Notizen aus Bonn Auf den Spuren von Karl IV.

Meinung | Bonn · Es soll ja nicht wenige Bonner geben, die in kulturpessimistischen Schwankungen der Idee verfallen, ohne die Gegenwart wäre diese Stadt ein besserer Ort. Zufällig eignet sich dieser Tag ganz gut dazu, mal wieder das Ohr auf die Schiene der Geschichte zu legen.

Es ist – die älteren unter uns werden sich erinnern – gerade 670 Jahre her, da wurde ein gewisser Karl IV. aus Prag im Bonner Münster zum deutschen König gekrönt. Das mag vor Ihrem geistigen Auge jetzt Farbenpracht, Rittertum und Minnesang evozieren.

Schön, aber glauben Sie bitte nicht, dass die politische Bühne in Bonn damals eine stressfreie Zone mit Burgfräulein und Lautenspiel gewesen sei. Das Chaos bei der Anreise und die Staus an den Stadtmauern irgendwelchen Entschleunigungsprogrammen der Lufthansa zuzuschreiben, wäre natürlich ebenso albern wie darauf herumzureiten, dass die Uni-Tiefgarage im 14. Jahrhundert schon seit einiger Zeit und bis auf weiteres wegen Sanierungsstaus gesperrt war.

noch vor dem Absacker versackt

In Wirklichkeit kam das Gedränge rund um die Basilika natürlich dadurch zustande, dass der 26. November 1346 ein Sonntag war, was viele der Royal-Fans nicht bedacht hatten, die eigentlich beim Holländer hinter Karstadt rasch noch ein Paar Blumen kaufen wollten, und stattdessen vor der Modelleisenbahn bei Puppenkönig hängenblieben. Und es war auch nicht die Schuld des Bonner Bürgeramtes, dass die Krönung mangels Rechtssicherheit drei Jahre später in Aachen wiederholt werden musste. Zu viele Krönungsgäste hatten einfach die Zeit an der Glühweinbude verballert. Wieder andere waren noch vor dem Absacker versackt – im „Hähnchen“.

Manche sitzen dort heute noch, was wiederum ein Grund dafür ist, dass es bei „Starbucks“ immer so voll ist und man eingepfercht zwischen jungen Kreativen lauter schlaue Wörter aus dem intellektuellen Diskurs aufschnappt, die sich auch in Kolumnen immer gut machen, weshalb man mittendrin einfach mal Begriffe wie „Echokammern“ oder „postfaktisch“ fallen lassen kann.

Wohlan: Eine sehr hübsche postfaktische Echokammer richtete nun die SPD ein, die Auftritte ihrer Politiker für 7000 Euro vermietet. Wenn Sie jetzt insgeheim denken, dass für den Auftritt eines SPD-Politikers eigentlich schon sieben Euro verdammt viel Geld sind, dann sind sie inhaltlich voll bei unserem Mann in Berlin, Ulrich Kelber („Puls auf 180“, „fühle mich getäuscht!“).

Das Münster als Echokammer der Liebe

Weder Täuschung noch postfaktisch ist die Erkenntnis, dass die Geschichte der Münsterbasilika seit dieser Woche völlig neu geschrieben werden muss: War doch die Krönung Karls IV. nur historisches Präludium dafür, dass unser amtierender Oberbürgermeister am Weihbecken seine Ehefrau kennenlernte. Das Münster als Echokammer der Liebe – das wäre auch schon 1346 eine Schlagzeile wert gewesen.

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