Interview mit dem Sprecher der Verkehrsplanung des ADFC Böttcher "Man sollte dem Radverkehr den Vorrang geben"

Bonn · Um mehr als 17 Prozent ist die Zahl der Unfälle mit Fahrrad-Beteiligung von 2013 bis 2014 in Bonn gestiegen. Simon Bartsch sprach mit dem Sprecher der Verkehrsplanungsgruppe des ADFC Bonn/Rhein-Sieg, Werner Böttcher über die Gründe und Lösungsansätze.

Herr Böttcher, die Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt sind haben von 2013 bis 2014 zugenommen. Worin sehen Sie die Ursache für diese Entwicklung?

Werner Böttcher: Erfreulicherweise fahren immer mehr Menschen Fahrrad. Hinzu kommt, dass in Anbetracht der letzten beiden milden Winter länger und damit mehr Fahrrad gefahren wurde. Abgesehen davon, dass dadurch leider zwangsläufig die Unfallhäufigkeit zunimmt, zeigt sich auch, dass unsere Infrastruktur diesem zunehmenden Radverkehr nicht gewachsen ist.

Fehlt es Verkehrsteilnehmern vielleicht auch einfach "nur" an dem nötigen Wissen?

Böttcher: An "Wissen" fehlt es in der Regel sicherlich nicht. In erster Linie mangelt es am Willen, die bekannten Regeln auch einzuhalten und an der Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer. Ich schließe hier bewusst Fahrradfahrer mit ein. Diese sind nicht von Natur aus bessere oder vernünftigere Menschen. Der Unterschied ist allerdings: Bei Verkehrsverstößen gefährdet der Radfahrer in erster Linie sich selbst. Von einem Kraftfahrzeug geht einfach ein wesentlich größeres Gefahrenpotenzial aus.

Oft werden die Autofahrer verantwortlich für Unfälle gemacht. Was müssen denn Radfahrer beachten, um möglichen Gefahren aus dem Weg zu gehen?

Böttcher: Angesagt ist eine gesunde Mischung zwischen beherztem und defensivem, vorausschauendem Fahren. Das ist als Schwächerer immer angesagt.

Wo sehen Sie in Bonn besonders gefährliche Stellen für Radfahrer?

Böttcher: Spontan fallen mir verschiedene Stellen ein: etwa das Bahnhofsumfeld, rund um das Beueler Brückenforum und dort weiter Richtung Konrad-Adenauer-Platz, die Kreuzung Bundesstraße 56/Landstraße 83/Bundesgrenzschutzstraße, der Potsdamer Platz und zahlreiche Kreisverkehre. Eigentlich überall dort, wo Rechtsabbieger die geradeaus fahrenden Radfahrer übersehen können.

Eine häufige Unfallursache ist eine schlechte Verkehrsführung. Wäre es nicht einfach, diese zu ändern?

Böttcher: Einfach ist es in vielen Fällen sicherlich nicht, zunächst müsste man die Prioritäten anders setzen. Bisher ist oberstes Ziel der Verkehrsplanung, den Autoverkehr flüssig zu gestalten. Dabei bemüht man sich, den Radverkehr auch irgendwie unterzubringen. Eine autogerechte Verkehrsplanung zieht aber weiteren Autoverkehr an.

Was fordern Sie von der Stadt?

Böttcher: Sich ein Beispiel an anderen Städten zu nehmen und konsequent dem Radverkehr und dem ÖPNV den Vorrang geben. Jeder Fahrradfahrer mehr ist ein Auto weniger im Stau. Nur wenn wir genügend Anreize schaffen, auf Fahrrad, Bus und Bahn umzusteigen, werden diejenigen, die tatsächlich auf das Auto angewiesen sind, ihr Ziel wieder zügig und sicher erreichen.

Gibt es Beispiele, wo die Stadt im Sinne der Radfahrer gehandelt hat?

Böttcher: Zum Beispiel an der Kennedybrücke mit Radfahrmöglichkeit in beide Richtungen. Leider hat man das Nadelöhr Brückenforum dabei außer Acht gelassen. Oder das Fahrradstraßenkonzept, trotz schleppender Umsetzung, verstärkte Öffnung der Einbahnstraßen für Radfahrer in Gegenrichtung und die nächtliche Öffnung der Fußgängerzone.

Wie steuern Sie potenziellen Unfallschwerpunkten entgegen? Wie ist die Erfolgsaussicht?

Böttcher: In Zusammenarbeit mit Polizei und Stadtverwaltung untersuchen wir "unfallauffällige" Abschnitte und erarbeiten Verbesserungsvorschläge. Auch wenn diese nicht immer umgesetzt werden, sind wir dabei durchaus erfolgreich. Auch erhalten wir regelmäßig Hinweise über kritische Stellen aus der Rad fahrenden Bevölkerung (vom ADFC- als auch von Nicht-Mitgliedern) und bringen diese bei der Stadtverwaltung mit wechselndem Erfolg zur Sprache. Manches Problem ließe sich meiner Meinung nach auch mit einer etwas "kreativeren" Auslegung der StVO hinsichtlich Beschilderung und Markierung einfach und preiswert lösen. In anderen Städten gibt es dafür Beispiele.

Zur Person

Werner Böttcher ist Sprecher der Verkehrsplanungsgruppe Bonn/Rhein-Sieg des ADFC. Der 69-Jährige kommt ursprünglich aus dem Saarland, lebt aber schon seit 1983 im Rheinland. Er wohnt mit seiner Frau in Bonn.

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