kleiner Teil. Aber es ist zusätzliches Geld, was positiv genutzt werden kann. Ich würde mir wünschen, dass es genutzt wird, um Lehrräume auszustatten oder Infrastruktur für Studierende zu schaffen. Was hoffentlich nicht passiert, ist, dass es ausschließlich in einzelne Forschungsprojekte fließt.

Mit Infrastruktur sind sicherlich nicht die Straßen gemeint.

Engel: Was in den Altbauten ein großes Thema ist, ist die technische Ausstattung wie Beamer oder Steckdosen. Eine Forderung des AStA ist schon seit vielen Jahren, Trinkbrunnen zu installieren, um die Wasserflasche aufzufüllen. Es gab mal eine kurze Zeit einen Wasserspender in der Universitäts- und Landesbibliothek, der vom AStA aufgestellt wurde. Der kam gut an, musste aber wieder abgebaut werden. Jetzt gibt es stellenweise, zum Beispiel in der Bibliothek, höhere Wasserhähne. Sowas wäre campusweit nötig. Das sind ganz simple Sachen, die es einem erleichtern, zu studieren, wenn man acht Stunden lang in der Bibliothek sitzt.

Der Beschluss der Landesregierung zum neuen Hochschulgesetz löst bei vielen Studierenden Unmut aus. Was halten Sie von militärischer Forschung an der Bonner Uni?

Engel: Ich lehne das ab. Das Studierendenparlament hat auch schon die Universität aufgefordert, dass in der neuen Grundordnung, die sich die Universität jetzt geben wird, die Zivilklausel, wie sie auch gerade schon besteht, beibehalten wird.

Und wie sieht es mit der Anwesenheitspflicht aus?

Engel: Mit dem neuen Hochschulgesetz wird den Universitäten freigestellt, bestimmte Dinge einzuführen oder auch nicht. Bis jetzt waren Anwesenheitspflichten verboten, bis auf einige Ausnahmen. Das Studierendenparlament hat ebenfalls darauf gedrängt, das beizubehalten. Anwesenheitspflichten sind nicht zielführend und auch unsozial. Denn Studierende, die beispielsweise jemanden pflegen oder die eigene Kinder betreuen müssen oder auch einfach nur einen Nebenjob haben, den ja sehr viele haben müssen, werden benachteiligt.

Es gab gegen das Gesetz eine Unterschriftenaktion, bei der aber nicht genügend mitgemacht haben. Sind die Studenten nicht politisch genug?

Engel: Das pauschal zu sagen, wäre falsch. In vielen Aspekten, und das wird im Moment auch bei Fridays for Future gezeigt, sind junge Menschen politisch. Gerade bei hochschulpolitischen Themen ist es aber so, dass sie für viele nicht greifbar sind. Das merkt man auch daran, dass die Wahlbeteiligung bei Hochschulwahlen sehr gering ist. Wir hatten jetzt 14,7 Prozent - und das war mehr als im Vorjahr. Es gibt aber auch Hochschulen, da sind es nur acht Prozent. Man denkt sich: An der Uni ist man nur ein paar Jahre und sieht das nicht als Feld, in dem man mitbestimmen kann.

Wie kann man das ändern? Oder ist das ein Zustand, mit dem man sich zufrieden gibt?

Engel: Zufriedengeben auf keinen Fall. Es wird immer wieder überlegt, auch seitens der Universität, warum das so ist. Für den AStA ist es immer schwierig, die Leute zu erreichen. Wir können nur sagen: Hier ist unsere Website, hier ist ein Plakat. Das war‘s.

Bei Studenten und Politik muss man zwangsläufig an die Hofgartendemos denken. Was ist davon noch übrig?

Engel: Viele Studierende engagieren sich politisch, aber nicht hochschulpolitisch. Man könnte natürlich sagen, dass das heute auch ein ganz anderes Studium ist, mit der Bologna-Reform und dem Bachelor-Master-System. Wir haben heute eine gewisse Verschulung, die für viele den Leistungsdruck erhöht hat. Man räumt dann nicht mehr die Zeit ein, sich auch noch neben dem Studium damit zu beschäftigen.

Ist Bonn eine Studentenstadt?

Engel: Man nimmt Bonn als erstes als ehemalige Bundeshauptstadt und zweitens als Studentenstadt wahr.

Was macht eine Studentenstadt aus?

Engel: Dass eine Hochschule da ist (lacht). Kioske sind wichtig und kulturelle Angebote wie in der Alten Volkshochschule, wo noch einmal etwas Selbstverwaltetes, Studentisches aufgekommen ist. Natürlich eine gewisse Mobilität, die unabhängig vom Auto sein kann, Fahrräder und U-Bahn. Aber auch die hohen Mietpreise und Wohnungsknappheit sind sicherlich Merkmale einer Studierendenstadt.

Wie schätzen Sie die Wohnsituation für Studenten in Bonn ein?

Engel: Es war tatsächlich mal schlimmer, aber es bleibt ein ganz kritisches Thema. Wir haben eine Wohnberatung im AStA und das Projekt Wohnen für Hilfe, wo Studierende an Familien oder Leute, die noch ein Zimmer frei haben, vermittelt werden. Das wird gut angenommen, die Situation ist trotzdem schwierig. Jeder Studierende in Bonn kennt auch jemanden, der nicht in der Stadt wohnt und weite Pendelwege auf sich nimmt, weil er keine Wohnung findet oder sie sich nicht leisten kann. Es werden zwar immer mehr Wohnheime vom Studierendenwerk eröffnet oder renoviert. Aber wenn die Uni immer weiter wächst, wird es auch immer enger. Ich bin auch anfangs gependelt, weil ich nichts gefunden habe – und zwar fast ein Jahr lang.

Bonn will auch Fahrrad-Hauptstadt werden.

Engel: Ganz ehrlich, die Situation für Fahrradfahrer ist schlecht. Allein, wenn man mal versucht aus dem Norden in den Süden zu kommen: Über den Hauptbahnhof ist es super schwierig, man darf nicht über den Busbahnhof fahren. In der Unterführung müsste man absteigen, wenn man vorher links fährt ist es eine Einbahnstraße. Dadurch, dass die Bahnstrecke Bonn teilt, hat man da auch Schwierigkeiten, wenn man die Seiten ohne Schranken wechseln will. Das könnte man verbessern, zumal 2017 ja auch die Fahrradmitnahme in Bussen und Bahnen tagsüber eingeschränkt wurde. Da wurde völlig ignoriert, dass wir keine Campus-Uni haben, sondern alles weit verstreut ist.

Und wie sieht es mit dem Ausgehen aus?

Engel: Ich selbst war noch nie in einem Club in Bonn. Aber es gibt ja genügend Fachschaftspartys, zum Beispiel in den Erstiwochen.

Was läuft gut in Bonn?

Engel: Das wurde ich letztens im Hochschulrat schon einmal gefragt. Es gibt Konzepte und Visionen. Das ist was gutes. Aber das wird sich noch lange hinziehen.

Und was läuft schlecht?

Engel: Es gibt kaum einen Hörsaal, in dem die Mikrofone zuverlässig funktionieren. Die alten Gebäude sind, sagen wir mal, speziell. In anderen Städten wurde vieles in den 1980ern gebaut. Das ist dann zwar nicht so hübsch, aber noch einigermaßen in Schuss. In diesem Jahr wurde das dritte Obergeschoss im Hauptgebäude gesperrt, wo es dann einen offenen Brief der Fakultäten gab, weil man einfach diese Lehrräume brauchte. Da wurde zwar eine Lösung gefunden, aber das prinzipielle Problem, dass es Mängel gibt, bleibt bestehen. Und das ist nicht nur im Hauptgebäude so.

Gibt es dafür Konzepte?

Engel: Es wird gerade sehr viel investiert wie zum Beispiel am neuen Campus Poppelsdorf – auch im Zuge der Exzellenz-Strategie. Aber das werde ich wahrscheinlich nicht mehr erleben. Viele Dinge brauchen eben sehr lange. Im vergangenen Jahr ist aufgefallen, dass viele Gebäude überhaupt nicht barrierefrei sind. Dann haben wir mal nachgefragt und es gab gar keinen richtigen Plan, wo überall noch Barrieren sind. Ziel der Exzellenz muss auch sein, dass die Uni für alle zugänglich ist. In Bonn herrscht immer eine gewisse Zurückhaltung, weil die Uni-Leitung alle mitnehmen will. Das zieht sich.

Es gibt derzeit aber auch viele Baustellen. Ist da was verpasst worden?

Engel: Vielleicht wurden Sachen verpasst. Aber die Uni hängt auch oft in den Seilen. Die Frage ist dann immer, inwieweit der Bau- und Liegenschaftsbetrieb zuständig ist oder manchmal auch die Stadt. Das sind erschwerende Umstände, die ein schnelles Handeln fast unmöglich machen. Ganz abgesehen von der fehlenden Finanzierung. Die Baustelle am Hauptgebäude nervt, weil man nicht durch den Eingang gehen kann. Ich war zuletzt in einem nagelneuen Labor, das nur eine Zwischenlösung war, weil das andere abgerissen werden musste. Im Rest vom Gebäude war eine Baustelle. Da hält man sich nicht gerne auf. Diesen Punkt, dass alles fertig ist, wird man wahrscheinlich nie haben, weil immer wieder Gebäude anfangen zu bröckeln.

Zieht das die Stimmung auf dem Campus runter?

Engel: So etwas zu benennen ist schwierig, aber förderlich ist es nicht. Themen, die immer wieder für Aufregung sorgen, sind Studienfinanzierung und Wohnsituation – das ist aber wahrscheinlich überall so. Was in den Prüfungszeiten immer ein Problem ist, sind die Lernplätze. Die ULB ist regelmäßig überlastet. Da werden nur noch Studenten reingelassen und man muss seinen Ausweis zeigen, wenn man in den Lesesaal will. Dann kommt man samstags um 10 Uhr und es sind schon alle Plätze belegt.

Beschäftigt sich damit das Studierendenparlament?

Engel: Ja, das sind genau solche Themen. Es geht um den Neubau in der Nassestraße, um Nachhaltigkeit – an der Uni wird bisher kein Müll getrennt. Aber auch digitale Evaluation. Am Ende des Semesters wird immer die Lehrveranstaltung evaluiert. Ganz oft kriegt man da noch einen Zettel. Andere Unis sind da viel weiter.

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