Ausländische Fachkräfte Syrer fordern Anerkennung von Berufsabschlüssen

Bonn · In vielen Branchen herrscht derzeit ein akuter Mangel an qualifiziertem Personal. Zu den Berufen mit den größten Fachkräftelücken zählen Gesundheitsberufe. Gleichzeitig erleben ausländische Fachkräfte in Deutschland immer wieder Hürden, die sie daran hindern, ihre erlernten Berufe auszuüben.

Syrischen Akademikern in Heilberufen wird es trotz des Arbeitskräftemangels in Deutschland schwergemacht, ihre Berufe auszuüben. Deshalb demonstrierten sie in Bonn.

Syrischen Akademikern in Heilberufen wird es trotz des Arbeitskräftemangels in Deutschland schwergemacht, ihre Berufe auszuüben. Deshalb demonstrierten sie in Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

Eine Gruppe von syrischen Ärzten und Apothekern versammelte sich am Freitag vor dem Sekretariat der Kultusministerkonferenz (KMK) in Bonn. Alle Demonstranten verbindet ein Studium in der Ukraine, dessen Anerkennung an neue Bedingungen geknüpft ist: Nach dem Medizin- oder Pharmaziestudium ist eine mindestens einjährige Praxiszeit (Internatur) in der Ukraine nötig, um an der Approbationsprüfung teilzunehmen.

Für bereits lizenzierte Fachkräfte wie dem Apotheker Oubaid Hamad, der bei der Demo am Freitag dabei war, bedeutet diese Entscheidung das Ende der beruflichen Karriere. Zwölf Jahre lang führte Hamad eine Apotheke in Syrien, bis der Krieg begann und er fliehen musste. 2020 wurde seine Apotheker-Lizenz in Deutschland anerkannt, seitdem arbeitete der Pharmazeut in Saarbrücken. Doch plötzlich ist er wieder arbeitslos. 2022 habe man ihn über den Beschluss der Kultusministerkonferenz in Kenntnis gesetzt und ihm die Approbation entzogen. „Jetzt heißt es, dass unsere Lizenz ohne Internatur nicht mehr gültig ist“, so Hamad. „Dass ich 15 Jahre Berufserfahrung habe, wird nicht berücksichtigt“, fügt er hinzu.

Praxisjahr nachholen ist keine Option

Das Praxisjahr in der Ukraine nachzuholen, ist für ihn keine Option. „Ich habe seit meinem Studium kein Russisch mehr gesprochen und die Sprache deshalb wieder verlernt“, erklärt Hamad. Ein weiteres Problem sei, dass nach aktueller Gesetzgebung nur ukrainische Staatsangehörige eine Internatur absolvieren können. Zudem würden diplomatische Schwierigkeiten zwischen der Ukraine und Syrien die Einreise für Syrer derzeit erschweren. Als fünffacher Vater lebt Hamad inzwischen von Sozialleistungen und hofft auf den Abbau der bürokratischen Hürden, die ihn an seiner Arbeit hindern.

Auch Apotheker Mohammad Beibi beklagt die bürokratischen Hürden. 2021 erhielt der Syrer eine Berufserlaubnis als Pharmazeut in Deutschland. Ein Jahr später wurde sie ihm entzogen. „Meine Frau ist Deutsche und meine Kinder fühlen sich hier zu Hause“, erklärt der Apotheker. „Aber wenn sich nichts ändert, müssen wir auswandern“, so Beibi. In anderen europäischen Ländern, etwa in Großbritannien, sei die Rekrutierung von ausländischem Fachpersonal weitaus niedrigschwelliger als hierzulande.

Iyad Mohammad aus Münster ist wütend, dass er wegen der Approbationsbedingungen nicht mehr als Apotheker arbeiten kann. Sich beim Jobcenter zu melden kam für den Syrer allerdings nicht infrage. „Ich habe mich deshalb zum Objektbewacher umschulen lassen“, sagt Mohammad.

„Deutschland hat 1,5 Millionen Menschen aus der Ukraine aufgenommen, um sie vor dem Krieg zu schützen, und wir sollen dort hin, damit unsere Ausbildung anerkannt wird“, bedauert Zahnarzt Anas Hassan. „Wenn die Regierung den Fachkräftemangel beenden will, brauchen wir andere Lösungen“, meint der Düsseldorfer. „Beispielsweise könnte es interne Schulungen für Ärzte und Apotheker geben, wie es sie auch für ukrainische Fachkräfte gibt“, so Hassan.

Einen neuen Beschluss, der die Approbation von Ärzten und Apothekern betrifft, die in der Ukraine studiert haben, gibt es laut KMK nicht. „Die Berufe Arzt und Apotheker sind vielmehr bundesrechtlich geregelte Gesundheitsberufe“, erklärt KMK-Sprecher Torsten Heil. Die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffe demnach der Bundesgesetzgeber, der sich auf EU-Gesetze in Zusammenhang mit der Anerkennung von Berufsqualifikationen beziehe. Ob die Qualifikation abgeschlossen ist, richte sich folglich nach dem Recht des ausbildenden Staates, fügt Heil hinzu. Die Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe in der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen im KMK-Sekretariat unterstütze die Anerkennungsbehörden der Länder, etwa bei der Feststellung der Abgeschlossenheit von Qualifikationen.

Ohne die ukrainische Qualifikation in Gänze absolviert und die abschließende Prüfung abgelegt zu haben, sei keine Approbation möglich. „Offenbar war es in Syrien möglich, auf der Grundlage einer nicht abgeschlossenen Qualifikation Arzt oder Apotheker zu werden“, vermutet Heil. „In Deutschland ist dies gesetzlich nicht möglich und kann deshalb auch von der Gutachtenstelle nicht empfohlen werden“, so der KMK-Sprecher.

Man sei sich dennoch der Problematik der Betroffenen bewusst, die mit Blick auf den Ukraine-Krieg keine Möglichkeit haben, ihre Berufsausbildung ordnungsgemäß abzuschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit habe deshalb „im Zuge der Novellierung der Ärztlichen Approbationsordnung für die zahlenmäßig mit Abstand größte Gruppe der Ärzte und Ärztinnen bereits eine Regelung vorgesehen, welche unter bestimmten Voraussetzungen den Abschluss der Ausbildung in Deutschland ermöglichen wird“, kündigt Heil an. Die Regelung werde voraussichtlich noch in diesem Jahr in Kraft treten. „Eine entsprechende Möglichkeit wird ebenfalls für den Beruf Apotheker und Apothekerin geprüft“, erklärt Heil.

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