Komplexe Herz-OP Bonner Ärzte retten 15-Jährige mit einer weltweit einzigartigen Technik
Bonn · 14 Jahre lang konnte Adea ein weitgehend normales Leben führen - trotz schwerer Herzkrankheit. Doch dann gab es eine erschütternde Diagnose. Bonner Ärzte haben sie nun mit einer weltweit einzigartigen Technik gerettet.
Nur noch der Zugang am Hals, über den Adea Cerkini Infusionen erhält, zeugt von der schweren Herzoperation, die erst wenige Tage zurückliegt. Die 15-Jährige aus dem Kosovo lächelt, als ihre beiden Lebensretter an das Krankenbett in der Bonner Uniklinik (UKB) treten. Adea leidet an einem angeborenen Herzfehler, den die Chefärzte Farhad Bakhtiary und Boulos Asfour vorerst behoben haben. Dabei betraten sie selbst chirurgisches Neuland: Der komplexe Eingriff war weltweit der erste seiner Art.
Der Herzfehler begleitet Adea schon ihr ganzes Leben. Kompletter atrioventrikulärer Septumsdefekt (AVSD) nennen es die Mediziner, wenn die Scheidewand zwischen den Herzvorhöfen und den Herzkammern Fehlbildungen hat. Derartige Herzfehler machen nur rund drei Prozent aller angeborenen Herzfehler aus. Die Hälfte der betroffenen Kinder hat, so wie Adea, das Down-Syndrom. Sowohl im Bereich der Vorhöfe, also der kleineren Herzhöhlen, als auch im Bereich der Herzkammern, so werden die größeren Herzhöhlen bezeichnet, war bei der 15-Jährigen ein Loch zu finden.
Nach 14 Jahren wurde ein neuer Eingriff notwendig
Deshalb wurde sie schon im Dezember 2008, als sie noch ein Säugling war, zum ersten Mal operiert. Das Loch wurde dabei mit einer Art Flicken geschlossen. 14 Jahre lang konnte Adea ein fast normales Leben führen – bis im vergangenen Herbst bei der jährlichen Routine-Untersuchung im Kosovo eine neue Diagnose gestellt wurde: Adea leidet unter einer subvalvulären Aortenstenose, einer Verengung der Aorta unterhalb der Aortenklappe – hervorgerufen durch verhärtetes Gewebe, das mit der Zeit entstanden und weiter gewachsen ist.
Das setzte ihrem kleinen Körper mehr und mehr zu, wie Farhad Bakhtiary, Direktor der Klinik für Herzchirurgie, erläutert. Die verengte Hauptschlagader sorge schon bei kleinsten Anstrengungen für eine Funktionsschwäche des Herzens und Luftnot. „Die linke Herzkammer pumpt als Hauptpumpkammer sauerstoffreiches Blut durch die Aortenklappe über die Hauptschlagader in den Körper. Bei einer zu engen Öffnung zur Aorta, wie in Adeas Fall, bildet sich bildlich gesprochen ein Flaschenhals, und die linke Herzkammer muss mehr arbeiten und mehr Blutdruck aufbauen, um ausreichend Blut in den Körper zu pumpen“, sagt Bakhtiary. Durch diese Mehrarbeit verdicke sich der Herzmuskel. Und je enger die Stelle sei, desto weniger sauerstoffreiches Blut gelange in den Körper.
Helfen könne in diesem Fall nur eine Operation, bei der das überschüssige Gewebe entfernt wird. Doch ein solcher Spezialeingriff ist im Kosovo, wo die medizinische Versorgung deutlich schlechter ist als in Deutschland, kaum möglich. Deshalb recherchierten in Deutschland lebende Verwandte der Familie nach Experten in Europa. Über mehrere Wochen standen sie in Kontakt mit verschiedenen Kliniken in Deutschland und entschieden sich am Ende für das UKB. Anschließend kümmerten sich die Verwandten um die Finanzierung der lebensnotwendigen OP, die mehrere Zehntausend Euro kostet.
Weltweit einmaliger Eingriff in Bonn
Der Eingriff der Bonner Ärzte ist weltweit einmalig. Bakhtiary arbeitete bei dieser erneuten Operation mit einem Endoskop und öffnete nicht, wie sonst üblich und bei Adea auch zuvor geschehen, den ganzen Brustkorb. Denn das hätte eine große Belastung für die 15-Jährige bedeutet. „Ich habe mir alle Unterlagen, Ultraschall- und CT-Bilder sehr genau angeschaut und mich dann gemeinsam mit meinem Kollegen Boulos Asfour für eine minimal-invasive und voll-endoskopische Operation entschieden“, erklärt Bakhtiary sein Vorgehen. Möglich war das nur, weil die beiden Operateure viel Erfahrung auf dem Gebiet mitbringen. „Während Professor Bakhtiary seine herausragende Expertise aus unzähligen Erwachsenen-OPs eingebracht hat, konnte ich als erfahrender Kinderherz-Operateur mit dazu beitragen, dass wir die innovative Methode erfolgreich auf unsere junge Patientin übertragen konnten“, sagt Asfour, der die Abteilung für Kinderherzchirurgie leitet.
Mehrere Tage planten beide jeden Schnitt. „Wir haben alle Strategien auf Augenhöhe besprochen“, sagt Bakhtiary. Und wenn etwas nicht so läuft, wie geplant? „Dann gibt es einen Plan B, C oder auch D. Je erfahrener man ist, desto weitsichtiger denkt man.“ Die OP selbst dauerte gerade einmal zweieinhalb Stunden. Durch einen kleinen Zugang zwischen zwei Rippen gelangten Asfour und Bakhtiary an die Hauptschlagader. Sie arbeiteten mit kleinstem Werkzeug nur über Bildschirme und orientieren sich mit Kameras im Innern.
Kinder erholen sich durch neue Technik schneller und besser
„Ich war nicht nervös, sondern eher sehr konzentriert. Ein solcher Eingriff ist etwas Besonderes, allein, weil er keine Routine ist“, erzählt der 47-jährige Bakhtiary, der selbst eine Tochter hat. Sein Wunsch ist es, die schonende Methode häufiger bei herzkranken Kindern anzuwenden. „Sie können schneller entlassen werden, benötigen weniger Schmerzmittel, und ihr Wachstum wird nicht gestört.“ Adea konnte schon zwei Tage nach der OP über die Station laufen. Adeas Mutter Shqipe Cerkini habe das kaum fassen können. „Sie suchte nach Wunden und hat da erst die Tragweite verstanden. Sie war völlig sprachlos.“ Adea ist mittlerweile auf der Normalstation. Ende der Woche soll es wieder in die Heimat gehen. Sie hat nun die Perspektive, ein normales Leben führen zu können. „Wir können unsere Dankbarkeit gar nicht in Worte fassen“, sagt Shqipe Cerkini.