Ehrenamtliche kämpfen um Erhalt Wie geht es mit der Bonner Bahnhofsmission weiter?

Bonn · Die Nachricht erwischte die rund 30 ehrenamtlichen Helfer eiskalt: Caritas und Diakonie wollen die Bahnhofsmission am Bonner Hauptbahnhof schließen, der Bedarf sei zu niedrig. Unterstützung sagen die Träger und die Bahn den Ehrenamtlichen zu, nur die Form ist noch offen.

 Viele Menschen kommen in die Bonner Bahnhofsmission, weil sie die Ruhe und Abgeschiedenheit genießen. Für Fremde ist die Einrichtung häufig der erste Anlaufpunkt.

Viele Menschen kommen in die Bonner Bahnhofsmission, weil sie die Ruhe und Abgeschiedenheit genießen. Für Fremde ist die Einrichtung häufig der erste Anlaufpunkt.

Foto: Nicolas Ottersbach

Am Ende von Gleis 1 ist vom täglichen Bonner Bahnhofstrubel nicht mehr viel zu merken. Niemand hetzt zum nächsten Zug. Versteckt hinter abgestellten Baumaterialien und -zäunen, in direkter Nachbarschaft der Bundespolizei, liegen die wohl gastfreundlichsten 20 Quadratmeter der Bahnstation. "Hier ist jeder willkommen, egal welches Problem er hat, egal wo er herkommt", sagt Martin Winkler. Seit dreieinhalb Jahren arbeitet er ehrenamtlich für die Bahnhofsmission - und jetzt, im 120. Bestehensjahr, wollen Caritas und Diakonie die Einrichtung schließen.

Die Nachricht davon erwischte die Helfer "eiskalt", wie Winkler sagt: Anfang September bei einer kurzfristig einberufenen Teamsitzung. Einen Tag später erläuterten die beiden Träger die Gründe in einer Pressekonferenz. "Das ist eine Konsequenz, die dem aktuellen Bedarf entspricht und auch unseren Räumen geschuldet ist", sagte Jean-Pierre Schneider von der Caritas damals. Die Zahl der Menschen, die die Ehrenamtlichen ansprechen, habe sich in den vergangenen fünf Jahren halbiert - auf etwa 3000. Ein schmerzhafter Schritt, aber man müsse die "Mittel sinnvoll einsetzen".

Caritas und Diakonie teilen sich die Mittel

Die Mittel sind jährlich rund 40.000 Euro, die sich Caritas und Diakonie teilen. Miete müssen die Sozialverbände nicht zahlen, die Bahn stellt die Räume zur Verfügung. Ihre besten Tage haben die Zimmer hinter sich. Ein bisschen sieht es aus wie in einer Studenten-WG: Fünf verschiedene Arten Stühle stehen an den zwei kleinen Tischen und den hellgelben Wänden. Dort hängen Fotos des Bonner Bahnhofs, ein Stadtplan und verschiedene Infoaushänge. Dass hier alles auf christlicher Nächstenliebe fußt, zeigt nur das Jesuskreuz samt Palmzweig, das über dem Türsturz zur Küche hängt. Vor dem schmalen Fenster zur Innenstadt sind Gitter, das Fenster zum Gleis 1 ist geöffnet, um frische Luft hereinzulassen. Wer dort sitzt, sollte sich ohnehin darauf einstellen, dass es zieht - die Fenster sind nicht mehr ganz dicht.

"Wir decken mit unseren Ausgaben die laufenden Kosten", sagt Mechthild Greten von der Caritas. Eine Tasse Kaffee an kalten Tagen. Eine Fahrkarte, falls jemand, der mittellos ist, am Bahnhof strandet. Einen Wickelraum. Klopapier für die Behindertentoilette. Der größte Kostenpunkt ist allerdings die Teilzeitstelle des hauptamtlichen Mitarbeiters, der die Bahnhofsmission organisiert. Die Arbeitsschichten besetzen die etwa 30 Ehrenamtlichen, die im Gegensatz zu den Bahnmitarbeitern auch außerhalb des Bahnhofs tätig sein dürfen. Sie begleiten auch Menschen zum Bus. "Vor allem wenn man im Rollstuhl sitzt, ist man hier aufgeschmissen", sagt Winkler.

„Wenn die Bahnhofsmission schließt, wird Bonn kälter“

Angelika Woelker und Irene Bellinghausen machen das regelmäßig. Sie besetzen an diesem Dienstag die Mittagsschicht und sind etwas länger geblieben. Eigentlich wollten sie erzählen, warum ihnen die Bahnhofsmission so viel bedeutet. Doch daraus wird nichts. Die Stube ist rappelvoll.

Zwei Bonner, beide um die 40, sitzen schon seit Längerem dort, lesen bei selbst gebackenem Kuchen Zeitung. "Hier hast du deine Ruhe", erzählt einer von ihnen. Sie teilen eine Befürchtung: "Wenn die Bahnhofsmission schließt, wird Bonn kälter." Kurz darauf betritt eine Frau die Stube. Dicke Fleecejacke, einen Schal umgebunden, einen alten Seesack der Bundeswehr auf dem Rücken. Sie ist obdachlos und auf der Durchreise. "Ich kenne mich hier nicht aus, die Bahnhofsmission ist mein erster Anlaufpunkt", erzählt sie. Woelker bietet ihr einen Stuhl an. Sie kommen ins Gespräch. "Wir haben hier viele soziale Angebote rund um den Bahnhof", sagt Woelker.

„Es ist gut, dass wir so was haben“

Aber davon will die Frau nichts wissen. "Da sind immer nur die ganzen Junkies", wirft ein Bonner vom Tisch nebenan ein, der häufiger vorbeikommt. Die Frau ist sichtlich enttäuscht, dass die Bahnhofsmission geschlossen werden soll. "Ich habe Angst vor einem Dominoeffekt." Deutschlandweit gibt es etwas mehr als hundert Bahnhofsmissionen, bei vielen war sie schon. Sie seien kein Vergleich zu ähnlichen Einrichtungen in anderen Ländern. "Es ist gut, dass wir so was haben." Bevor sie geht, unterschreibt sie auf einer Petition zum Erhalt, die die Ehrenamtlichen ausgelegt haben.

"Wir sehen, wie viel Ehrgeiz und Energie die Helfer haben. Das wollen wir erhalten", sagt Greten von der Caritas. Deshalb sei man offen für Vorschläge, wie die Bahnhofsmission erhalten werden könne. "Es gibt nun mal Angebote, wo es mehr Bedarf gibt." Man sei bereit, die Einrichtung weiter zu unterstützen - das gleiche Signal kommt von der Bahn. "Aber in welcher Form, das können wir noch nicht sagen."

Denkbar wäre, die Einrichtung auf breitere Schultern zu stellen. Vor 15 Jahren gab es schon so einen Umbruch. Damals machte man eine mehrmonatige Pause. Danach wurde der hauptamtliche Mitarbeiter eingeführt.

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