Protestbewegung in Bonn Bonner Aktivistin kämpft für Freiheit und Demokratie im Iran

Bonn · Ihre Eltern stammen aus dem Iran, geboren wurde Vanessa Krieger in Bonn. Die 30-Jährige setzt sich seit dem Tod der inhaftierten 22-jährigen Mahsa Amini für Freiheit und Demokratie im Iran ein.

Gegen das Regime im Iran demonstriert die Bonnerin Vanessa Krieger, deren Eltern aus dem Land stammen.

Gegen das Regime im Iran demonstriert die Bonnerin Vanessa Krieger, deren Eltern aus dem Land stammen.

Foto: Abir Kassis

Sie organisiert Iran-Demos, trifft Politiker und ruft zum Widerstand auf: Vanessa Krieger hat sich den Einsatz für ihre Heimat zur Aufgabe gemacht – zu einem hohen Preis.

Als Kind verbrachte sie jeden Sommerurlaub mit ihrer Familie in Urmai, im Nordwesten Irans. Die Eltern stammen daher. Inzwischen kann sie nicht einmal mehr daran denken, in den Iran zu reisen, weil sie dort Gefahr läuft, verhaftet, gefoltert oder sogar zum Tode verurteilt zu werden. „Es zerreißt mir das Herz“, sagt Krieger und schweigt einen Moment. „Als ich sechs war, ist meine Mutter an Krebs gestorben.“ Ihren letzten Lebensabschnitt verbrachte die Mutter im Iran. Für die 30-Jährige, die in Bonn geboren wurde und deren Geschwister den Vornamen Vanessa aussuchten, war es immer eine große emotionale Stütze, in das Land zu reisen, das sie die Verbindung zu ihrer Mutter stärker wahrnehmen lässt.

Vanessa Krieger.

Vanessa Krieger.

Foto: privat

An ihren letzten Aufenthalt in Urmai kann sie sich noch gut erinnern. Zusammen mit ihrem Ehemann, ein Deutscher, und dem zehnjährigen Sohn hat sie vor drei Jahren ihre Tanten, Onkel und deren Kinder besucht. Wie es ihnen heute geht, erfährt Krieger nur noch über Verwandte im Ausland. „Aus Sicherheitsgründen habe ich keinen direkten Kontakt mehr zu ihnen“, sagt die Aktivistin.

Ein Leben, wie sie es jetzt führt, hätte sich Krieger vor Beginn der Proteste im vergangenen Herbst nicht vorstellen können. Bis dahin lag ihr Fokus auf der Arbeit im Taxi-Unternehmen, das sie vor einem Jahr von ihrem Vater übernommen hat. Neben Kundengesprächen, Verwaltungsarbeit, Werkstattgängen und dem Einkauf von Ersatzteilen blieb der gelernten Einzelhandelskauffrau noch genügend Zeit für ihre kleine Familie.

Vanessa Krieger: Leben hat sich seit dem Tod von Mahsa Amini verändert

Heute führt die Godesbergerin ein anderes Leben. Seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die wegen einer fehlenden Kopfbedeckung im September 2022 mutmaßlich von der iranischen Sittenpolizei zu Tode gefoltert wurde, engagiert sich Krieger in verschiedenen Protestgruppen. „Auf einer der ersten Iran-Demos in Bonn lernte ich Homayoun, den Veranstalter kennen“, berichtet sie. „Wir haben Nummern ausgetauscht, Kontakt aufgenommen und gesagt, wir wollen aktiv mithelfen.“ Anfangs seien rund 20 Beteiligte dabei gewesen, inzwischen besteht die Kerninitiative aus sechs Personen, die Demos und Kundgebungen veranstalten und international vernetzt sind. Fast täglich tauscht sich das Aktivisten-Team über die aktuelle politische Lage aus – und darüber, wie man reagieren möchte.

„Im Oktober wurde das berüchtigte Evin-Gefängnis in Teheran in Brand gesetzt. Es gab Tote und Verletzte. Wir waren völlig schockiert und wollten nicht tatenlos zusehen“, berichtet Krieger. „Wir haben uns am Alten Rathaus in Bonn getroffen und demonstriert.“ Als der Hinweis kam, dass zeitgleich der Parteitag der Grünen im World Conference Center Bonn (WCCB) stattfindet, machte sich die Gruppe auf den Weg zu den Politikern. „Wir wurden herzlich empfangen, sie haben uns zugehört und uns Unterstützung zugesichert. Bis um 2 Uhr nachts haben wir mit den Parteimitgliedern gesprochen“, erzählt Krieger. Auch mit der SPD stehe die Gruppe im Austausch und habe sogar eine gemeinsame Podiumsdiskussion veranstaltet. ,,Wir haben mit Fridays for Future gesprochen und sie haben uns Tipps gegeben, wie wir mehr Menschen erreichen können.“ Protest mache zudem nicht an Ländergrenzen halt, findet Krieger, die auch schon in Paris und Brüssel auf die Straße gegangen ist. Denn sobald die westliche Öffentlichkeit nicht mehr hinschaue, sei der Kampf gegen das skrupellose Willkür-Regime im Iran verloren, ist sie überzeugt.

Ob es ihr keine Angst mache, sich so offenkundig mit der Regierung Irans anzulegen? ,,Meine Familie hat mehr Angst. Meine Schwester und mein Vater warnen mich ständig vor der Gefahr, die ich eingehe. Aber sie sind auch stolz, dass ich für unsere Rechte kämpfe. Denn niemand ist frei, wenn nicht alle frei sind.“ Unterstützung erfährt Krieger auch von ihrem Ehemann, der mit zu den Protesten geht, und auch von ihrem Sohn. „Er fragt mich immer, was es Neues gibt. Ich versuche, ihm die Situation kindgerecht zu erklären und er hat Verständnis dafür, dass wir uns aktuell so wenig sehen.“

Für die Zukunft des Irans wünscht sich die junge Frau neben einer demokratischen Regierung, der Einhaltung von Menschenrechten und mehr Innovation auch die Beschäftigung mit dem Klimawandel. „Meine Hoffnung ist groß, dass wir etwas bewegen können.“

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