Kunst im öffentlichen Raum Auf Skulpturen-Entdeckungsreise durch Bonn

Bonn · Kunst im öffentlichen Raum: Wie viele Skulpturen hat Bonn? Eine Preisfrage. Anlass für einen kleinen Streifzug und die Lektüre von Hans Weingartz‘ Buch „Kunstwerke im öffentlichen Raum von Bonn – 1950 bis heute“.

 Markus Lüpertz‘ „Hommage an Beethoven“ im Bonner Stadtgarten.

Markus Lüpertz‘ „Hommage an Beethoven“ im Bonner Stadtgarten.

Foto: Presseamt Bundesstadt Bonn , 531

Die Debatte rund um Erwin Wurms Skulptur „Walking Bag“, die nach mehrmaligen Terminänderungen nun am 4. September in der Bonner City aufgestellt werden soll, oder die heftige Kontroverse rund um Markus Lüpertz „Hommage an Beethoven“, die seit 2014 im Stadtgarten am alten Zoll steht, zeigen: Kunst im öffentlichen Raum regt an, regt auf, lässt kaum jemanden gleichgültig. Andererseits gewöhnt man sich an manche Kunst, wie an einen alten Baum oder ein Möbel. Wie viele Kunstwerke gibt es im öffentlichen Raum in Bonn? Eine Preisfrage.

Der Bonner Publizist und Verleger Hans Weingartz präsentiert in der zweiten aktualisierten, gerade erschienenen Auflage seiner Aufstellung über „Kunstwerke im öffentlichen Raum von Bonn – 1950 bis heute“ 64 Objekte. Es gibt natürlich etliche mehr in Bonn. Im Gespräch erläutert er die Kriterien für die Auswahl. Er wollte zum einen die Chronologie der Kunst im öffentlichen Raum aufzeigen. Und beginnt daher mit einer „Liegenden mit Kind“ (1950) aus Beton von Willy Meller, einem Kölner Künstler, der im Nationalsozialismus Karriere machte und 1939 von Adolf Hitler zum Professor ernannt wurde. Die Plastik, die starke Anknüpfungspunkte an die heroische NS-Kunst verrät, wurde in der Bundessiedlung Nordstraße 1 aufgestellt.

Die Stadt stellte sich quer

Jüngstes Werk von Weingartz‘ Sammlung ist „Mother Earth“ eine Edelstahlskulptur, die sich wie ein Band am Bonner Bogen in die Luft erhebt. Der US-Bildhauer Barton Rubenstein hat „Mother Earth“ geschaffen. Die erste Skulptur der dem Umweltschutz verpflichteten Serie wurde 2017 in Washington aufgestellt. Weitere Städte in vier Kontinenten folgten. Rubenstein wollte Bonn die Skulptur anlässlich der Weltklimakonferenz schenken und beim UN-Campus aufstellen. „Das städtische Kulturamt lehnte die Schenkung ab“, schreibt Weingartz. Bonnvisio sprang ein und stellte „Mother Earth“ vor das Restaurant Rohmühle auf den Rasen mit Rheinblick.

Wir lernen: Bei der Kunst im öffentlichen Raum reden und entscheiden viele mit. Weingartz rekapituliert etliche Entscheidungswege in seinem Buch. Zu seinen Auswahlkriterien zählt neben der chronologischen Bandbreite eine (Weingartz: „Das gebe ich zu“) stark subjektive Komponente: „Das Werk muss mir gefallen, mich interessieren.“ Viertes Kriterium: Das Werk muss markant sein, sich im Stadtbild behaupten, daher darf die wie ein Surfbrett an der Fassade des Kunstmuseums lehnende, bunte Fieberglasfläche „In Seven Days Time“ von Katharina Grosse ebenso wenig fehlen wie Mark di Suveros Stahlträgerskulptur „Allumé“ zwischen Bundeshaus und Rhein, Henry Moores „Large two forms“ vor dem ehemaligen Bundeskanzleramt oder Gustav Peichls 16 rostige Bundes-Säulen vor der Bundeskunsthalle.

Stadt Bonn zählt 260 Werke

64 Objekte werden also in Weingartz‘ Buch mit Foto und pointiertem Text vorgestellt. Einige sind seit der ersten Auflage aus dem Jahr 2007 hinzugekommen, die Werke von Lüpertz, Yukako Ando, Tony Cragg oder Bernar Venet. Ein Kunstwerk, das er eigentlich sehr schätzt, fand weder 2007 noch 2022 ins Buch: Hans Arps „Mondschale“ vor der Uni-Bibliothek. 2007 war es wegen Renovierungsarbeiten an der Uni woanders untergebracht. 2022 „habe ich es einfach vergessen“, gesteht er ein. Als er an der ersten Auflage arbeitete, konnte er auf nur wenig Material zurückgreifen. 1986 war die schmale Broschüre von Charles Rump, „Kunst im Bonner Stadtbild“, erschienen. Sie listete 70 Skulpturen aus 2000 Jahren auf. 2007 legte die Stadt Bonn eine vom Kunstmuseum erstellte Liste mit rund 260 Werken im öffentlichen Raum nach dem 2. Weltkrieg vor. Hochinteressant auch die Bonner Dissertation von Gabriele Zabel-Zottmann, „Skulpturen und Objekte im öffentlichen Raum der Bundeshauptstadt Bonn“ der Jahre 1970 bis 1991. Eine Untersuchung von 2012, die für den betreffenden Zeitraum 201 Werke auflistet, zu denen neben Skulpturen auch Brunnen zählen.

Zabel-Zottmann verdanken wir auch den Hinweis auf ein großes Projekt des 1998 gestorbenen Bonner Professors Horst Hallensleben, der in den 1980er Jahren von 80 Studenten Material über Denkmäler, Brunnen und Skulpturen im Bonner Raum zusammentragen ließ. Sie kamen auf rund 900 Objekte. Die geplante Veröffentlichung kam nicht zustande, der Professor vermachte das Material, 65 Ordner und rund 1000 Dias, dem Stadtmuseum Bonn.

Raum für viele Entdeckungen

Doch zurück zu Weingartz aktueller – bewusst lückenhafter und subjektiver – Bestandsaufnahme. Sie bietet sich an für ausgedehnte Streifzüge durch Bonn und steckt voller Entdeckungen, bietet einen Zugang zu etlichen Künstlern. Wer kennt etwa Ladis Schwartz und seine symbolhafte Bronzeskulptur „Otiyot“? Wie oft ist man schon an Nikolas Schöffers „Chronos 15“ am Stadthaus vorbeigelaufen, ohne die Edelstahlskulptur zu bemerken? Oder an Fritz Melis artistischem „Vogelschwarm“ in der Duisdorfer Finkenhofsiedlung? Und wer weiß, dass der „Future Garden“ von Helena Mayer Harrison und Newton Harrison in der Rheinaue im Grunde eine Eifelwiese ist? Der Skulpturenführer öffnet den Blick für die Kunst im öffentlichen Raum und führt zu der Erkenntnis, dass Bonn, was das angeht, ganz gut ausgestattet ist.

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