Luftreinhalteplan in Bonn Bezirksregierung erntet Kritik der Wirtschaftsverbände

BONN · Regionale Wirtschaftsverbände, darunter IHK, Einzelhandelsverband und Kreishandwerkerschaft, wehren sich vehement gegen Maßnahmen, die die Kölner Bezirksregierung zur Einhaltung des Luftreinhalteplans vorschlägt.

Postwendend haben sie ein Positionspapier an die Bezirksregierung geschickt: "Die vorgeschlagenen Verkehrsverbote, die Einführung einer City-Maut, kennzeichengesteuerte Zufahrtsbeschränkungen oder das Verbot von Dieselfahrzeugen in der Bonner Innenstadt sind unverhältnismäßig und nicht zielführend", so der Tenor der gemeinsamen Stellungnahme. "Sie würden den Wirtschaftsstandort Bonn nachhaltig schädigen."

Wie berichtet hatte Landesumweltminister Johannes Remmel Anfang April kundgetan, dass die Luft in Nordrhein-Westfalen - und damit auch in Bonn - immer besser wird. Erstmals wurden 2014 die Grenzwerte für Feinstaub eingehalten.

Dann folgte das "Aber": Die Grenzwerte des Abgases Stickstoffoxid überstiegen an rund 75 Prozent der Messstellen die gesetzte 40-Mikrogramm-Marke. Wie aus einer Mitteilung der Stadt hervorgeht, lag das Jahresmittel 2014, an der Reuterstraße und der Bornheimer Straße, bei 53 und 44 Mikrogramm.

Bezirksregierung macht drastische Vorschläge

Im Rahmen des Bonner Luftreinhalteplans waren seit 2012 unter anderem die Umweltzone erweitert und die Voraussetzungen, in der Zone fahren zu dürfen, verschärft worden. Doch obwohl auch die Zahl der Job-Ticket-Nutzer gestiegen ist, kann der Grenzwert bislang nicht eingehalten werden.

Dringlich wird die Sache zudem, weil es Druck von oben gibt: Die EU- Kommission will genau wissen, wann die Grenzwerte endlich eingehalten werden - sonst droht Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren.

Zwar habe man beispielsweise auf eine Verbesserung durch Einführung des Euro-VI-Standards bei Dieselfahrzeugen gesetzt, doch die Emissionen lägen im Stadtverkehr bis zu achtmal höher als im Test, so die zuständige Bezirksregierung. Also können nach deren Einschätzung nur drastische Maßnahmen zur Reduzierung des Abgases Stickstoffoxid führen.

Daher setzt sie beispielsweise die City-Maut auf die Vorschlagsliste zur Reduzierung der Luftbelastung. City-Maut sind Gebühren, die für die Nutzung innerstädtischer Straßen gezahlt werden. Außerdem schlägt die Bezirksregierung flächendeckende Tempo-30-Regelungen und nächtliche Ampelabschaltungen vor. Zugleich aber weist sie darauf hin, dass für diese Verkehrsbeschränkungen die Rechtsgrundlage fehle.

Die Bonner Verwaltung ihrerseits nimmt von der Option, nachts die Ampeln auszuschalten aus eigener Erfahrung Abstand. Bei einem Test sei die Zahl der schweren Unfälle stark angestiegen.

Zudem sei nicht sicherzustellen, dass flächendeckend Tempo 30 im Vergleich zu Tempo 50 überhaupt zu einer Verbesserung der Luftqualität führe. Fazit der Verwaltung: "Mit Maßnahmen nur auf kommunaler Ebene kann nicht sichergestellt werden, dass der Grenzwert für Stickstoffoxid an hochbelasteten Verkehrspunkten eingehalten werden kann."

Positionspapier der regionalen Wirtschaft

"Die Bezirksregierung legt den Fokus nur auf Reuterstraße und Bornheimer Straße", moniert Rainer Neuerbourg von der Bonner IHK. Verkehrsbeschränkungen dort verlagerten die Pendlerströme in weniger belastete Stadtteile. "Wegen der verkehrlichen Verflechtung der gesamten Region und der anstehenden Brücken- und Autobahnsanierungen muss dringend ein Gesamtkonzept entwickelt werden", betont.

Der zunehmende Transitverkehr mache zusätzliche Ost-Westverbindungen sowie einen Ausbau der Autobahnen rund um Bonn unumgänglich.

"Hätte man die schon seit vielen Jahren bestehenden Planungen mittlerweile realisiert, gäbe es heute wahrscheinlich keinen Hotspot Reuterstraße", heißt es in dem Positionspapier der Wirtschaftsverbände an die Bezirksregierung. "Wir wissen auch, dass es kein Patentrezept gibt, aber Verbote helfen nicht weiter", betont Neuerbourg.

Kurz gefragt

Dieter Misterek ist bei der Bonner Verwaltung für Fragen der Luftreinhaltung zuständig. Er hat eine klare Einschätzung, was geht und was nicht.

Wie dramatisch ist die Stickstoffdioxid-Belastung?
Dieter Misterek: Wir haben zu hohe Werte. Aber die Einhaltung der Grenzwerte ist kein kurzfristiges Ziel. Klar, nach Plan sollten wir deutlich weiter sein. Das ist schwierig, wenn beispielsweise Dieselfahrzeuge tatsächlich mehr Abgase produzieren, als im Labor gemessen wurde.

Was kann die Stadt Bonn tun?
Misterek: Unsere Maßnahmen zeigen Wirkung. Stellschrauben, an denen eine Kommune drehen kann wie Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs oder Fahrradhauptstadt, sind im Gang. Schneller und insgesamt erfolgreicher wäre eine konzertierte Aktion von Stadt, Land, Bund und EU zur Luftreinhaltung.

Was halten Sie von den Vorschlägen der Bezirksregierung, eine City-Maut einzuführen oder Dieselfahrzeuge zu verbieten?
Misterek: Die Bezirksregierung hat deutlich dazu gesagt, dass diese Vorschläge derzeit keine Rechtsgrundlage haben. Das heißt, sie sind eigentlich utopisch. Aber sie sollen eine Diskussion anstoßen und zeigen, welche drastischen Konsequenzen die Einhaltung der Grenzwerte hätte. Ein Beispiel: Der Verkehr müsste an hochbelasteten Standorten um 84 Prozent reduziert werden.

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