Auch Nahestende der „Nachtwölfe“ nahmen teil Ukrainer bei pro-russischem Autokorso in Bonn beschimpft

Bonn · Am Rande des pro-russischen Autokorsos durch Bonn wurden offenbar ukrainische Flüchtlinge beschimpft. Fraglich bleibt, wer die Organisatoren waren. Auch Nahestende des Rockerclubs „Nachtwölfe“ nahmen teil. Um eine Versammlung zu verbieten, gibt es hohe Hürden.

 Teilnehmer des Autokorsos legten am sowjetischen Ehrenmal in Duisdorf Blumen nieder.

Teilnehmer des Autokorsos legten am sowjetischen Ehrenmal in Duisdorf Blumen nieder.

Foto: Matthias Kehrein

Der pro-russische Autokorso, der am Sonntag durch Bonn rollte, hat für viel Kritik bei den Bonnern gesorgt. So stellten sich einige die Frage, ob man ihn wegen des Krieges in der Ukraine hätte verbieten können. Fraglich bleibt, wer die Köpfe hinter der Versammlung waren, die rund 400 Fahrzeuge und 500 Personen stark war. Einige Teilnehmer beschimpften ukrainische Flüchtlinge.

Das Bild ähnelte eher einem russischen WM-Sieg, als einer Demonstration. Mit schwenkenden Fahnen und Hupen fuhr der Autokorso am Bertha-von-Suttner-Platz vorbei. Insassen lehnten sich aus den Fahrzeugen, aus den Fenstern war russische Musik zu hören. Begleitet wurde das Schauspiel von mehr als 100 Polizisten aus Köln, Wuppertal, Düsseldorf und Bonn, die Unterstützung von einem Polizeihubschrauber bekamen. Angaben dazu, was ein solcher Einsatz den Steuerzahler kostet, konnte die Polizei nicht machen. Die Kosten dürften jedoch bei mehreren Zehntausend Euro liegen.

Facebook-Post machte auf Versammlung aufmerksam

Bis zuletzt wusste bei den zuständigen Behörden niemand, was genau sie erwartet. Ende der vergangenen Woche wurde der Polizei ein Facebook-Post gemeldet, aus dem sich Hinweise für ein Treffen in Köln ergaben. „Obwohl der Ersteller des Postings nicht ermittelt werden konnte und auch keine weiteren öffentlichen Aufrufe erfolgten, klärten Einsatzkräfte des Polizeipräsidiums Köln am Sonntagvormittag am beabsichtigten Sammelort in Köln-Eil auf“, sagt der Bonner Polizeisprecher Simon Rott. Dort trafen dann bis zum Mittag immer mehr Fahrzeuge aus ganz Deutschland ein.

„Die demonstrative Aktion wurde dann vor Ort von einer Privatperson bei der Kölner Polizei angezeigt.“ Da keine Hinweise auf die Begehung von Straftaten oder Beteiligung verbotener Organisationen vorgelegen hätten und die Versammlungsanmelderin die Teilnehmer aufforderte, auf das Zeigen des Z-Symbols zu verzichten, das für die russische Unterstützung im Ukraine-Krieg steht, bestanden laut Polizei keine rechtlichen Voraussetzungen, diese Versammlung zu verbieten. Als Thema wurde „Gemeinsam gegen den Krieg“ angemeldet. Aus den zunächst nur rund 100 Fahrzeugen wurden dann schließlich mehrere Hundert, die sich auf den Weg nach Duisdorf zum sowjetischen Ehrenmal machten. Auch weitere Kolonnen, von denen die Polizei offenbar nichts wusste, waren im Stadtgebiet unterwegs. So fuhren etwa 30 Autos zum russischen Generalkonsulat nach Bad Godesberg. Dort war die Polizei ebenfalls vor Ort.

Bei Ordnungswidrigkeiten schritt die Polizei nicht ein, beispielsweise dann, wenn sich Insassen fahnenschwenkend aus den Autos lehnten. „Kontrollen einzelner Fahrzeuge des Konvois hätten diesen gestoppt oder auseinandergerissen und dadurch die ohnehin vorhandenen Verkehrsbeeinträchtigungen noch weiter gesteigert“, erklärt Rott. Es handele sich um einen Verstoß gegen die Gurtpflicht, was mit einem Verwarngeld von 30 Euro geahndet werde.

Z-Symbole an Autos

Obwohl die Grundstimmung friedlich und vor allem beim Kranzniederlegen am sowjetischen Ehrenmal ruhig war, kam es zu Zwischenfällen. So wurde noch am Sammelort in Köln an einem Pkw das Z-Symbol festgestellt. „Der Fahrer wurde kontrolliert, das „Z“ entfernt und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet“, sagt Rott. Auch bei der Fahrt durch Bonn entdeckte ein Bürger das Z-Symbol und meldete das Kennzeichen der Polizei, die nun ermittelt.

Wer steckt hinter dem Korso?

Ungeklärt bleibt die Frage, wer hinter dem Autokorso steckt, der angesichts der Kennzeichen von langer Hand organisiert worden sein muss. Zum Fahrzeugverband gehörten auch rund 25 Motorräder, von denen vier Biker Kutten mit Zeichen eines Rockerclubs trugen, der nach GA-Informationen den „Nachtwölfen“ nahesteht. Diese Gruppierung gilt als nationalistisch, anti-westlich, christlich-orthodox und homophob. Die Polizei ermittelt in dieser Sache. Dass es nicht nur um eine Demo „gegen den Krieg“, sondern auch russische Propaganda handeln dürfte, war nicht nur an Fahnen und dem Z-Symbol zu erkennen. Eine GA-Leserin führte auf dem Friedhof in Duisdorf Gespräche mit den Teilnehmern und war über die russische Rechtfertigung des Kriegs in der Ukraine schockiert. Ein weiterer GA-Leser erlebte auch Beschimpfungen. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die vor einem Testcenter in der Südstadt warteten, wurden demnach von Teilnehmern des Autokorsos angegangen. Die Demonstranten hätten angehalten, Fahnen geschwenkt und die Ukrainer beleidigt. Ein Bonner meldete sich bei der Polizei, weil die Kolonne Verkehrsregeln und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet hätte.

Stamp „betroffen und beschämt“

Am Rande seines Besuches einer Zentralen Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge in Bad Godesberg äußerte sich Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) auch zum Autokorso. „Wir haben – auch aus unserer Vergangenheit heraus – ein sehr liberales und großzügiges Demonstrationsrecht, was eben leider auch jedem dann die Möglichkeit gibt, sich entsprechend zu äußern“, so der stellvertretende Ministerpräsident. Die Art und Weise des Korsos habe Stamp allerdings „sehr, sehr betroffen gemacht und beschämt“.

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