Mobbing am Arbeitsplatz Behinderter fühlt sich von Kollegen gemobbt

Bonn · Der 21-jährige Enes ist schwerbehindert. 22 Monate arbeitete es als Straßenfeger bei Bonnorange. Die Kollegen sollen ihn gemobbt haben. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe.

 Beydullah Ilmaz hofft auf eine Arbeit für seinen geistig behinderten Sohn Enes (links).

Beydullah Ilmaz hofft auf eine Arbeit für seinen geistig behinderten Sohn Enes (links).

Foto: Martin Wein

Beydullah Ilmaz war heilfroh, als er für seinen Sohn Enes eine Stelle als Straßenfeger bei Bonnorange ergattern konnte. Enes ist mit einem Grad von 80 Prozent schwerbehindert, bei der Geburt hatte er zu wenig Sauerstoff bekommen. Doch die einst glückliche Situation soll sich nun zum Mobbingproblem entwickelt haben. Bonnorange bestreitet allerdings die Vorwürfe.

In der Schule schaffte Enes immerhin den Förderabschluss. Aber von einer Ausbildung riet das Arbeitsamt ab. Stattdessen besuchte er den Berufsvorbereitungskurs der Tüv-Rheinland-Akademie. „Er ist in allem etwas langsamer als andere“, sagt sein Vater über den muskulösen 21-Jährigen, „aber arbeiten kann er trotzdem.“ Enes heißt im Türkischen Wohlwollen.

Jetzt, 22 Monate nachdem Enes bei Bonnorange angefangen hat, erheben Vater und Sohn schwere Vorwürfe gegen das kommunale Unternehmen. Wiederholt sei der geistig Behinderte von Kollegen gemobbt worden. In der ersten Kolonne, der er zugeteilt worden sei, sei seine Arbeitsleistung moniert worden. Er arbeite „wie eine Frau“. Das müsse schneller gehen.

Im Team isoliert

Nach einem Monat bat der junge Mann nach eigenen Angaben um eine Versetzung. Doch besser wurde es nicht. Der Fahrer des neuen Wagens habe sich ausländerfeindlich geäußert. Alle Muslime seien Terroristen und die Moscheen gehörten gesprengt, soll er gesagt haben. Und einer wie Enes habe hier sowieso nichts zu suchen.

Wehren kann sich Enes schlecht. „Aber man kann sich das doch nicht immer nur anhören“, sagt er. „Das ist doch unwürdig.“ Er kündigte im Affekt. Nur dank guter Fürsprache seines Vaters sei in einem Gespräch die Kündigung annulliert worden. Enes kam in eine dritte Kolonne. „Da war ich völlig isoliert. Keiner hat mehr mit mir gesprochen“, sagt er. In den Pausen sei er nur noch im Fahrzeug sitzen geblieben. Immerhin habe man ihn in Ruhe gelassen.

Doch vor zwei Wochen dann eine neue Versetzung. Und wieder habe es Beschimpfungen gegeben, diesmal von einem osteuropäischen Kollegen. Als der Vater daraufhin mit dem Betriebsrat sprach, wurde ihm eröffnet, der Vertrag seines Sohnes laufe ohnehin Ende September aus. Eine Verlängerung gebe es nicht.

Vater kritisiert fehlende Sensibilität

Bonnorange weist jede Schuld von sich. Auf Enes Ilmaz' Einschränkungen sei „jederzeit Rücksicht genommen“, ihm seien deshalb „leidensgerechte Arbeiten“ zugewiesen worden. Die Mobbing-Vorwürfe gegen das Mitarbeiter des Unternehmens werden kategorisch bestritten: „Etwaige Anfeindungen jedweder Art hätten wir bei Kenntnis umgehend arbeitsrechtlich geahndet und abgestellt“, erklärt das Unternehmen.

Bonnorange dreht in seiner Stellungnahme den Spieß sogar um: „Im Fall von Herrn Ilmaz führen verhaltensbedingte Gründe dazu, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht kommt.“ Gleichzeitig wird ein „wohlwollendes Endzeugnis“ in Aussicht gestellt. Zudem betont das Unternehmen sein Bekenntnis zur Beschäftigung Schwerbehinderter. Die gesetzliche Beschäftigungspflicht von fünf Prozent Schwerbehinderten in der Belegschaft werde seit Jahren übererfüllt.

Vater Beydullah Ilmaz findet diese Aussagen haarsträubend. Er selbst sei bei mehreren Terminen mit der Personalabteilung dabei gewesen, in denen die Mobbing-Vorwürfe besprochen worden seien. Es gebe auch andere Zeugen, die aber lieber nichts sagen würden. Er findet, dass gerade Bonnorange als kommunaler Betrieb eine besondere Verantwortung für seine Beschäftigten habe. Es habe durchaus Tätigkeiten etwa im Spät- oder Innendienst gegeben, bei denen Enes auch alleine hätte arbeiten können, um Konflikte mit Kollegen zu vermeiden. „Vielleicht setzt im Unternehmen doch noch ein Umdenken ein“, sagt Beydullah Ilmaz. Er hofft, dass der Oberbürgermeister vermitteln wird. Auf seinen Sohn ist der 47-Jährige jedenfalls richtig stolz.

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