Hitlerbart, Vandalismus und Drohungen Mehrere Wahlplakate in Bonn teils massiv beschädigt

Bonn · Viele Europawahl-Plakate im Bonner Stadtgebiet sind beschädigt. Dennoch wollen die Parteien nicht auf sie verzichten. Den CDU-Kandidaten Axel Voss trifft es besonders hart.

Axel Voss trifft es besonders hart. Fast alle großen Plakate des CDU-Kandidaten zur Europawahl sind beschmiert. Als Verfechter der Urheberrechtsreform hat der Bonner viel Hass auf sich gezogen – der Hitlerbart auf der Stellwand am Kaiser-Karl-Ring zählt noch zu den harmlosen Auswüchsen, es gab sogar Drohungen. Obwohl es immer wieder Vandalismus gibt: Nicht nur die Christdemokraten halten an althergebrachten Wahlplakaten fest. Die sozialen Medien als Werbeplattform werden zwar wichtiger, „aber mit unterschiedlichen Medien erreichen wir unterschiedliche Ziele“, sagt Gabriel Kunze, Vorsitzender der Bonner SPD. Auch Politikwissenschaftler raten dazu, weiterhin auf Plakate zu setzen.

Für Kunze beginnt der Wahlkampf erst richtig, wenn die Plakate aufgestellt werden. „Wir merken, dass der Bürger dadurch die Wahlen überhaupt wahrnimmt“, erzählt er. Die Parteien hätten die Möglichkeit, breit auf Themen und die Kandidaten hinzuweisen. Plakate böten aber auch eine Angriffsfläche für politische Gegner: „Probleme mit Vandalismus haben wir immer wieder, aber daran kann man nichts ändern.“ Die Sozialdemokraten haben immer Plakate in Reserve, um beschädigte schnell austauschen zu können.

Manche Aktionen sorgen auch unter den Parteien für Unmut – aktuelles Beispiel ist wieder Axel Voss. Unter dessen Porträts haben Jusos den Spruch plakatiert: „Ich habe das Internet kaputt gemacht, ohne etwas davon zu verstehen!“ Während Kunze es gut findet, dass die Jugendorganisation sich aktiv einbringt („die können ruhig mal was Freches machen“), ist Christos Katzidis verärgert. Der Bonner CDU-Parteichef nennt den Spruch „unterirdisch. So was gehört sich einfach nicht.“

Besonders Voss ist Zielscheibe für Aggressionen

Ist das ein Beleg dafür, dass Wahlplakate die Debatte anregen? Tilman Mayer, Professor am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Uni Bonn, hat den Wert von Wahlplakaten untersucht. „Auch als altmodisches Instrument sind sie bedeutsam und fast zwingend für den politischen Wettbewerb“, sagt er. Aber nicht, um Gegner zu überzeugen. „Sondern um für die eigenen Leute auf der Straße präsent zu sein.“ Wäre das nicht der Fall, würde das bei der Anhängerschaft für Irritationen sorgen. „Das käme der Aussage gleich, man traue sich nicht auf die Straße.“

Was Mayer in diesem Wahlkampf besonders auffällt: Voss sei auf seinen Plakaten „überdimensionalisiert“. Das könne provozierend wirken. „Zudem ist er gerade in jüngeren Kreisen wegen seiner politischen Äußerungen umstritten.“ Beides mache ihn zu einer Zielscheibe für Aggressionen.

Um dem zu entgehen, packt die Alternative für Deutschland ihre Plakate erst eine Woche vor der Wahl aus. „In der Vergangenheit konnten wir nur etwa 20 Prozent unsere Wahlplakate einsammeln, der Rest wurde bis zur Unkenntlichkeit beschädigt oder abgehängt“, sagt Sascha Ulbrich. Er hält die Werbung in sozialen Medien für sehr wichtig. Aus ökologischen Gründen würde er sich wünschen, dass die Parteien weniger Plakate aufhängen. „Aber die Bürger wollen nun mal das Gegenteil.“

FDP will Richtlinien verschärfen

In der Gestaltung der Plakate sind die Parteien frei, solange sie nicht gegen das Gesetz verstoßen. Alles andere hat der Bonner Stadtrat in einem Beschluss geregelt. Demnach ist Wahlplakatierung drei Monate vor bis zwei Wochen nach der Wahl erlaubt. Wer sich nicht daran hält, muss „damit rechnen, dass die Stadt die Plakate auf Kosten der Parteien entfernt“, erklärt Markus Schmitz vom Presseamt. Das sei jedoch noch nie vorgekommen, bisher habe ein Hinweis an die Parteien immer ausgereicht.

Die müssen zudem vorab anmelden, wo sie ihre Wahlwerbung aufhängen. Einige Orte sind tabu, etwa dort, wo der Verkehr „in gefährdender oder erschwerender Weise abgelenkt oder belästigt wird“. Zum Beispiel dann, wenn Verkehrszeichen verdeckt werden.

Ilja Bergen von der Partei Die Linke lässt Plakate dort aufhängen, wo sie gut sichtbar sind und „die Leute Zeit haben, sie anzusehen“. Er findet die Richtlinien „sehr liberal“. Die Bonner FDP würde sie gerne verschärfen: Wahlplakate sollen erst sechs Wochen vor der Wahl aufgehängt werden dürfen. „Wir glauben, dass sich viele Menschen genervt fühlen“, sagt Florian Even. Die Plakatkosten jeder Partei belaufen sich auf mehrere Tausend Euro – viel Geld für die lokalen Verbände, wie Grünen-Wahlkampfmanager Kay-Wilhelm Mähler erklärt. „Das ist aber gut investiert, weil wir damit unsere Botschaften im Stadtbild verankern.“ Die Kosten für die thematischen Plakate übernehme die Bundespartei, für die personenbezogenen kämen die Ortsverbände auf.

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