Party in der Bad Godesberger Stadthalle Landwirte aus ganz Deutschland feiern beim Bauernschwoof

Bad Godesberg · Der Bauernschwoof der Agrar-Wissenschaftler ist die beliebteste Studentenparty Bonns. Warum kommen angehende Landwirte aus ganz Deutschland in die Stadthalle?

Bauernschwoof in Bonn: Studenten-Party in der Stadthalle Bad Godesberg
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So war der Winterschwoof in der Stadthalle Bad Godesberg

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Foto: Nicolas Ottersbach

Am Ende des Abends wird das Sixpack mit Energydrinks leer sein. „Ist immer so“, sagt Markus Weyer. Noch ist die Stadthalle in Godesberg leer – die Ruhe vor dem Schwoof. Weyer – Glatze, Strickjacke, rote Turnschuhe – steht auf der Bühne und schließt seinen Rechner und das Mischpult an. Seit 2015 legt er beim Bauernschwoof auf. Die Feier der Bonner Agrarwissenschaftler gilt als legendär, ist deutschlandweit bekannt und jedes Mal ausverkauft. Diesmal waren die Karten nach zwei Stunden weg. Die Studenten stehen dafür auf dem Campus in Endenich Schlange.

22.20 Uhr: Maite Kelly – Warum hast Du nicht nein gesagt?

Seit 20 Minuten sind die Türen geöffnet. Die riesige Tanzfläche ist leer. Nur vor den drei Getränkeständen stehen die Menschen, einzelne wippen. Für Markus Weyer ist die erste Stunde die schwierigste. Wie animiert er die Menge zum Feiern? Mit richtiger Musik, Ansagen und Alkohol. Der 41-Jährige spielt alles, was rockbar sei und Party mache. „Quer durch die Hütte“. Auch wenn er einige Songs nicht gut findet. Er sieht sich als Dienstleister. „Aber bei manchen Musikwünschen denke ich schon: gruselig.“ Eigentlich ist er Rock-Fan, Guns‚n’Roses, AC/DC, Metallica. Beim Bauernschwoof gehe alles gut, was auf Malle läuft – Mickie Krause, Ikke Hüftgold und wie sie alle heißen. Es ist seine Lieblingsparty. „Die Leute wollen abreißen.“

23.30 Uhr: Coldplay – Viva La Vida

Die Halle füllt sich. Während die einen feiern, sind die 25 Agrar-Fachschaftler anderweitig mit der Party beschäftigt. Draußen lassen die Gäste ihre Glasflaschen liegen, aus denen sie vortrinken. Sie bleiben nicht lange am Boden, eine Studentin sammelt sie regelmäßig ein. „Es muss hier ja nicht aussehen wie Sau, wir halten Ordnung“, sagt sie. Man will einen guten Eindruck hinterlassen, um auch künftig in der Stadthalle feiern zu dürfen. „Außerdem müssen wir dann morgen Früh weniger aufräumen.“

Die Party ist schon mehrmals umgezogen, immer in einen größeren Raum. Damals war der Bauernschwoof in der Poppelsdorfer Mensa, zuletzt im Brückenforum. Alles war zu klein, und auch die Stadthalle reicht nicht. „Wir waren innerhalb von zwei Stunden ausverkauft“, sagt Georgina Bustos (22) von der Fachschaft. Viele Karten werden schon reserviert, sobald der Termin auf Facebook veröffentlicht wird. „Wir kriegen sofort Nachrichten von Landjugenden, anderen Agrar-Fachschaften oder auch Junggesellenabschieden.“ Aus Soest und Göttingen sind regelmäßig Gäste da. Die weiteste Anreise hat diesmal eine Gruppe aus der Schweiz.

Von dieser Bekanntheit wollen auch große Unternehmen profitieren. Sie sponsern Getränke und Zigaretten, unterstützen mit Geld, um als Partner genannt zu werden. Die Fachschaft bekommt zudem die Eintrittsgelder. Davon bezahlen sie unter anderem die Saalmiete, Sicherheitsdienst, Brandschutz und Sanitäter. „Was wir verdienen, bekommen die Studenten wieder“, sagt Bustos. Von den Einnahmen würden beispielsweise die Ersti-Rallye finanziert und Exkursionen bezuschusst.

0.40 Uhr: Rednex – Cotton Eye Joe

Alle machen den Cowboy. Abwechselnd haken sie sich ein, drehen sich im Kreis. Und kommen sich dabei unvermeidlich in die Quere. Es wird gerempelt, Bier verschüttet, zugeprostet, weitergetanzt. Der Parkettboden klebt nicht mehr, er ist rutschig. Jetzt sind rund 2000 Besucher im Saal. Markus dreht auf, die Menge auch. Während im Erdgeschoss das Bier in Massen fließt, fließt im Keller die Spülung. In der Männertoilette herrscht Ausnahmezustand. Obwohl sich drei Herren ein Pissoir teilen und großzügig auf das Händewaschen verzichtet wird, ist die Schlange knapp 20 Meter lang. „Ist ’ne Katastrophe.“ Alle wollen so schnell wie möglich wieder nach oben. Für einige ist der Abend aber schon vorbei. Sie sitzen auf der Treppe, Kopf und Arme auf die Knie gestützt. Die 0,33-Liter-Flasche Bier  kostet 2,50 Euro. Das hat seinen Preis. 

 Erika Grabenmei (78) nutzt eine ruhige Minute in der Garderobe als Pause. „Die Jacken sind ganz schön schwer.“

Erika Grabenmei (78) nutzt eine ruhige Minute in der Garderobe als Pause. „Die Jacken sind ganz schön schwer.“

Foto: Nicolas Ottersbach

1.40 Uhr: Village People – YMCA

Die Leute vom Dorf sind unter sich. In der Fotoecke halten sie Schilder wie „Morgens Gülle, abends knülle“ oder „Liebe vergeht, Hektar besteht“. Johannes Rolink (23) hat einen Trecker als Sperrbildschirm auf dem Handy. „Ein John Deere 61/90 R.“ Mit seinem Kumpel Moritz und einem weiteren Freund hat er schon die Ausbildung zum Landwirt gemacht. Dann sind die drei zum Studieren nach Bonn gegangen und in eine WG in Beuel gezogen.

 Während die ersten nicht mehr können, macht sich der Rest gegen 1 Uhr frisch, um bis 5 Uhr weiterzufeiern.

Während die ersten nicht mehr können, macht sich der Rest gegen 1 Uhr frisch, um bis 5 Uhr weiterzufeiern.

Foto: Nicolas Ottersbach

So wurden sie zu den Boilers. Johannes verteilt Aufkleber mit dem Logo. Das haben sie auch auf Mützen drucken lassen: 75 Stück. Davon hätten sie so gut wie alle verkauft. Ein paar Agrarler aus Göttingen hätten mittlerweile ihr eigenes Mode-Label: „Bauerkind“. Ein Pulli kostet 65 Euro. Das wäre auch nicht schlecht, findet Johannes. Jetzt klärt sich, was es mit dem Hektar-Hemd auf sich hat. „Je mehr Karos das Hemd hat, desto mehr Hektar hat der Hof.“ Und je später der Abend, desto fleckiger die Oberteile.

2.30 Uhr: Culcha Candela – Hamma

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht gibt es ja doch noch eine Möglichkeit, auf den Schwoof zu kommen. Sicherheitsmann Günni bleibt eisern, weist jeden ab, der keine Karte hat. Er bekommt den Funkspruch eines Kollegen, dass zwei Männer aneinandergeraten seien. Die Truppe hat die Situation aber unter Kontrolle. „Generell ist die Stimmung aggressiver geworden“, erzählt er. Ein junger, schlaksiger Student torkelt zu Günni und baut sich auf. „Gibt’s Ärger? Ich will mitmischen!“. Günni lächelt. „Du mischst hier gar nichts.“ Günni gibt ihm eine Zigarette und Feuer. Situation beruhigt. Seine Kollegen filzen derweil jeden Gast. „Acht Gramm Gras haben wir letztes Mal den Leuten abgenommen, damit kommt man hier nicht rein.“ Aber: „Mir sind die Kiffer lieber als die Besoffenen. Die sind entspannter.“

3 Uhr: Pur – Party Hitmix

Plötzlich tanzt der halbe Saal Discofox. Die Texte der Schlager und Mallorcahits kann jeder mitsingen. „Mutteroberin“ Edeltraud Bahles in der Gaderobe auch, mehr als die Bässe kommen bei ihr aber nicht an. Für die 70-Jährige, die seit neun Jahren in der Stadthalle arbeitet, ist der Bauernschwoof eine Party wie jede andere. Sie muss den Überblick über mehr als Tausend Kleidungsstücke behalten. „Wenn es stressig wird, musst du die Ruhe bewahren. Und Humor haben, dann regt sich niemand auf.“ Meist seien die Menschen aber ohnehin höflich. So wie beim Discofox.

3.30 Uhr: Finch Asozial – Abfahrt

„Das ist die beste Party Bonns. Die ist legendär. Deshalb bin ich hier“, sagt Timo Neuhaus. Der Jurastudent hat seine Freunde im Getümmel verloren. Ob er sie wiederfindet, weiß er nicht. Zur Not lerne man aber auch genügend andere kennen. Die Agrarler nennen das „connecten“. Ehemalige und aktuelle Studenten kommen zusammen, vor allem aus ihrer Fachrichtung. Daniel, der seinen Nachnamen lieber nicht nennen will, ist in die freie Wirtschaft gegangen und gibt den anderen Tipps. Die Auswahl nach dem Studium sei begrenzt. „Uni war mir zu langweilig, einen eigenen Hof habe ich nicht. Und wenn du keinen Hof hast, kannst du dich nur einheiraten.“

4.55 Uhr: Axis of Awesome – 4 Chords

Markus spielt seinen immer gleichen Rausschmeißer. Die Minuten davor waren ruhig. Die Masse, oder das, was von ihr noch übrig ist, liegt sich bei Schmusesongs in den Armen. Wer jetzt nach Hause will, muss sich keine Gedanken über die Bahnen machen. Die Fachschaft hat Shuttlebusse in die Innenstadt organisiert. Nur einer fährt auf jeden Fall alleine: Markus. Nach Heinsberg, aufs Land.

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