Prozess vor Bonner Landgericht Beuelerin fühlte sich von Spiegelschrank beobachtet

Bonn · Sie fühlte sich beobachtet. Von einem Spiegelschrank. Also warf sie ihn kurzerhand aus dem Fenster - einem jungen Paar direkt vors Auto. Ein Wimpernschlag später – und es hätte auch tödlich enden können.

Wochenlang hatte sich eine 40-Jährige in ihrer Beueler Wohnung verschanzt. Sie glaubte, ihren Wohnungsschlüssel verloren zu haben, und versuchte – so hatte sie es im Prozess vor dem Bonner Landgericht erzählt –, den Hausmeister zu erreichen, damit er sie befreie. Sie schrieb Tag für Tag mit einem fetten Filzstift Hilferufe an die Wände ihrer Wohnung, an Türen und auch auf Fliesen. Meist auf Arabisch. Letztlich befreite sie sich selbst aus ihrem Gefängnis – mit einem seltsamen Gewaltakt.

Am 22. Juni 2018 nahm sie einen Spiegelschrank, der sie angeblich beobachtete, aus dem Badezimmer und warf ihn auf die Sankt-Augustiner-Straße. Einem jungen Paar flog das Möbelstück direkt vors Auto. Ein Wimpernschlag später – und es hätte auch tödlich enden können. So blieb der Schock.

Gericht: Unterbringung in Klinik auf Bewährung

Das Bonner Landgericht hat jetzt die Unterbringung der 40-Jährigen in einer psychiatrischen Klinik angeordnet. Allerdings – und das ist eine ungewöhnliche Entscheidung – zur Bewährung. Die 3. Große Strafkammer ist sich sicher, dass die endgütige Einweisung der ehemaligen Reiseleiterin, die seit zehn Jahren an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt ist, durch ein „milderes Mittel“ zu verhindern sei: mit Hilfe von regelmäßigen Depotspritzen und betreutem Wohnen. Dass die 40-Jährige mit Medikamenten „normal tickt“, davon konnte sich die Kammer einen klaren Eindruck machen. „Ganz ruhig und friedlich“ hatte sie auf der Anklagebank von ihrem wahnhaften Ausflug erzählt. Und auch die Gründe dafür genannt.

Denn zu dem erneuten Psychoseschub war es ausschließlich gekommen, weil sie die Medikamente abgesetzt hatte. „Von den Pillen hatte ich furchtbaren Hunger und wurde immer dicker.“ Die Frau hatte dadurch zunehmend den Bezug zur Realität verloren, ohne es zu bemerken. Das vermeintliche Eingesperrtsein „war sehr real“. Auch die Stimme am Tattag, die ihr sagte, sie müsse mit dem Putzen vor Dunkelheit fertig werden und sie unter Stress gebracht hatte. Oder auch eine Fliege, die sie nicht fangen konnte. „Natürlich war das krank“, kommentierte die Frau ihr damaliges Verhalten.

Dass sie ohne Medikamente „unbeherrscht und aggressiv“ und für andere gefährlich ist, weiß die Angeklagte. Falls sie sich dennoch nicht an die Bewährungsauflagen halten sollte, droht ihr endgültig die Einweisung in eine geschlossene Abteilung der Psychiatrie. Und daraus, so warnte die Kammer, gäbe es nur selten eine Rückkehr.

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