Verurteilung aufgehoben Bei Drogendeal führte Polizei Regie

BONN/KARLSRUHE · Als Mitglieder einer Drogenbande waren ein heute 39-jähriger Gastwirt aus Bonn und sein 48-jähriger Bekannter im April 2012 vor dem Bonner Landgericht gelandet. Laut Anklage wollten die wegen Drogenhandels vorbestraften Männer einen weltweiten Handel mit synthetischen Drogen aufziehen. Jetzt hob der BGH das alte Urteil auf.

 Seit Mittwoch gelten die Verurteilten als unschuldige Opfer von Polizeigewalt

Seit Mittwoch gelten die Verurteilten als unschuldige Opfer von Polizeigewalt

Foto: Symbolfoto: dpa

2013 waren sie zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden, doch seit Mittwoch gelten sie als unschuldige Opfer von Polizeigewalt: Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil auf und stellte das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses ein. Grund: Die Männer seien von verdeckten Ermittlern rechtsstaatswidrig zur Tat provoziert worden.

Wie der BGH mitteilt, war der Hintergrund für die Ermittlungen gegen die beiden dem Bonner Urteil zufolge der "vage Tatverdacht", die Männer könnten in Geldwäsche- und Betäubungsmittelstraftaten verstrickt sein. Nachdem langfristige und umfangreiche Überwachungsmaßnahmen den Verdacht nicht bestätigt hatten, setzte die Polizei verdeckte Ermittler aus Bonn und den Niederlanden ein, die monatelang versuchten, die Beschuldigten dazuzubringen, ihnen große Mengen "Ecstasy"-Pillen aus den Niederlanden zu besorgen.

Doch laut Urteil der 1. Großen Bonner Strafkammer weigerten sich die zwei. Erst als einer der verdeckten Ermittler drohend auftrat und ein anderer wahrheitswidrig behauptete, wenn er seinen Hinterleuten das Rauschgift nicht besorge, werde seine Familie mit dem Tod bedroht, halfen die beiden Beschuldigten in zwei Fällen ohne jedes Entgelt bei der Beschaffung und Einfuhr von Ecstasy.

Wie der BGH nun mitteilte, traf das Bonner Gericht diese Feststellungen allein auf der Grundlage der Erklärungen der Angeklagten, weil die Polizei nicht bereit war, die verdeckten Ermittler offen als Zeugen vernehmen zu lassen. Die Provokation durch die Ermittler wertete das Bonner Gericht als strafmildernd. Denn nach bisheriger Rechtsprechung von BGH und Bundesverfassungsgericht reichte es in Fällen einer solchen Tatprovokation durch die Polizei zur Kompensation aus, wenn die Strafe für den Angeklagten gemildert wurde. Doch auf Revision der Angeklagten fällte der BGH am Mittwoch ein wegweisendes Urteil - auf der Grundlage einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).

Der entschied im Oktober 2014, eine Strafmilderung reiche nicht aus, um die Menschenrechtsverletzung zu kompensieren, die darin liege, dass "ein unschuldiger, unverdächtiger Mensch zum Werkzeug der Kriminalpolitik" gemacht werde, indem staatliche Behörden selbst ihn anstiften, eine Straftat zu begehen, um die dann zur Abschreckung anderer bestrafen zu können. Der Bonner Anwalt Michael Hakner, der den 39-jährigen Gastwirt zusammen mit Kölner Kollegen vor dem BGH vertrat, erklärte auf GA-Anfrage: "Das Verfahren wird in die Rechtsgeschichte Deutschlands Einzug halten." Sein Mandant freue sich zwar über die richtungsweisende Entscheidung, "dennoch hat er seine gesamte Existenz verloren". Der Vorsitzende des 2. Strafsenats, Thomas Fischer, habe ihm geraten, für Schadensersatzansprüche vor das Bonner Landgericht zu ziehen.

Rechtslage

Ein verdeckter Ermittler ist ein Beamter einer Strafverfolgungsbehörde, der unter falscher Identität auftreten und ermitteln darf. Die gesetzliche Grundlage für den Einsatz von verdeckten Ermittlern ergibt sich aus dem Paragrafen 110a ff der Strafprozessordnung sowie den "Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder".

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