Toto auf dem KunstRasen „Sie hatten einfach Bock“

Bonn · Die amerikanische Rockband Toto präsentiert auf dem KunstRasen 15 Songs aus gut 45 Bandjahren. Zum Finale erklingen die Hits „Rosanna“ und „Africa“. 4500 Besucher sind begeistert.

Bonn - Toto auf dem KunstRasen 2022: Bilder vom Konzert
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Konzert von Toto auf dem KunstRasen

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Foto: Ingo Firley

Wie cool ist das denn?! Bonn, KunstRasen, 19.48 Uhr. Sieben Personen betreten die Bühne, greifen zu ihren Instrumenten – und legen los. Zwölf Minuten vor der Zeit, das gab’s noch nie. „Die hatten einfach Bock“, wird Ernst-Ludwig Hartz, der Veranstalter des Konzertes, später mitteilen. Sie hatten Bock, und wie! Die kalifornische Band Toto feuert ihre erste Nummer ab. „Orphan“ vom Album „Toto XIV“ (2015). Eigentlich ein Song mit nachdenklichen Zwischentönen. Es geht um Armut und Einsamkeit in der Welt, aber: „You‘re Never Alone In The World“ heißt es im Refrain. Kopf hoch, alles wird gut!

Die Band befindet sich im Angriffsmodus, es folgt ein alter Hit: „Hold The Line“ von 1978, die erste Toto-Single. Der Song wirkte seinerzeit auch als Signal an den Rest der Rockwelt. Seht her, das sonnige Kalifornien beherrscht auch die härtere Gangart. Fröhliche Piano-Triolen tanzen zu rockigen Gitarrenriffs. Und die Statik des Songs bleibt seit 44 Jahren stabil, wie die temperamentvolle Darbietung auf dem Bonner Rasen beweist.

Sie kommen gerade aus den Niederlanden, in Tilburg standen gleich zwei Konzerte auf dem Plan. Toto auf Tour, das bedeutet: Es geht zügig von Stadt zu Stadt, fast täglich eine Show. Vor dem Aufschlag in Europa tingelte die US-Formation durch die Staaten mit 40 Terminen, im Juli und August stehen Konzerte in Österreich, Italien und Skandinavien an.

Und zwischendurch dann Bonn

Und zwischendurch Bonn. Rund 4500 Besucher bereiten der Band einen überaus freundlichen Empfang. Der frühe Start stimuliert das Publikum, die sympathische Dynamik der Kalifornier überträgt sich bis in die letzte Reihe. Und dann blinzelt auch noch die Abendsonne durch die Baumkronen, das natürliche Licht mischt sich mit dem künstlichen auf der Bühne. Sehr romantisch.

Im weiteren Repertoire des Abends geht es einmal quer durch gut vier Dekaden Bandgeschichte, wobei auch die musikalischen Vorlieben der jeweiligen Epochen hörbar werden. „Georgy Porgy“ (1978) kokettiert mit dem entspannten Westcoast-Jazz der 70er, bei „I‘ll Be Over You“ (1986) verrät die Keyboard-Programmierung den Zeitgeist, „Stop Loving You“ (2004) lässt sich von einem knackigen Funk-Bass antreiben.

Doch Toto ist nicht gekommen, um die eigene Karriere zu erklären – oder zu verklären. Der Blick richtet sich nach vorn, auch im fünften Lebensjahrzehnt einer Rockband ist die Frage erlaubt, was da noch kommen könnte oder sollte. „Die aktuelle Tournee bietet uns die Gelegenheit, um unsere individuelle Zukunft neu zu interpretieren, gleichzeitig die tiefgründige Verbindung mit unserem Publikum zu pflegen und dabei kontinuierlich Neues zu entdecken“, hat Steve Lukather (64), Gitarrist und einzig verbliebenes Gründungsmitglied, unlängst erklärt. Eine klare Ansage, der in Bonn die Taten folgen.

Es geht zur Sache: Explosion und Implosion, großes Drama und Momente der Kontemplation. Der dichte Klangkosmos befindet sich ständig in Bewegung, ein Musterbeispiel raffiniert ausbalancierter Teamarbeit. Die Band ist der Star, klar, es gibt auch und gerade bei Toto den Primus inter pares, den Chef unter den Gleichen. Es ist Steve Lukather, der die Zeitreise im Toto-Universum steuert, er dirigiert mit seiner geschmeidigen Gitarre durch die lange Liste der Lieder. Nicht ganz uneigennützig: Luke will einfach nur spielen. Ob „Pamela“, „Georgy Porgy“ oder „White Sister“ – der Gitarrist platziert in fast jedem Stück ein kurzes oder weniger kurzes Solo. Die Nummer „Kingdom of Desire“ veredelt er mit einer minutenlangen Improvisationspassage voller Intensität. „Bravo“-Rufe aus dem Publikum und ungläubiges Kopfschütteln ob dieser unbändigen Spielfreude.

Und dann stellt er dem KunstRasen seine „besten Freunde“ der Reihe nach vor. John Pierce (Bass), Robert „Sput“ Searight (Schlagzeug), Dominique „Xavier“ Taplin (Keyboard), Warren Ham (Multiin­strumentalist) und Steve Maggiora (Keyboards). Und natürlich, denn auch das ist noch steigerungsfähig, seinen allerbesten Freund: Joseph Williams ist der Sänger, man kennt sich seit der Kindheit und bildet heute gemeinsam den Kern der „lebenslänglichen“ Band Toto, die bei 40 Millionen verkauften Tonträgern auch ein Wirtschaftsunternehmen darstellt. 

„Africa“ kommt ganz zum Schluss

Es ist die 15. Besetzung in 46 Jahren, über frühere Zusammensetzungen sind viele Geschichten erzählt worden. In Bonn ist das kein Thema. „Musik hält uns am Leben“, sagt Lukather zwischen zwei Songs. Toto 2022 ist voller Power und voll in der Spur. Hold The Line. Und das Beste kommt zum Schluss: „With a Little Help From My Friends“, frei nach den Beatles und Joe Cocker, dann der Hit „Rosanna“ von 1982.

Nach dem Schlussakkord erwarten 4500 Konzertbesucher das gängige Ritual: Band geht von der Bühne, Publikum sammelt sich und fordert mit anschwellender Intensität einen Nachschlag. Band lässt sich eine Weile lang bitten und erbarmt sich dann. Toto tut das nicht, Toto verlässt erst gar nicht die Bühne. Kein Bock. „Wollt ihr noch einen Song hören, diesen ganz bestimmten Song?“ fragt Lukather in die Runde. Klar doch. Der große Hit fehlt noch. „Africa“ in einer sehr kompakten Version, das perfekte Finale. 9000 Hände greifen zum Himmel. Ein überirdisches Konzert. Und sehr cool.

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