Klasse übersprungen 16-Jähriger macht Abitur am Tannenbusch-Gymnasium in Bonn

Auerberg · Ungewöhnlich früh hat Atemlefeh Morfaw sein Abitur am Tannenbusch-Gymnasium in Bonn gemacht. Nahezu während der gesamten Schulzeit war er der Jüngste in der Klasse.

 Freuen sich über das Abitur: Atemlefeh Morfaw (Mitte) und seine Eltern Chrysantus und Ngowa. Die beiden stammen aus Kamerun und lernten sich an der Uni Bonn kennen.

Freuen sich über das Abitur: Atemlefeh Morfaw (Mitte) und seine Eltern Chrysantus und Ngowa. Die beiden stammen aus Kamerun und lernten sich an der Uni Bonn kennen.

Foto: Stefan Hermes

Die Übergabe des Abiturzeugnisses fiel wegen Corona unspektakulär aus. „Keine besonderen Vorkommnisse“ hätte man zusammenfassen können, wenn unter den Abiturienten auf dem Schulhof des Tannenbusch-Gymnasiums (Tabu) nicht auch der 16-jährige Atemlefeh Morfaw aus Auerberg gestanden hätte. Schon nach den ersten drei Monaten auf der Bernhard-Grundschule an der Kopenhagener Straße war deutlich geworden, dass er dort fehl am Platze war. Er war seinen Mitschülern bereits weit voraus. Also machte er den Sprung in die zweite Klasse und zog damit das Los, bis zum Abitur nicht nur immer der Jüngste zu sein, sondern damit auch nicht immer für „ganz voll“ genommen zu werden.

Ermutigendes Beispiel für Kinder mit Migrationshintergrund

„Eigentlich habe ich mich immer gelangweilt“, fasst der Jugendliche heute zusammen. Schon sein Kinderarzt empfahl den Eltern Ngowa und Chrysantus Morfaw, ihren Sohn auf Hochbegabung testen zu lassen. Doch die Eltern lehnten ab. Somit weiß auch Atemlefeh bis heute nicht, welchen Intelligenzquotienten (IQ) er besitzt. Auch möchte er nicht über seine Abiturnoten sprechen. „Ich habe immer schlechte Erfahrungen damit gemacht“, sagt er. Es habe viele Neider gegeben und viel Ungerechtigkeit. Atemlefeh schweigt lieber.

Es sei ihm eben alles immer sehr leicht gefallen. „Schon als Dreijähriger konnte er die Bahnstationen lesen und schreiben, die wir gemeinsam gefahren sind“, erzählt seine Mutter lachend. Wenn die Ansage: „Nächste Station Juridicum“ kam, habe er die Worte und die Schriftbilder miteinander verglichen und schon bald wiedergeben können. „Er war zwei oder drei Jahre alt“, so genau wisse er das nicht mehr, ergänzt sein Vater, „da hat sein Kinderarzt nicht glauben können, dass Atemlefeh in hoher Geschwindigkeit schon bis Zweihundert zählen konnte.“

Dass das Rechnen zu seinen Stärken gehört, leitet Ngowa Morfaw auch davon ab, schon früh spielerisch die Kartoffeln auf seinem Teller mit ihm gezählt und mit jedem Bissen Subtraktion geübt zu haben. Die Eltern freuen sich über das frühe Abitur des Sohnes. Und sie sind stolz darauf.

Der Vater hatte sich an den General-Anzeiger mit den Worten gewandt, dass sein Sohn ein ermutigendes Beispiel für Kinder mit Migrationshintergrund sein könnte, wenn man erfahre, dass Atemlefeh sein Abitur mit Leichtigkeit im Alter von gerade mal 16 Jahren geschafft habe. Der Schwarzen Familie ist eine Stigmatisierung in der weißen Mehrheitsgesellschaft nicht unbekannt. „Natürlich sind wir täglich mit Vorurteilen konfrontiert“, sagt Atemlefehs Vater. Eines davon sei, dass viele Mitbürger sich kaum vorstellen könnten, dass Schwarze Menschen auch gebildet sein könnten. Er selber kam 1995 aus Kamerun nach Bonn, um Agrarwissenschaften zu studieren. Herzhaft lachend, sagt er, „ich bin der unerkannte Prinz in Auerberg.“

Fünfmal die Woche auf dem Fußballplatz

Sein Bruder Forbellah Charles Morfaw studierte schon vor ihm in Bonn und übernahm später als Chief das Amt des Vaters im kamerunischen Fontam. Chrysantus war erst als Tontechniker in Deutschland unterwegs, bevor er seine ebenfalls aus Kamerun stammende Frau Ngowa an der Bonner Uni kennenlernte. Ngowa Morfaw ist heute Altenpflegerin.

Eine Covid-19-Infektion von Anfang März haben sie inzwischen gut überstanden. „Es war nicht besonders schlimm“, sagt Ngowa Morfaw. Sie habe zwar Schmerzen gehabt, aber das sei auszuhalten gewesen. Ihre drei Söhne wurden negativ getestet. Für das zehnstöckige Hochhaus in Auerberg hatte es allerdings eine 31-tägige Quarantäne zur Folge, die in die Vorbereitungszeit von Atemlefehs Abiturprüfungen fiel. „Doch wir waren in der Schule sehr gut online vernetzt“, sagt er.

Nur der Sport habe ihm gefehlt, zumal er am Tabu den Sportzweig belegt hatte. Direkt nach Aufhebung der Quarantäne stand für ihn die Sportprüfung mit einem 5000-Meter-Lauf an, die er bestand. Vielleicht lag es daran, dass er vor Corona-Zeiten mindestens fünf Mal in der Woche auf dem Fußballplatz trainierte. Der Fußball ist sein einziges Hobby. Da er mit sechzehn Jahren noch zu jung ist, um Pilot zu werden, wird er nun erst einmal Wirtschaftsinformatik studieren. Und er hofft darauf, dass es nicht allzu langweilig wird.

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