Die Freiheit auf engem Raum Auszeit in der Pandemie auf dem Wohnmobilplatz in Bonn

Bonn · Eine Auszeit in der Pandemie bietet der Wohnmobilplatz an der Bonner Rheinaue. Zahlreiche Camper stehen hier mit ihren Fahrzeugen und machen es sich auf ihren Campingstühlen und mit Kaffee vom Spiritus-Kocher gemütlich. Für Rauschen sorgen die Autos der nahen, vierspurigen Ludwig-Erhard-Allee.

 Olaf Wilke aus Siegburg und sein Hund Scotty verbringen seit drei Jahren die meiste Zeit im gelben, selbst ausgebauten Transporter.

Olaf Wilke aus Siegburg und sein Hund Scotty verbringen seit drei Jahren die meiste Zeit im gelben, selbst ausgebauten Transporter.

Foto: Sofia Grillo

An der Carlo-Schmidt-Straße rauschen nicht die Wellen des Meeres, sondern die Autos auf der vierspurigen Ludwig-Erhard-Allee. Statt eines Sandstrandes betritt man hier Asphalt. Und trotz dieser etwas eigenwilligen Urlaubsromantik halten genau hier einige Menschen inne und lassen für einige Tage die Seele baumeln. Am Wohnmobilplatz an der Bonner Rheinaue reiht sich Camper an Camper – und die meisten Nummernschilder verraten, dass sie in den Ostertagen gar nicht zur Durchreise hergekommen sind, sondern Abwechslung suchen.

Der Platz in der Sackgasse an der Ludwig-Erhard-Allee ist nicht mehr als ein Parkplatz, umringt von Bäumen. Ein Schild weist darauf hin, dass Autos hier nichts zu suchen haben. Die Plätze sind reserviert für Wohnmobile und ihre Bewohner. Rund zwölf Wagen parken während der Ostertage hier – und damit ist der Platz schon beinahe voll. Auf den Kennzeichen sind vor allem bekannte Kürzel zu finden: SU für den Rhein-Sieg-Kreis, AW für den Kreis Ahrweiler, das Bonner Kennzeichen BN und das K für Köln. Nur sehr wenige Wagen tragen die Kennzeichen fernerer deutscher Städte.

Auszeit inmitten der Kurzarbeit

Am frühen Vormittag scheinen viele der Bewohner noch zu schlafen: Die Türen der Wohnmobile sind noch zu, die Frontscheiben verdunkelt. Weiter hinten in der Reihe regt sich dann aber doch etwas. Ein Hund springt auf die Straße, sein Besitzer folgt und streichelt ihn. Tobi Rheinisch und sein Hund Attila kommen aus Sankt Augustin und sind nun für längere Zeit an die Bonner Rheinaue gekommen. Wann es wieder zurückgeht, weiß Rheinisch noch nicht. Er hat wegen Corona Kurzarbeit und deswegen jede Menge Zeit. Vor dem Grünstreifen neben seinem Campingwagen hat sich Rheinisch einen kleinen Tisch und einen Campingstuhl aufgebaut. Der erste Kaffee ist schon getrunken, nun ist es Zeit für eine Zigarette. Im Hintergrund rauschen die Autos vorbei. Urlaubsstimmung? „Es geht so“, gibt Rheinisch zu, der mit seiner Freundin hergekommen ist. Eigentlich hätten sie gerne den Campingplatz in Mehlem oder in Rolandswerth am Rhein angesteuert. Doch beide sind derzeit geschlossen.

Aber Abwechslung vom alltäglichen Leben in Sankt Augustin gibt es auch in der Carlo-Schmidt-Straße. „Wir hatten Lust, mal  rauszukommen“, sagt der Camper, der einen alten Transporter zum fahrenden Wohnraum umgebaut hat. In ihm verbringen Tobi Rheinisch, seine Freundin und Attila schon seit zwei Jahren ihre Auszeiten an Stellplätzen in der Region. Der Camper ist komplett autark: Gekocht wird mit Gas, Wasser gibt es aus einem eigenen Tank und Solarelemente auf dem Dach liefern den Strom. Anders ginge das Campen an der Rheinaue auch nicht: Einen Strom oder Wasseranschluss sowie sanitäre Anlagen gibt es hier nicht. Dafür müssen die Camper aber auch keine Gebühren zahlen, wenn sie hier stehen.

Kaffee auf dem Spiritus-Kocher

Inzwischen sind auch die Türen des knall-gelben Transporters neben dem von Rheinisch aufgegangen und Hund Attila begrüßt seinen Spielgefährten Scotty. Es ist der Hund von Olaf Wilke, der gerade erst aufgewacht ist und sich auf seinem Spiritus-Kocher einen Kaffee aufsetzt. Währenddessen erzählt er: „Es geht hier gar nicht um Urlaub. Das Leben im Camper ist mein Alltag.“ Seine große Wohnung in Siegburg bekommt Wilke nun schon seit drei Jahren nur noch selten zu Gesicht, stattdessen verbringt er seine Tage im selbst ausgebauten Transporter auf Stellplätzen in Bonn und der Region. Denn für Wilke ist das Leben in seinem gelben Transporter wesentlich freier als das in gemauerten Wänden. „Wohlfühlen ist nicht von der Größe des Wohnraumes abhängig“, sagt Wilke.

Er arbeitet in Poppelsdorf an der Universität Bonn und hat mit seiner Leidenschaft fürs Campen und dem Stellplatz an der Rheinaue auch kurzerhand seinen Arbeitsweg verkürzt. In seinem Transporter hat er alles, was er zum Leben braucht auf kleinstem Raum. Die Weite bekommt er, wenn er die Türen öffnet und dazu auch immer wieder Abwechslung – nicht nur örtlich, sondern auch sozial. Auf dem Wohnmobilplatz gibt es ein ständiges Kommen und Gehen und damit einen regen Austausch mit immer wechselnden Nachbarn. Nicht nur Attila und Scotty verstehen sich inzwischen gut, auch ihre Besitzer, die zwar beide aus benachbarten Städten kommen, sich aber hier auf dem Stellplatz erst kennengelernt haben. „Im Sommer“, weiß der geübte Camper Olaf Wilke, „wird es noch interessanter. Dann stehen hier täglich andere Durchreisende, die man kennenlernen kann.“

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