Landgericht behandelt 10.459 Klagepunkte Auftakt im Riesen-Prozess um Bonner Drogenbande

Bonn · Vor dem Bonner Landgericht hat der erste Prozess um einen professionellen Online-Drogenhandel im Darknet begonnen. Die Männer haben vor allem Cannabis und Ecstasy. Verhandelt werden müssen insgesamt 10.459 Anklagepunkte.

 Im Drogen-Onlineshop "Chemical Revolution" sind vor allem synthetische Drogen wie Ecstasy zum Verkauf angeboten worden. Symbolbild: Henning Kaiser

Im Drogen-Onlineshop "Chemical Revolution" sind vor allem synthetische Drogen wie Ecstasy zum Verkauf angeboten worden. Symbolbild: Henning Kaiser

Foto: Henning Kaiser

Nach einer guten Stunde waren die beiden Vertreter der Kölner Anklagebehörde bei Punkt 127 abgekommen. Vor der 10. großen Strafkammer am Bonner Landgericht hat am Freitagmorgen der erste von insgesamt drei Prozessen um einen illegalen Online-Handel mit Drogen begonnen. Mit größter Professionalität soll ein Bandennetzwerk von Bonn aus Cannabisprodukte und Ecstasy im Darknet verkauft haben. Angeklagt sind zunächst zwölf Männer im Alter zwischen 23 und 45 Jahren wegen gemeinschaftlichen Betäubungsmittelhandels.

Aus verfahrenstechnischen Gründen müssen sich die Beteiligten in gesonderten Prozessen vor der 1., 3. und 10. großen Strafkammer verantworten. Am Freitag saßen drei 24-Jährige und ein 30 Jahre alter Mann auf der Anklagebank. Anklage hatte die bei der Staatsanwaltschaft Köln angesiedelte Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen, kurz ZAC NRW, erhoben. Gegen weitere möglicherweise Beteiligte wird noch ermittelt; es sollen bis zu 20 Personen involviert gewesen sein.

Weil die Verlesung aller 10.459 Anklagepunkte bei dem eingangs erwähnten Tempo und einem angenommenen Achtstundentag mehr als zehn Tage dauern würde, hatten die Ankläger die restlichen 10.332 Fälle in einem 350 Seiten starken Anhang zusammengestellt, die der Kammervorsitzende Marc Eumann den Prozessbeteiligten im sogenannten Selbstleseverfahren zugänglich machen wollte. Dagegen legte allerdings ein Verteidiger Einspruch ein, dem die Vertreter der drei anderen Angeklagten folgten: Wenn das Gericht 10.000 Fälle verhandeln wolle, könne es auch 10.000 verlesen, so ein Kollege des Antragsstellers.

Das will aber wohl ernsthaft niemand über sich ergehen lassen: Durch ihr Vorgehen stellen die Anwälte nur sicher, dass sie sich im Falle einer eventuellen Revision des Urteils auf der sicheren Seite befinden. Es waren also wohl rein prozesstaktische Gründe, aus denen die Auftaktverhandlung nach Verlesung der Anklage vertagt werden musste.

Kunden bewerteten online die Drogenprodukte

Offenbar ist die Plattformwirtschaft auch im Darknet im Kommen: Alphabay oder DreamMarket heißen die illegalen Ebay- oder Amazon-Pendants, über die die Angeklagten ihren Handel abgewickelt haben sollen. Und die drei Shops BigActionMan50, BigActionMan11 und BigKushHunter waren ähnlich professionell aufgebaut, wie gute legale Varianten, inklusive Kundenbewertungen: „Geschmacklich nur erste Sahne – kann man nicht meckern“ oder „Bewertung is good – I’m stoned“ lauteten zwei der Statements, die die Vertreterin der Staatsanwaltschaft verlas. „Die Jungs wissen, was Business heißt“, lautet eine dritte.

Dafür spricht auch, was die Fahnder in einer Wohnung in einem Bonner Wohngebiet fanden, in dem die Angeklagten ihr Lager eingerichtet haben sollen: Von Laptops über eine Feinwaage, Vakuumiergeräte, Gummihandschuhe bis zu Pappkartons, Etikettier- und Briefmarkenrollen oder wattierten Versandumschlägen konnten die Ermittler hier alles sicherstellen, was für einen professionellen Handel notwendig ist.

Frühestens am kommenden Montag kann die Kammer nun mit der Beweisaufnahme beginnen. Bis dahin wollen die Anwälte ihren Widerspruch schriftlich einreichen.

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