Bundesviertel in 160 Bildern Autor veröffentlicht Bildband zu Bonns neuer Mitte

Bonn · Winand Kerkhoff beschreibt in seinem aktuellen Buch die Architektur im Bundesviertel. Darin zeigt er, wie lebendig das Viertel ist.

 Autor Winand Kerkhoff besucht mit Lektorin Gerlinde Thalheim das Bundesbüdchen am Platz der Vereinten Nationen.

Autor Winand Kerkhoff besucht mit Lektorin Gerlinde Thalheim das Bundesbüdchen am Platz der Vereinten Nationen.

Foto: Stefan Hermes

„In der Zusammenarbeit mit Winand Kerkhoff (80) habe ich noch einmal angefangen, das Bundesviertel neu sehen zu lernen“, sagt Gerlinde Thalheim. Sie wünsche diese Erfahrung jedem Bonner, der nach dem Lesen und Betrachten des Buchs „Das Bundesviertel – Vom Weißen Haus am Rhein zu Bonns neuer Mitte“, die B9 entlang fahre und die Bebauung links und rechts der Bundesstraße mit anderen Augen wahrnehme.

Man gehe oft zielstrebig durch das ehemalige Regierungsviertel Bonns, ohne auf die herausragende Architektur zu achten oder von den mit den Bauten verbundenen Geschichten zu wissen, so die Kunsthistorikerin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Sie hat das Buch im Monumente-Verlag der Stiftung lektoriert. Während für die Denkmalschützerin Thalheim das gesamte Bundesviertel ein Gebietsdenkmal ist, sind die Bauwerke für den Autor Kerkhoff – unabhängig von ihrem Denkmalstatus – allesamt ein untersuchungswertes Zeichen ihrer Zeit. Er widerspricht übrigens denjenigen, die am liebsten eine Glocke über das Bundesviertel stülpen würden, um es als „Freilichtmuseum“ der deutschen Geschichte zu konservieren.

Kerkhoff befürwortet, beobachtet und beschreibt in dem 144-seitigen Bildband die Lebendigkeit, die in dem sich ständig verändernden Viertel vorhanden ist und sichtbar wird. Vieles von dem, was die Besonderheit des Bundesviertels heute ausmache, sei weniger geplant gewesen, als vielmehr einfach nur geschehen. „Man hat in Bonn keine hervorragende Architektur bauen wollen“, ist Kerkhoff überzeugt, „sondern sie ist einfach nur passiert.“ Die Bonner seien – was he­rausragende Architektur angehe – eher Verhinderer als Erneuerer. Das Bundesviertel sei zum großen Teil insbesondere von Investoren nach deren pragmatischen Gesichtspunkten gestaltet. So auch das Mitte der 1960er Jahre entstandene 18-stöckige Allianzhochhaus im Tulpenfeld. Den Entwurf zu dem heute nur wenig Beachtung findenden Bürokomplex lieferte Hanns Dustmann, ursprünglich Mitarbeiter von Walter Gropius und später einer der erfolgreichsten deutschen Nachkriegsarchitekten.

Ohne städtebauliches Gesamtkonzept entstand fernab vom Stadtzentrum eine Bürostadt „auf der grünen Wiese“. Das 41 500 Quadratmeter große Gärtnereigelände zwischen der damaligen „Kolonie Gronau“ und der „Landstraße“ nach Bad Godesberg gab dem Bürokomplex den Namen „Tulpenfeld“. Zwischen 1964 und 1969 entstanden dort zehn Gebäude, die ein sich nach innen öffnendes Karree mit nur zwei Zugängen umschließen. Sie sind keine Zufahrten, da es innerhalb des Geländes nur Wege und keine Straßen gibt. Autos bleiben draußen und werden in einer Tiefgarage geparkt. Ein nachahmenswertes Beispiel für ein autofreies Stadtquartier.

Und auch ein Beispiel dafür, sagt Kerkhoff, dass in Bonn richtungweisendes geschehe, ohne dass es einem Stadtentwicklungsplan folge. „Diese Freiheit hat aber auch viel Gutes mit sich gebracht“, so der Autor, der seit seinem Ruhestand als Regisseur und Filmproduzent bereits unzählige Führungen in und Vorträge über Bonn gehalten hat. Mit jedem Gebäude, das im Bundesviertel entstanden ist, ob es der „Lange Eugen“ oder der Post Tower ist, seien in Bonn gewollt oder ungewollt Akzente in der Stadt- und Flusslandschaft gesetzt worden. „Mich hat im Bundesviertel inte­ressiert, inwieweit ein Gebäude zum Zeitzeichen geworden ist, inwieweit es einen architektonischen Akzent setzen konnte“, so Kerkhoff.

Seine Sichtweise ist größtenteils durch die renommierten Architekturfotografen Florian Monheim und Hartmut Junker illustriert, deren teilweise spektakulären Perspektiven von Thalheim ausgewählt und in sehenswerter Weise zusammengestellt wurden.

„Für mich fängt Bonn immer bei den Römern an“, sagt Kerkhoff schmunzelnd. Und so lässt er seine Leser auch vom 41. Stockwerk des Post Towers den Blick über Bundesviertel und Stadt schweifen, um deren Geschichte mit der ersten Erwähnung des Ortsnamens „Bonna“ im Jahre elf vor Christus nicht außer Acht zu lassen. Aus dieser erhöhten Perspektive lässt sich jedoch vor allem auch sein Buchkonzept anschaulich erklären, in dem das naheliegende 1933 nach Plänen von Martin Witte erbaute spätere Bundeshaus das Herzstück des ehemaligen Regierungsviertels bildet.

Spiralförmig bewegt sich Kerkhoff in dem Buch um dieses parlamentarische Zentrum und kommt über die von dort nur „kurzen Wege“ zu den Amts- und Wohnsitzen von Bundespräsident und Bundeskanzler. In diesem Kreis finden sich auch noch die Abgeordnetenhäuser „Langer Eugen“ und Schürmannbau sowie das kürzlich wieder aufgestellte Bundesbüdchen, an dem sich einst bei einer Tasse Kaffee manch ein informelles Gespräch ergeben hatte. In einer sich immer weiter öffnenden Spirale folgen die Landesvertretungen, das Pressezentrum (Tulpenfeld), Post Tower und Campus sowie Kongresszentrum und Museumsmeile.

Das markanteste Merkmal der städtebaulichen Entwicklung im Bundesviertel sei der permanente Wandel, schließt Kerkhoff seine Ausführungen und lässt damit auch auf eine glückliche Zukunft des Bundesviertels hoffen. 

Winand Kerkhoff, „Bonn. Das Bundesviertel – Vom Weißen Haus am Rhein zu Bonns neuer Mitte“, 144 Seiten, 160 Abbildungen, Monumente Verlag, 40 Euro.

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