Coronavirus Ärzten in Bonn geht die Schutzkleidung aus

Bonn. · Das Bonner Gesundheitsamt rät Medizinern, Atemmasken im Baumarkt zu kaufen. Die fühlen sich von den Behörden im Stich gelassen. Derweil steigt die Bonn International School auf Teleunterricht um.

 Die Ärzte Jan Volek (links) und Andreas Hentrich fühlen sich von den Behörden alleingelassen.

Die Ärzte Jan Volek (links) und Andreas Hentrich fühlen sich von den Behörden alleingelassen.

Foto: Nicolas Ottersbach

Das Coronavirus bringt die Haus- und Fachärzte an ihre Grenzen. „Wir werden von den Behörden und der Politik im Stich gelassen, uns fehlt es an Schutzmaterial“, sagt Jan Volek, der als Hals-, Nasen- und Ohrenarzt eine Praxis in Duisdorf betreibt. Unterdessen häufen sich die Sars-CoV-2-Fälle in der Region. Wegen eines infizierten Schülers bleibt die Bonn International School bis zum 23. März geschlossen. Die Schulleitung reagiert darauf mit Teleunterricht.

Ohne Mundschutz empfängt Jan Volek derzeit keinen Patienten mehr. „Auch wenn das mehr ein Schutz für die anderen, als für mich ist.“ Denn die wirksamen Atemmasken, die ihn vor Viren abschotten, gibt es schon lange nicht mehr im Handel. Er sitzt in seinem Behandlungszimmer, sein HNO-Kollege Andreas Hentrich ist auch vorbeigekommen. Sie wollen ihrem Ärger Luft machen. Erzählen, wie sie und andere vom Bonner Gesundheitsamt abgebügelt, von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht betreut werden.

Handwerkszeug wird knapp

„Uns fehlt das Handwerkszeug, mit dem wir unsere Mitarbeiter und uns schützen können“, erklärt Hentrich. Mundschutze benutzten die Ärzte mehrfach, Handschuhe bekommen sie nicht mehr geliefert. Auch das Desinfektionsmittel wird knapp. „Wenn wir im Handel anrufen, geht eine Bandansage dran, dass nichts mehr verfügbar ist. Wir können in den Praxen aber auch keine riesigen Vorräte vorhalten.“ Verzweifelt wandten sie sich an das Gesundheitsamt und bekamen den Ratschlag, „bei Apotheken oder in Baumärkten nachzufragen“. Die Ärzte müssten selbst für ihre Ausrüstung sorgen. „Aber was sollen wir machen, wenn wir nichts bekommen? Die höheren Kosten müssen wir auch tragen.“ Ihrer Ansicht nach müsste es Kontingente der öffentlichen Hand geben, die für solche Epidemien vorgehalten werden.

Hentrich und Volek sehen noch ein anderes Problem, ein juristisches: Denn sie sind für den Arbeitsschutz verantwortlich. „Wenn wir uns nicht schützen können, müssten wir eigentlich die Praxen dicht machen. Aber das geht ja auch nicht“, sagt Volek. Wenigstens die Patienten hätten Verständnis. Von den Behörden bekäme man dagegen nur Organigramme und Behandlungsempfehlungen zugeschickt. „Dazu brauchen wir keine Tipps, das können wir selbst, das machen wir seit Jahrzehnten“, so Volek.

Situation in Krankenhäusern ist angespannt

In den Bonner Krankenhäusern ist die Situation angespannt. „Wir haben für alles genug Material, aber wenn es so weitergeht, könnten wir in einigen Wochen Probleme kriegen“, sagt Eva Lippert vom Bonner Malteser Krankenhaus. Ähnlich sieht es bei den GFO-Kliniken aus, zu denen in Bonn das Marienhospital in Poppelsdorf und das Krankenhaus Sankt Josef in Beuel gehören. „Wir setzen unsere Ressourcen sicher und sparend ein“, erklärt Eike Pawelko von den GFO-Kliniken. Aussagen, wie lange die Vorräte noch reichen, könne man nicht treffen.

Jeder Klinikverbund arbeitet eigenständig, wenn es um Schutzkleidung geht. Die fünf Malteser-Kliniken im Rheinland werden durch eine Zentrale versorgt, die Material in großen Mengen ordert und auch vorhält. Vieles gelange aus China über den Seeweg nach Deutschland, wo der Export aber ins Stocken geraten ist. „Wenn der wieder anläuft, dauert es aber, bis die Waren hier sind“, erklärt Lippert. Für den Fall, dass Nachlieferungen ausbleiben, haben die Malteser einen abgestuften Notfallplan entwickelt, der aber noch nicht greift. Dann würden erst kleinere medizinische Eingriffe, später größere ausgesetzt. Als letztes Mittel beschränke man sich nur noch auf Notfall-Operationen.

„Ausreichend“ städtische Vorräte an Schutzkleidung

Die Frage, wie es um die städtischen Vorräte an Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln bestellt ist, beantwortet Vize-Stadtsprecher Marc Hoffmann mit „ausreichend“. Zahlen will Hoffmann nicht nennen, nur so viel: Die Bestände würden sich jeden Tag ändern. Die Ärzte und Kliniken bekommen davon jedenfalls nichts zu sehen. „Dies liegt in der Eigenverantwortung der Krankenhäuser, Ärzte etc.“

Für eine kleine Entlastung könnte eine Regelung sorgen, die nun die Kassenärztliche Bundesvereinigung beschlossen hat. Demnach können sich Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt bis zu sieben Tage krankschreiben lassen. Die Regelung gelte für Patienten, die keine schwere Symptomatik vorweisen oder offizielle Kriterien für einen Verdacht auf eine Infektion mit dem neuen Coronavirus erfüllen.

Lehrbetrieb auf Teleunterricht umstellen

Wie man selbst in Quarantäne produktiv sein kann, beweist derzeit die Bonn International School (BIS). Dort arbeitete die Belegschaft am Montag daran, den Lehrbetrieb auf Teleunterricht umzustellen. Ein 13-jähriger Schüler war positiv auf das Coronavirus getestet worden. Daraufhin wurde die Schule geschlossen. Knapp 50 Kinder und Lehrer, die direkten Kontakt zu dem Jungen hatten, stehen unter häuslicher Quarantäne. Ausgebremst werden nun rund 100 Lehrer und 720 Schüler sowie etwa 70 Kinder, die den angeschlossenen Kindergarten besuchen.

Nun erschienen Eltern und Lehrer, um Schulsachen und Material abzuholen. Denn die BIS könnte nun das Glück im Unglück zugutekommen, dass sie als digitaler Vorreiter gilt. Die Schule stellt Schülern der Grundschulklassen und der Stufen sechs und sieben Tabletcomputer zur Verfügung, ab Klasse acht greifen die Kinder auf eigene Geräte zurück. „Auch im Normalbetrieb können Schüler ihre Hausaufgaben bei uns online abgeben, im Umgang mit der entsprechenden Software sind wir geübt“, sagte Direktorin Patricia Baier. Sie hofft, dass die Schule am 23. März wieder öffnet. Denn: „Klassenarbeiten werden auch bei uns nicht online geschrieben.“

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