Beispiele für Gewalt in Bad Godesberg Bis zur Bewusstlosigkeit verprügelt

BAD GODESBERG · Zwei junge Männer aus Bad Godesberg haben Gewalt und Bedrohung am eigenen Leib erlebt. Nach Aussagen ihrer Eltern machte die um Hilfe gerufene Polizei Fehler.

 Maureen Adams und ihr 16-jähriger Sohn Brennan.

Maureen Adams und ihr 16-jähriger Sohn Brennan.

Foto: Joshua Bung

Wenn Tim P. an den Abend des 15. April zurückdenkt, klafft eine große Erinnerungslücke. Was damals in der Rheinaue passiert ist, weiß er zum Teil nur aus Erzählungen seiner Freunde. Dass er brutal zusammengeschlagen wurde, dass ihm ein Jugendlicher gegen den Kopf getreten hat. Mit schwerwiegenden Folgen: 24 Stunden hat der 18-Jährige auf der Intensivstation verbracht – mit einem Schädel-Hirn-Trauma und einer Blutung im Gehirn. Die Polizei hat eine Spur: Fünf Tatverdächtige konnten ermittelt werden, sagte ein Sprecher. Die Ermittlungen dauern an.

Der 18-Jährige hat Schwierigkeiten, über den Abend zu sprechen. Was genau passiert ist, wüssten sie zum größten Teil ohnehin nur aus Erzählungen der Klassenkameraden, erzählen Tims Eltern. Aus deren Aussagen setzt sich folgendes Bild zusammen: Tim P. war mit zehn Mitschülern in der Rheinaue, in der Nähe der Südbrücke, am Rhein. Eine andere Gruppe kam dazu, ließ sich in der Nähe nieder. Zunächst war alles entspannt. Doch dann kamen zwei Mädchen zu Tims Clique und wollten reden. Das wollte deren Freund nicht auf sich sitzen lassen, er pöbelte los. Tim antwortete, wollte die Situation beschwichtigen – und fing sich Ohrfeigen ein. Und zwar von den Mädchen und den Jungen aus der anderen Gruppe, geben Tims Eltern die Erzählungen der Freunde wieder.

Alle Beruhigungsversuche der Mitschüler nutzten nichts. Als Tim eines der Mädchen beiseite schubste und den Jungen zurückschlug – „wie er ihn getroffen hat, wissen wir nicht“– eskalierte die Situation. „Seine Erinnerung endet an dem Punkt, als er hörte, dass sein T-Shirt riss.“ Massive Schläge und Tritte gegen den Kopf folgten, Tim wurde bewusstlos. Zwei Freundinnen griffen ein, schubsten ein Mädchen weg und konnten den 18-Jährigen wegziehen.

Doch die Flucht gelang nicht. Per Handy holten die Täter „Verstärkung“ – und erwischten Tim ein weiteres Mal. Doch wieder kam Hilfe von den Klassenkameradinnen. „Sie mussten Tim stützen, er hat komisch gesprochen und aus der Nase und dem Ohr geblutet.“ Klassenkameraden verständigten die Polizei. Die Beamten ließen die Jugendlichen zunächst allein, um die Täter zu suchen. Dann kam ein zweiter Streifenwagen. Der nahm die Personalien auf und setzte Tim samt der beiden Mädchen in die U-Bahn. Begründung: Damit er nicht noch einmal angegriffen wird. Am Hauptbahnhof brach Tim zusammen und wurde von der Mutter einer Freundin ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde das Schädel-Hirn-Trauma festgestellt.

Obwohl der Polizei geschildert worden sei, was passiert sei, habe diese keinen Rettungswagen gerufen, kritisieren die Eltern. Generell habe man das Gefühl, dass die Polizei die Situation falsch eingeschätzt habe. Man habe die Personalien der Jugendlichen aufgenommen und sich den Sachverhalt schildern lassen, sagte ein Polizeisprecher. Tim habe dann gesagt, „er werde selbstständig einen Arzt anrufen“. Deswegen habe man keinen Rettungswagen informiert. Noch an dem Abend habe man einen Beschuldigten an der Südbrücke angetroffen, so der Sprecher. Ob er zugeschlagen hat, muss noch geklärt werden.

Tim hat nach wie vor Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten. Und er geht abends nicht mehr aus: „Was mir passiert ist, passiert auch anderen. Das habe ich gehört“, erzählt er. Alle, die dabei gewesen sind, seien „komplett fertig“. „Ich denke immer darüber nach, habe Flashbacks.“ Und das vor allem, wenn er nichts zu tun hat.

„Gewalttätige Auseinandersetzungen gab es immer, und es wird sie immer geben“, sagt Tims Vater. Doch die Bereitschaft, jemanden zu vernichten, ihm aus Frust massive Gewalt anzutun, sei neu.

So weit ist es im Fall des US-Amerikaners Brennan Adams glücklicherweise nicht gekommen. Der 16-Jährige wurde im April nach eigener Aussage in Bad Godesberg auf dem Weg nach Hause von zwei Männern verfolgt. Mehrfach habe er versucht, die beiden abzuhängen. An der Rheinallee, die an diesem Abend menschenleer gewesen sei, habe er nicht wie üblich auf den Bus gewartet, sondern sei zu Fuß in Richtung Rhein weitergegangen. Als die Männer nur noch zwei Meter von ihm entfernt waren, habe er gehandelt: „Ich habe mein Taschenmesser aus der Hose gezogen, es aufgeklappt und den beiden entgegengestreckt.“ Für einen kurzen Moment seien sie stehengeblieben.

Brennan habe sich sofort umgedreht und sei nach Hause gerannt. Sein Vater sei die Strecke später abgefahren und habe Passanten gefragt. Jedoch habe niemand die Situation beobachtet. Brennans Mutter Maureen rief anschließend bei der Polizei an. „Sie sagten mir nur, mein Sohn solle das nächste Mal den Notruf wählen." Kurz nach dem Fall von Niklas P. habe sie erneut bei der Polizei angerufen, um den Beamten die Situation mit den beiden Männern zu schildern. Wieder habe man sie abgewürgt. Ihren Namen habe der Polizist nicht entgegengenommen, obwohl sie versucht habe, die Situation auf Deutsch zu erklären. Die Polizei teilte gestern mit, dass keine Anzeige der Familie vorliege.

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