Machtkampf an der Uniklinik Bonn Befangenheits-Vorwürfe gegen Uni-Rektor Hoch

Bonn · Ein weiteres Aufsichtsratsmitglied wirft dem Vorstandsvorsitzenden Einmischungen in Personalfragen vor. Das Ministerium moniert eine Befangenheit von Uni-Rektor Hoch bei der Wahl Dzwonneks zur Kaufmännischen Direktorin.

 Symbolfoto.

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Foto: Benjamin Westhoff

Die Differenzen zwischen Teilen des Aufsichtsrats und dem Vorstandsvorsitzenden und Ärztlichen Direktor des Bonner Uniklinikums, Wolfgang Holzgreve, bestehen offenbar schon seit Jahren. Der Machtkampf um die Neubesetzung der Kaufmännischen Direktion durch die ehemalige Generalsekretärin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Dorothee Dzwonnek scheint nur ihr vorläufiger Höhepunkt. Wie berichtet, warf ein Mitglied des nicht öffentlich tagenden Aufsichtsrats Holzgreve in diesem Zusammenhang vor, sich in die innersten Angelegenheiten des Kontrollgremiums einzumischen.

Aufsichtsratsmitglied: "Dieses Verhalten ist indiskutabel"

Dem GA liegt eine Mail Holzgreves an ein Aufsichtsratsmitglied vor, in der er vor der "KD-Wahl" (damit ist wohl Kaufmännische DirektorenWahl gemeint, Anm. der Red.) um ein Telefonat bittet. Das Mitglied lehnte mit dem Verweis ab, es könne in seiner Position nicht mit einem Vorstandsmitglied über Personalfragen reden und schickte die Antwort zugleich an alle Aufsichtsratsmitglieder. Ein zweites langjähriges Aufsichtsratsmitglied, das Dzwonnek am 22. Februar seine Stimme gab, äußerte nun, dass Holzgreve schon in den Jahren zuvor wiederholt versucht habe, außerhalb von offiziellen Anhörungen Druck auf Aufsichtsratsmitglieder im Vorfeld von Entscheidungen auszuüben, um seine Personalvorstellungen durchzusetzen.

"Dieses Verhalten ist indiskutabel", sagte das Aufsichtsratsmitglied. Es sei auch ein Grund gewesen, Holzgreve mit Dzwonnek "eine Kaufmännische Direktorin auf Augenhöhe" an die Seite stellen zu wollen. Ein Aufsichtsratsmitglied aus vergangenen Tagen beschreibt den Vorstandsvorsitzenden als "eigenwillig", er beharre stets auf seinen Entscheidungen. Der Aufsichtsrat habe ihn mehrfach mündlich darauf hingewiesen, er möge nicht in dessen Eigenständigkeit eingreifen.

Holzgreve selbst hatte gegenüber dem GA erklärt, er werde nichts zu internen Angelegenheiten sagen. Er ließ sich allerdings mit den Worten zitieren: "Die Wahl von Vorstandsmitgliedern ist die Aufgabe des Aufsichtsrates und nicht des Vorstands." Bei diesen Aussagen bleibt er.

Die 62 Jahre alte Dzwonnek, die als Staatssekretärin, als Kanzlerin der Universität Dortmund und für das Forschungszentrum Jülich arbeitete, sollte nach ihrer Wahl am 22. Februar dieses Jahres zum 1. April als Kaufmännische Direktorin auf dem Venusberg anfangen.

Drei Wochen nach der Wahl ließ das NRW-Wissenschaftsministerium den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Hugo Van Aken wissen, dass eine rechtsaufsichtliche Prüfung laufe. So geht es aus einem vom Aufsichtsrat beauftragten Rechtsgutachten hervor, das der GA kennt. Den Juristen beauftragte der Aufsichtsrat, nachdem das Ministerium Anfang Mai mitteilte, es halte die Wahl von Dzwonnek für rechtswidrig.

Der Rechtsanwalt nahm Akteneinsicht. Nach seinen Ausführungen war es Holzgreve, der dem Ministerium in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender in mehr als nur einer Mail nahelegte, die Bestellung Dzwonneks zu prüfen, weil sie "spontane Empörung" in den Klinikdirektoraten ausgelöst habe. Ansatzpunkte lieferte Holzgreve direkt mit. Das Ministerium monierte letztlich: Es bestünden Zweifel an der Eignung Dzwonneks, weil sie keine Erfahrung in der operativen Führung einer Klinik aufweisen könne. Außerdem hätten Uni-Rektor Michael Hoch und Uni-Kanzler Holger Gottschalk an ihrer Bestellung nicht teilnehmen dürfen. Düsseldorf sieht darin einen Verstoß gegen das Verwaltungsverfahrensgesetz wegen einer möglichen Befangenheit: Dzwonnek sitzt im Hochschulrat der Bonner Universität.

Der vom Aufsichtsrat beauftragte Gutachter kommt zu anderen Ergebnissen. Die Bestellung der Kaufmännischen Direktorin sei rechtskonform. Aus dem Ausschreibungstext für die gut dotierte Stelle gehe hervor, dass der Posten mit jemandem besetzt werden soll, der entweder eine mehrjährige Krankenhauserfahrung mitbringt oder in anderen Forschungsorganisationen des Gesundheitswesens. Die Befangenheit von Hoch und Gottschalk sieht der Anwalt nicht. Dzwonnek sei schließlich nur einfaches Mitglied im Hochschulrat gewesen.

Zwei Ministeriumsmitarbeiter im Kontrollgremium

Zudem wundert sich der Jurist, dass keiner der Aufsichtsräte je den Verdacht einer Befangenheit geäußert habe. Um diesen Hinweis einordnen zu können, muss man wissen: Mit Gregor Jorasch und Brigitte Lohaus sitzen zwei hohe Beamte aus Wissenschafts- und Finanzministerium in dem Gremium. Uni-Rektor Hoch äußerte sich mit Verweis auf interne Angelegenheiten nicht zum Befangenheitsvorwurf. Auch zur Rolle von Helmut Rubin, dem Ehemann Dzwonneks, äußert sich der Gutachter. Als Aufsichtsratsmitglied des UKB habe er sein Amt ruhen lassen, nachdem der vom Gremium beauftragte Unternehmensberater für die Stellenbesetzung Dzwonnek angesprochen und sie Interesse bekundet hatte. Der Gutachter sieht darin ebenso wenig einen Verstoß gegen Verhaltensregeln wie das Ministerium.

Dass Holzgreve die Rechtsaufsicht einschaltete, ist grundsätzlich ein legitimer Schritt. Dass er den Aufsichtsrat über sein Vorgehen im Unklaren ließ, wohl eher eine Stilfrage. Das Wissenschaftsministerium, das sich in der Sache viel Zeit lässt, auf Fragen des GA zu antworten, teilte dazu mit: "Anlass dazu können Informationen sein, die das Ministerium durch eigene Kenntnisse oder durch Mitteilungen Dritter gewinnt."

Holzgreve dürfte schon während des Findungsprozesses klar geworden sein, was der Aufsichtsrat vorhat. Dzwonnek, die erst auf Anregung des Kontrollgremiums von einer Unternehmensberatung angesprochen wurde, kennt er nicht nur von der einmal im Jahr stattfindenden Wissenschaftskarnevalssitzung im Haus der Springmaus. Ihre Berufswege kreuzten sich immer wieder. Schließlich führte sie als DFG-Generalsekretärin die mit Abstand größte Forschungsfördereinrichtung des Bundes.

Es ist übrigens nicht so, als hätte Holzgreve, unter dessen Führung der defizitäre Betrieb wieder in die Gewinnzone kam, den ganzen Aufsichtsrat gegen sich. Über eine Rüge, gar eine Abmahnung gegen ihn ob des Vorwurfs der Einmischung diskutierte das interne Gremium zwar nach Kenntnis des GA. Die Mehrheit konnte sich zu einem solchen Schritt nicht durchringen. Für einen gewissen Rückhalt spricht auch, dass es Unterstützer für den Kandidaten gab, den Holzgreve Dzwonnek vorgezogen hätte. Nur für eine Mehrheit des Angestellten aus dem eigenen Haus hatte es eben nicht gereicht.

Der vom Aufsichtsrat beauftragte Headhunter kam in seiner Bewertung übrigens zu dem Ergebnis, dass der Mann zwar durchaus geeignet sei, Dzwonnek aufgrund ihrer langjährigen Führungserfahrung großer Abteilungen aber die bessere Wahl sei.

Eine ganze Reihe von Klinikleitern hat nach Kenntnis des GA einen Brief an Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen geschrieben. Sie seien überzeugt, dass auf den zur Uniklinik Köln gewechselten Damian Grüttner (Jahresgrundgehalt am UKB ohne Boni rund 255 000 Euro) eine Persönlichkeit mit kaufmännischer Qualifikation und Vorerfahrung in der wirtschaftlichen Steuerung eines Uniklinikums folgen müsse. Damit sprechen sie sich zwischen den Zeilen gegen Dzwonnek aus.

Dzwonnek will eine Ehrenerklärung

Dem Vernehmen nach wird die Juristin den Posten nicht mehr übernehmen, will aber eine Entschädigung und eine Ehrenerklärung erwirken. Der Aufsichtsrat hat eine Kanzlei angewiesen, eine gütliche Einigung auszuhandeln. Das UKB dürfte das einen sechsstelligen Betrag kosten. Erst anschließend will man sich der Nachbesetzung widmen, heißt es aus dem Aufsichtsrat. Bisweilen hat Thorsten Sterl aus den eigenen Reihen kommissarisch den Posten übernommen.

Im Laufe des nächsten Jahres hat der Aufsichtsrat nicht nur über die Neubestellung der Kaufmännischen Direktion nachzudenken, sondern auch über den Posten des Vorstandsvorsitzenden. Holzgreve hat seine Arbeit am UKB 2012 aufgenommen und ist als Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor einmal wiederbestellt worden. Sein aktueller Vertrag läuft bis Ende 2021. Ob der 64-Jährige weitermachen möchte, ist ebenso wenig bekannt wie die Haltung des Aufsichtsrats für den Fall, dass er es noch einmal wissen will.

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