Zahl steigt erneut 22 drogenabhängige Bonner starben im vergangenen Jahr
Bonn · 22 Drogenabhängige sind im vergangenen Jahr in Bonn an einer Überdosis gestorben. Das sind mehr als im Vorjahr. Anlässlich des Gedenktages am Kaiserbrunnen trafen sich unter anderem ihre Angehörigen.
Anna (Name von der Redaktion geändert) kämpft mit den Tränen. „Zwei gute Freunde habe ich in diesem Jahr schon verloren“, sagt die 36-Jährige mit brüchiger Stimme. „So viele meiner Bekannten sind gestorben und ich konnte mich noch nicht einmal verabschieden.“ Ein schlichter schwarzer Sarg aus Pappe, ein Trauerkranz sowie ein paar Kerzen – damit erinnerte die Aids-Initiative Bonn am Donnerstag anlässlich des bundesweiten Gedenktages an die Drogenopfer aus der Stadt. Die Traueraktion fand rund um den Kaiserbrunnen statt.
Die Zahl der Drogentoten ist in Bonn erneut angestiegen. Verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr noch 18 Todesfälle (im Jahr davor waren es elf), so starben 2021 insgesamt 22 Konsumenten. Ein Trend, der sich auch in der landesweiten Statistik niederschlägt. 693 Drogentote gab es in ganz NRW. „So hohe Zahlen hatten wir seit 30 Jahren nicht mehr“, sagt Christa Skomorowsky von der Aids-Initiative. Bundesweit starben 1826 Konsumenten, was einen Anstieg von 16 Prozent bedeutete. Die Dunkelziffer ist allerdings um ein Vielfaches höher, schätzt Skomorowsky. „Denn in dieser Statistik werden nur die aufgeführt, die eindeutig an einer Überdosis gestorben sind. Diejenigen, die an Hepatitis oder Aids gestorben sind, werden nicht erfasst“, erklärt sie.
„Ich denk an Dich, Scooby forever“ oder „Wildboy, wir vermissen Dich“ stand auf den Zetteln, die Skomorowsky und Jürgen Repschläger von der AIDS-Initiative an die Trauerwand hefteten. Um den Betroffenen zu helfen und ihnen ein halbwegs menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, hat die Aids-Initiative ganz konkrete Forderungen: „Überdosierungen, Verelendung, Ausgrenzung und Kriminalisierung der Menschen aus dem Drogenbereich müssen verhindert werden“, betonte Skomorowsky. „Es muss weitere Druckräume geben“, verlangt Repschläger. „Das wäre nicht nur menschlich, sondern das wäre wirklich eine Überlebenshilfe für die Betroffenen.“
Ein anderes Problem seien Rauschmittel, die unkontrollierbar auf dem Schwarzmarkt angeboten werden. „Die immer noch anhaltende Kriminalisierung bedingt einen Schwarzmarkt mit Substanzen unbekannter Qualität. Die Möglichkeit der legalen, aber kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene wäre ein erster wichtiger Schritt“, ergänzt er.
Kritisch betrachten Sozialarbeiter in Hilfsinitiativen die Verschiebung der Szene. „Wir sind jetzt wieder genau dort, wo man uns in den 1970er Jahren schon einmal vertrieben hat“, erklärt Skomorowsky. Denn rund um den heutigen Kaiserbrunnen hätten sich bereits vor rund 50 Jahren Konsumenten getroffen, bis sie aufgrund von Beschwerden verbannt wurde. „Ob das jetzt wieder passiert, wissen wir nicht“, ergänzt sie. Damals hätte sich das Klientel Richtung Poststraße verlagert, bevor sich das Bonner Loch als Treffpunkt etablierte. Nachdem die Betroffenen auch dort nicht mehr geduldet wurden, zogen sie weiter und wieder zurück zum Kaiserplatz. Dort gibt es jetzt ebenfalls massive Kritik. „Aber irgendwo müssen sich die Menschen doch treffen. Vertreibung löst die Probleme nicht. Das hat in den 1970ern nicht funktioniert und das funktioniert auch heute nicht“, betont Skomorowsky am Rande des Gedenktages. Im Alleingang könne Bonn dieses Problem jedoch nicht lösen. „Das kann nur in Zusammenarbeit mit der Kommune, dem Land und der Bevölkerung angegangen werden.“